LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11786 21.04.2016 Datum des Originals: 19.04.2016/Ausgegeben: 25.04.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4579 vom 14. März 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/11537 Ausreisegewahrsam und Abschiebehaft in Nordrhein-Westfalen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Ausreisegewahrsam ist als neue Vorstufe zu einer Abschiebehaft vorgesehen. Wenn eine Abschiebung anberaumt ist, der Betroffene aber im Verdacht steht, dass er sich dem entziehen will, soll er in Zukunft für maximal vier Tage in Gewahrsam genommen werden können - möglichst direkt im Transitbereich eines Flughafens. Das neue Recht sieht vor, dass der Ausreisegewahrsam im Transitbereich eines Flughafens oder in einer Unterkunft vollzogen wird, von wo aus die Ausreise des Ausländers möglich ist. Mit dieser Bestimmung geht eine Erleichterung für den Ausländer einher: Er hat es selbst in der Hand, den Gewahrsam doch noch vorzeitig zu beenden, wenn er sich zur freiwilligen Ausreise entschließt. Dies soll auch dadurch unterstrichen werden, dass die Ingewahrsamnahme möglichst am Flughafen selbst erfolgt, da der Ausländer dort direkt einen Flieger in seinen Herkunftsstaat wählen und somit den Gewahrsam beenden kann. Eine spezielle Abschiebungshafteinrichtung ist hingegen in manchen Fällen weiter von einem Flughafen entfernt. Der neue Ausreisegewahrsam ist grundrechts- und europarechtskonform und wird in anderen Bundesländern entsprechend genutzt. Der Ausreisegewahrsam von wenigen Tagen kommt nur dann in Betracht, wenn der Ausländer zum einen die freiwillige Ausreisefrist schuldhaft und erheblich hat verstreichen lassen und darüber hinaus ein Verhalten gezeigt hat, das erwarten lässt, dass er die Abschiebung erschweren oder vereiteln wird, z.B. durch Identitätstäuschung gegenüber den Behörden. Aus diesem Verhaltensmuster kann im Einzelfall eine latente Entziehungsabsicht des Ausländers abgeleitet werden. Dies ist auch von Artikel 15 der sog. Rückführungsrichtlinie 20087115/EG gedeckt. Der Ausreisegewahrsam kann zudem nur durch einen unabhängigen Richter angeordnet werden, der ebenso wie die beantragenden Behörden natürlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten hat. Für die Verhängung einer Abschiebungshaft sind im Gesetz zahlreiche Kriterien aufgelistet, die dazu führen können, dass jemand in Abschiebehaft landet. Wer etwa seine Identität verschleiert oder "erhebliche Geldbeträge" an einen Schleuser gezahlt hat, um nach Deutschland LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11786 2 zu gelangen, gilt als verdächtig, dass er sich einer Abschiebung entziehen will - und kann inhaftiert werden. Abschiebungshaft ist nach alter und neuer Rechtslage immer nur letztes Mittel. Wenn mildere Mittel ebenfalls ausreichend sind, scheidet eine Inhaftierung aus. Das steht schon heute im Gesetz (§ 62 Absatz 1 AufenthG) und ergibt sich auch aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Auch in der Verwaltungsvorschrift zum AufenthG (i.V.m. § 46 AufenthG) werden schon heute zahlreiche Haftalternativen genannt. Grundvoraussetzung muss aber sein, dass diese Mittel auch ausreichend geeignet sind. Leider ist dies nicht immer der Fall, wenn sich ein Ausreisepflichtiger (teils menschlich verständlich) unbedingt seiner Aufenthaltsbeendigung widersetzen möchte. Dann braucht es als ultima ratio auch eine vorübergehende Ingewahrsamnahme, damit der Aufenthalt auch wirklich beendet werden kann. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4579 mit Schreiben vom 19. April 2016 namens der Landesregierung beantwortet. 1. In wie vielen Fällen wurde jeweils in den vergangenen Monaten seit August 2015 ein Ausreisegewahrsam vollzogen? In fünf Fällen. 2. Hält es die Landesregierung für zulässig einen Ausreisegewahrsam in einer Abschiebehaftanstalt zu vollziehen, wie in der Antwort auf meine kA Drs. 16/11262 genannt ? Die Landesregierung hält einen Ausreisegewahrsam in der Abschiebungshafteinrichtung Büren , die sich im Einzugsbereich des Flughafens Paderborn-Lippstadt befindet, für zulässig. In § 62b Absatz 3 Aufenthaltsgesetz wird auf die Anwendung von § 62a Aufenthaltsgesetz verwiesen . Hinsichtlich der Anzahl der bisher dort vollzogenen Fälle wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Plant die Landesregierung aufgrund der Meldung, dass die Abschiebehaftanstalt Büren bereits voll belegt sei, an einem möglichen anderen Standort in Nordrhein- Westfalen den Vollzug des Ausreisegewahrsams? Ein weiterer Standort für den Vollzug von Ausreisegewahrsam ist nicht geplant. Die momentane Unterbringungskapazität in der UfA Büren beträgt 80 Plätze, von denen derzeit monatlich durchschnittlich 60 Plätze in Anspruch genommen werden. Der weitere Ausbau der Kapazitäten ist geplant. 4. Mit welchen konkreten Maßnahmen wurde in den vergangenen Monaten seit August 2015 die Entziehung Ausreisepflichtiger verhindert? Zur Verhinderung der Entziehung von Ausreisepflichtigen sieht § 62 des Aufenthaltsgesetzes die Möglichkeiten der Vorbereitungshaft, der Sicherungshaft und des Ausreisegewahrsams vor, sofern mildere Sicherungsmaßnahmen zur Haftvermeidung, wie etwa Meldeauflagen oder räumliche Aufenthaltsbeschränkungen im konkreten Einzelfall von der zuständigen Ausländerbehörde für nicht geeignet gehalten werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11786 3 5. Aus welchen konkreten Gründen wurde in Nordrhein-Westfalen jeweils seit August 2015 Abschiebehaft angeordnet? Für 346 Personen wurde Abschiebungshaft zur Sicherung der Abschiebung (Sicherungshaft) gemäß § 62 Absatz 3 Aufenthaltsgesetz gerichtlich angeordnet. Zur Begründung eines Haftantrages wurden ein oder mehrere Haftgründe angeführt, insgesamt wurde der Haftgrund des § 62 Absatz 3 Nummer 1 Aufenthaltsgesetz 145 mal angeführt, die Nummer 1a 6 mal, die Nummer 2 138 mal, die Nummer 4 34 mal und die Nummer 5 217 mal. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11786