LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11820 25.04.2016 Datum des Originals: 22.04.2016/Ausgegeben: 28.04.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4573 vom 16. März 2016 der Abgeordneten Josef Wirtz und Rolf Seel CDU Drucksache 16/11527 Ungleichheiten bei der Kostenerstattung für die Unterbringung von Flüchtlingen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Vorgehensweise des Landes bei der Kostenerstattung für die Unterbringung von Flüchtlingen hat in zahlreichen Kommunen in NRW für großen Unmut gesorgt. Die betroffenen Städte und Gemeinden beanstanden eine in hohem Maße erfolgte Ungleichverteilung der Landeszuweisungen und eine daraus resultierende überdurchschnittliche Belastung. Im Haushaltsjahr 2016 sollen nordrhein-westfälische Kommunen eine jährliche Pauschale von 10.000 Euro pro Flüchtling erhalten. Die Berechnungsgrundlage hierfür bilden allerdings längst überholte Stichtags-Werte, die den ständig anwachsenden Zuweisungszahlen nicht gerecht werden. Erst für das Jahr 2017 beabsichtigt das Land die Verteilungssystematik auf eine monats - und personenscharfe Zuweisung der Mittel umzustellen. Besonders benachteiligt ist in diesem Zusammenhang beispielsweise die Stärkungspakt-Kommune Aldenhoven im Kreis Düren. Obwohl der Gemeinde mehr als 271 Personen zugeteilt wurden, erhält sie gemäß FlüAG nur eine Anerkennung für 163 Personen und dementsprechend deutlich weniger Landeszuweisungen als nötig. Die finanzielle Deckungslücke für derzeit rund 110 Personen ist trotz der sehr angespannten Haushaltslage von der Gemeinde selbst aufzubringen. Als Stärkungspakt-Kommune wird Aldenhoven ggf. gezwungen sein, zusätzliche Kredite aufzunehmen und einen Nachtragshaushalt einzubringen. Dieser würde mit Steuererhöhungen einhergehen, die ausschließlich zur Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung dienen und in Anbetracht der bereits in diesem Jahr beschlossenen Anhebungen der Hebesätze gegenüber der Bevölkerung nicht vertretbar wären. Ähnliche Beispiele gibt es an zahlreichen weiteren Stellen im Land. Jüngst wandten sich die Bürgermeister und Kämmerer der Städte und Gemeinden des Rhein-Sieg-Kreises geschlossen an den Innenminister, um ebenfalls ihren Unmut über die beschriebenen Ungerechtigkeiten zu äußeren. Sie bitten darüber hinaus um eine verlässliche Bestätigung des Ministeriums, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11820 2 dass tatsächlich für jeden Flüchtling eine Pauschale von 10.000 Euro gewährt wird und die zur Verfügung gestellten Bundesmittel in vollem Umfang weitergeleitet werden. Neben den oben beschriebenen Fällen gibt es allerdings auch Städte und Gemeinden, die mehr Geld nach der FlüAG-Systematik erhalten, als ihnen aufgrund der tatsächlich zugewiesenen und aufgenommenen Zahl an Flüchtlingen eigentlich zusteht. Es ist daher wenig verwunderlich , dass diese Situation für Unverständnis und Empörung bei den Kommunen führt, die durch die Vorgaben des Ministeriums überdurchschnittlich stark belastet werden. Die dringend notwendige Umstellung der Verteilungssystematik ist weder kompliziert noch bedarf sie eines Vorlaufs von über einem Jahr. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4573 mit Schreiben vom 22. April 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Das Land hat in diesem Jahr rund 4 Milliarden Euro für die Aufnahme und Integration der Flüchtlinge zur Verfügung gestellt. Mit der Aufstockung der pauschalen Landeszuweisungen von 7.578 Euro auf 10.000 Euro und der Erweiterung des Personenkreises auf die sog. Geduldeten geht fast die Hälfte dieses Betrags an die Kommunen. Darin enthalten sind auch die vom Bund zur Entlastung von Ländern und Kommunen zugesagten zusätzlichen Finanzmittel in Höhe von 626 Millionen Euro, die das Land in vollem Umfang an die Kommunen weitergibt. Zu der Vorbemerkung der Fragesteller sei angemerkt, dass das Land in diesem Jahr zunächst mit einer Prognose in Höhe von 181.134 Personen rechnen musste, um die Landesmittel rechtzeitig orientiert an den aktuell hohen Flüchtlingszahlen auszahlen zu können. Hintergrund ist, dass das Land bereits im letzten Jahr auf die Forderung der Kommunen reagiert hat und den Stichtag für die Berechnung der Landesmittel auf das aktuelle Auszahlungsjahr vorgezogen hat. Bislang galt für die Auszahlung die Flüchtlingszahl des Vorjahres. Zum Stichtag 01.01.2015 wären dies nur 57.121 Personen gewesen. Die jetzt vorliegenden Meldungen der Kommunen haben ergeben, dass sich der tatsächliche Bestand der Flüchtlinge in den Kommunen zum Stichtag 1.1.2016 auf circa 200.000 Flüchtlinge belaufen wird. Das sind etwa 19.000 Flüchtlinge mehr als prognostiziert. Insofern kann festgestellt werden, dass die Prognose nicht weit entfernt von der tatsächlichen Anzahl von Flüchtlingen zum 01.01.2016 lag. Obwohl die von den Kommunen gemeldeten Zahlen noch überprüft werden, hat das Ministerium für Inneres und Kommunales den Kommunalaufsichtsbehörden