LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11821 25.04.2016 Datum des Originals: 20.04.2016/Ausgegeben: 28.04.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4577 vom 17. März 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/11535 Rückführung in Nordrhein-Westfalen – Welche Vollzugshindernisse verhindern Rückführungen in Nordrhein-Westfalen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Bundesweit wurden im vergangenen Jahr 20.888 Menschen zurückgeführt und 37.220 Menschen sind mit Hilfe von Förderprogrammen freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt. Laut Antwort der Landesregierung betrugen die nordrhein-westfälischen Zahlen folgende: 4.395 Abschiebungen plus 8.213 Personen mit Fördermitteln über die freiwillige Ausreise. Im Verhältnis der Anzahl der freiwilligen Rückführungen und Abschiebungen zur Gesamtzahl der Ausreisepflichtigen ergibt sich daraus eine unterdurchschnittliche Rückführungsquote im Ländervergleich. Während bundesweit rund 38 Prozent der Ausreisepflichtigen freiwillig oder per Abschiebung in ihre Heimat zurückkehren, waren dies im vergangenen Jahr in Nordrhein- Westfalen nur 24 Prozent. In Hessen, Bayern, Rheinland-Pfalz oder Sachsen-Anhalt werden dagegen mehr als 60 Prozent der Ausreisepflichtigen per Abschiebung oder geförderter Ausreise in die Herkunftsländer gebracht.. Hinsichtlich der Durchsetzung der Ausreisepflicht wurde der § 59 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20.10.2015 (Bundesgesetzblatt 2015 Teil I Nr. 40, S. 1722 ff.) dahingehend geändert, dass nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden darf. Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/6185) verweist darauf, dass bereits „(...) die Androhung der Abschiebung, die dem Ausländer bekanntgegeben wird, (...) unmissverständlich die Ankündigung enthält, dass nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise die Ausreisepflicht zwangsweise durchzusetzen ist. Dem Ausländer ist daher bewusst, dass er innerhalb der freiwilligen Ausreisefrist das Land verlassen muss, da sonst die Abschiebung droht; er kann sich mithin auf die jederzeitige Abschiebung einstellen. (...) Dem Grundsatz der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11821 2 Verhältnismäßigkeit wird Rechnung getragen, da der Ausländer mit der Abschiebungsandrohung eindeutig über die Rechtsfolge einer nicht rechtzeitig erfolgten freiwilligen Ausreise informiert worden ist (BT-Drs. 18/6185).“ Mit Erlass vom 6. November 2015 wurden die Bezirksregierungen durch das Ministerium für Inneres und Kommunales dazu angewiesen, dass bei Vorliegen von besonderen humanitären Gesichtspunkten nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben gem. § 59 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz wie folgt verfahren werden soll: „Vor dem geplanten Abschiebetermin sind die Betroffenen nochmals unmissverständlich darüber zu informieren, dass ihre Abschiebung zeitnah bevorsteht. Dabei ist ein Vorlauf von mindestens einer Woche einzuhalten. Der konkrete Abschiebungstermin darf dabei nicht angekündigt werden. Darüber hinaus sind sie darauf hinzuweisen, dass von der zeitnahen Abschiebung nur dann abgesehen werden kann, wenn die Betroffenen glaubhaft machen können, nunmehr von einer freiwilligen Ausreisemöglichkeit Gebrauch machen zu wollen. Die Glaubhaftmachung kann insbesondere durch Antragstellung auf Förderung der freiwilligen Ausreise gem. REAG/GARP-Programm erfolgen.“ Der Minister für Inneres und Kommunales hat die kleine Anfrage 4577 mit Schreiben vom 20. April 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Nach der bundespolizeilichen Abschiebungsstatistik weist Nordrhein-Westfalen rückblickend seit dem Jahr 2010 konstant die höchsten absoluten Abschiebungszahlen auf. Die Abschiebungszahlen in Nordrhein-Westfalen sind in diesem Zeitraum kontinuierlich gestiegen. Lediglich im Jahr 2011 gab es einen leichten Rückgang. In Nordrhein-Westfalen stieg die Zahl im Jahr 2015 erneut an auf 4.395 Fälle. Auch in den ersten beiden Monaten des Jahres 2016 weist Nordrhein-Westfalen mit bislang 814 Fällen die höchste Zahl an Abschiebungen auf, vor Bayern mit 613 und Baden-Württemberg mit 527 Fällen. Die Gesamtzahl der Ausreisen