mit Erlass vom 11.02.2016 ermöglicht, bereits jetzt eine Steigerung der bisherigen Prognose um bis zu 10 % in den kommunalen Haushalten auf der Ertragsseite zu akzeptieren. Denn neben der bereits über den Landeshaushalt zur Verfügung gestellten Summe von 1,948 Mrd. Euro werden für diese voraussichtlich rund 19.000 Flüchtlinge die Landesmittel im Wege eines Nachtragshaushaltes im Laufe des Jahres aufgestockt. Das ergibt sich bereits aus den gesetzlichen Vorschriften . Das Land wird die Überprüfung der gemeldeten Zahlen allerdings insoweit beschleunigen, dass die Erhöhung der Landesmittel noch im Jahr 2016 für die Kommunen kassenwirksam LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11820 3 werden kann. Im aktuellen Gesetzentwurf, der dem Landtag zur Beratung vorliegt, ist dafür der Monat Dezember vorgesehen. 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Gerechtigkeitsproblematik bei der Kostenerstattung für die Unterbringung von Flüchtlingen vor dem Hintergrund der geschilderten Kritik? Die Koalitionsfraktionen der SPD und der Grünen im Landtag und die Kommunalen Spitzenverbände haben sich in ihrer Vereinbarung vom 16. Dezember 2015 auf das weitere Vorgehen bei der Finanzierung der Flüchtlingsversorgung und -unterbringung verständigt. Für das Jahr 2016 wird die jährliche Pauschale von aktuell 7.578 Euro auf 10.000 Euro pro Flüchtling angehoben. Außerdem werden die Geduldeten gemäß § 60a Aufenthaltsgesetz (Stand 30.12.2014) erstmalig berücksichtigt. Hinsichtlich des Verteilmechanismus soll das Jahr 2016 als Übergangsjahr ausgestaltet sein: Das bedeutet, dass die erhöhten FlüAG-Mittel in diesem Jahr noch nach dem bisherigen Verteilschlüssel 90 % Einwohner / 10 % Fläche an die Kommunen verteilt werden. Die Anrechnung der Landesplätze wurde bereits im letzten Jahr nach dem plötzlichen Anstieg der Flüchtlingszahlen eingeführt, um einen finanziellen Anreiz für Kommunen zu schaffen, das Land bei den dringend benötigten Unterkünften zu unterstützen , um Obdachlosigkeit zu vermeiden. Ab dem Jahr 2017 soll nach der Vereinbarung zwischen den Koalitionsfraktionen und den Kommunalen Spitzenverbänden dann eine Umstellung von dem aktuell geltenden Pauschalsystem auf eine echte Pro-Kopf-Pauschale erfolgen, die pro Monat pro Flüchtling ausbezahlt wird. Alle Beteiligten waren sich dabei einig, dass die Systemumstellung eines gewissen Vorlaufs bedarf und deshalb nicht bereits für das Jahr 2016 umgesetzt werden kann. Für die monatliche Abrechnung ab dem Jahr 2017 bedarf es einer personenscharfen Datenerhebung in den Kommunen und deren Übermittlung an das Land. Die organisatorisch-technischen Voraussetzungen für die Systemumstellung ab dem 01.01.2017 werden derzeit in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe des Landes und der Kommunalen Spitzenverbände erarbeitet. 2. Sind Einzelfallregelungen möglich, um den besonders stark benachteiligten Kommunen wie Aldenhoven zu helfen? Die Verteilung der FlüAG-Mittel erfolgt auf Grundlage des Zuweisungsschlüssels gem. § 3 FlüAG. Eine vom Verteilschlüssel gem. § 3 FlüAG losgelöste einzelfallbezogene Mittelverteilung ist im FlüAG nicht vorgesehen. 3. Wenn ja, wie könnten solche Einzelfallregelungen konkret aussehen? Siehe Antwort zu Frage 2. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11820 4 4. Ist die Landesregierung bereit, unmissverständlich zuzusagen, dass den Städten und Gemeinden die zugesagte Pauschale von 10.000 Euro pro Jahr und Flüchtling in 2016 tatsächlich gewährt wird? Eine solche Zusage des Landes gibt es nicht. Vielmehr wurde in der bereits mehrfach zitierten Vereinbarung von Dezember 2015 explizit Folgendes festgehalten: „Die Parteien sind sich darin einig, dass eine Systemumstellung in Anlehnung an die Auszahlung der Flüchtlingspauschale des Bundes in Höhe von 670 Euro eines gewissen Vorlaufs bedarf, so dass das Jahr 2016 als Übergangsjahr ausgestaltet wird. Das bedeutet, dass die Berechnung und Verteilung der FlüAG-Mittel auf der Grundlage des bisherigen FlüAG-Systems erfolgt. Die Kommunen erhalten die Mittel also in dem Übergangsjahr als Jahrespauschale . … Die Verteilung der Summe auf die Städte und Gemeinden erfolgt für 2016 nach dem bisherigen Schlüssel (90% Einwohner |10% Fläche).“ Der letzte Satz ist entscheidend. 5. Wie begründet die Landesregierung die offensichtlichen Abstimmungsprobleme zwischen dem Innenministerium und der Bezirksregierung Arnsberg, welche für die signifikanten Abweichungen zwischen der FlüAG-Berechnung und den tatsächlichen Zuweisungszahlen verantwortlich sind? Die Grundlage für die Berechnung der FlüAG Mittel bildet die Anzahl von Flüchtlingen nach dem FlüAG zum Stichtag 01.01.2016. Dazu wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Eine nicht dem Gesetz entsprechende Abweichung der Zahlen ist dem Ministerium nicht bekannt, insofern auch keine Abstimmungsprobleme mit der Bezirksregierung Arnsberg. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11820