aus Nordrhein-Westfalen im Jahr 2015 stellt sich nach nun erfolgter abschließender Auswertung der Daten zur freiwilligen Ausreise wie folgt dar: - 4.395 Abschiebungen - 7.814 REAG-GARP geförderte tatsächliche freiwillige Ausreisen - 3.633 sonstige freiwillige Ausreisen - insgesamt: 15.842 Ausreisen aus Nordrhein-Westfalen. Sofern in der Kleinen Anfrage eine angebliche Rückführungsquote für Nordrhein-Westfalen von 24 % unter Heranziehung der Gesamtzahl der Ausreisepflichtigen errechnet wird, wird auf Folgendes hingewiesen: Mit Stand vom 31.12.2015 hielten sich laut Ausländerzentralregister (AZR) in NRW 54.290 Ausreisepflichtige auf, davon besaßen 43.050 Personen eine Duldung. Für die letztgenannte Gruppe von Personen hatten die zuständigen Ausländerbehörden gem. AZR-Statistik zum genannten Stichtag also festgestellt, dass die Abschiebung im Einzelfall vorübergehend auszusetzen, demnach derzeit nicht möglich, und eine Duldung auszusprechen ist. Die Zahl der vollziehbar Ausreisepflichtigen wird im Ausländerzentralregister im Übrigen statistisch nicht gesondert erfasst. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11821 3 1. In wie vielen Fällen wurde seit Inkrafttreten des Erlasses aufgrund des nochmaligen Hinweises auf die geplante zeitnah anstehende Abschiebung – unter Einhaltung eines Vorlaufs von mindestens einer Woche, aber ohne den Abschiebungstermin zu nennen - eine Abschiebung nicht durchgeführt? Die in dem Erlass vom 06.11.2015 - 121-39.10.00-10.154 - angesprochene Information des Ausländers steht einer Abschiebung nicht entgegen. Der Landesregierung sind keine Fälle bekannt, dass Abschiebungen aufgrund der in der Frage angeführten Umstände nicht durchgeführt werden konnten. 2. In wie vielen Fällen entzogen sich jeweils in den Monaten seit dem Januar 2015 Ausreisepflichtige nach Androhung der Durchsetzung der Abschiebung dem Vollzug der Abschiebung? Hierzu liegen der Landesregierung keine statistischen Angaben vor. Im Rahmen der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit ist eine retrograde Ermittlung unter Beteiligung sämtlicher 84 Ausländerbehörden in Nordrhein- Westfalen nicht mit verhältnismäßigem Aufwand möglich. 3. In wie vielen Fällen wurden seit Inkrafttreten aufenthaltsbeendende Maßnahmen durch die Annahme eines Härtefalls im Rahmen der Einzelfallprüfung bei ausreisepflichtigen Personen aus den Westbalkan-Republiken Albanien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und Serbien im Sinne des Runderlasses des Innenministeriums „Rückführung ausreisepflichtiger Personen in die Westbalkan -Republiken Albanien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und Serbien; hier: Angehörige der Volksgruppen der Roma, Ashkali und Ägypter,“ nicht durchgeführt? Mit dem hier offenbar angesprochenen Erlass vom 22.12.2014 - 15-39.13.09-3-14-404 - wurde keine Härtefallregelung getroffen. Einzelfallprüfungen nach diesem Erlass finden im Vorfeld der Rückführungsentscheidungen sowie innerhalb des geltenden Rechtsrahmens statt. 4. Insgesamt fanden im Jahr 2015 rund 4.400 Abschiebungen in Nordrhein-Westfalen statt. Hierfür sind die kommunalen Ausländerbehörden zuständig. Aus welchen Kreisen/kreisfreien Städten fanden jeweils im Jahr 2015 keine Abschiebungen statt? Der Landesregierung sind keine Kreise oder kreisfreien Städte bekannt, aus denen im Jahr 2015 keine Abschiebung stattfand. Die große kreisangehörige Stadt Arnsberg hat im Jahr 2015 als zuständige Ausländerbehörde keine Abschiebung durchgeführt. 5. An welchen konkreten Vollzugshindernissen scheiterten jeweils vorgesehene Rückführungen im vergangenen Jahr 2015? Hierzu liegen der Landesregierung keine statistischen Angaben vor. Erfahrungsgemäß haben folgende Gründe eine besondere Relevanz in der Vollzugspraxis: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11821 4 - der Ausländer entzieht sich der Maßnahme durch Abtauchen oder anderweitigen Aufenthalt , - der Ausländer macht einer Abschiebung entgegenstehende gesundheitliche Gründe für sich oder einen nahen Angehörigen geltend, - das Fehlen von Reisedokumenten und die damit verbundene oft schwierige und langwierige Beschaffung von Passersatzpapieren. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11821