LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11857 29.04.2016 Datum des Originals: 29.04.2016/Ausgegeben: 04.05.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Neudruck Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4599 vom 22. März 2016 der Abgeordneten Gregor Golland und Petra Vogt CDU Drucksache 16/11571 Neue Eskalationsstufe bei Mottowoche der Kölner Abiturienten Vorbemerkung der Kleinen Anfrage 15 Polizeieinsätze in einer Nacht, schwere Sachbeschädigung an sieben Gymnasien, Anzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung sowie Verstößen gegen das Waffen- und Betäubungsmittelgesetz – das ist die Bilanz einer „Feier“ von Kölner Abiturienten in der Nacht vom 13. auf den 14. März 2016. Wie die „Rheinische Post“ berichtet (15.3.2016, S. 3), wurden bei den Schülern, die den Beginn ihrer „Mottowoche“ feierten, Drogen, Baseballschläger und eine zur Schlagwaffe umgebaute Fahrradkette sichergestellt. Schon am Abend des 11. März 2016 musste ein Großaufgebot der Polizei in Köln einen Platz mit rund 50 feiernden Schülern unter Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken räumen. Einige Jugendliche griffen Polizisten an, mehrere Schüler wurden in Gewahrsam genommen. Wie ein Sprecher der Bezirksregierung Düsseldorf der „Rheinischen Post“ mitteilte, habe man die „dringende Empfehlung ausgesprochen“, im Rahmen der Schulkonferenz über die „Abi- Streiche“ zu sprechen. Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 4599 mit Schreiben vom 29. April 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11857 2 1. Was genau ist an den Abenden bzw. in den Nächten des 11. März bzw. 13. März 2016 in Köln passiert? (Bitte Lagebild wiedergeben.) Am 11.03.2016 kam es auf dem Lenauplatz in Köln-Neuehrenfeld zu Auseinandersetzungen einer größeren Gruppe Jugendlicher. Die anschließenden Ermittlungen ergaben jedoch keine Hinweise auf einen Zusammenhang mit der Mottowoche der Kölner Abiturienten. Vom 11.03.2016 bis zum 13.03.2016 kam es zu insgesamt 5 Polizeieinsätzen im Zusammenhang mit der Mottowoche. Hierbei handelte es sich um Einsätze wegen Sachbeschädigungen durch Graffiti an Schulgebäuden oder aufgrund verdächtiger Personen. In zwei Fällen wurden Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigungen eingeleitet. Vom Abend des 13.03.2016 bis zum Morgen des 14.03.2016 kam es zu 12 Einsätzen. Bei den Einsatzanlässen handelte es sich in 8 Fällen um verdächtige Personen. Hier wurde kein strafbares Verhalten festgestellt. Bei den übrigen 4 Einsätzen wurden Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung, Körperverletzung und eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitet. In einem Fall wurden Banner und Spraydosen sichergestellt. Sicherstellungen einer Fahrradkette oder eines Baseballschlägers wurden nicht berichtet. 2. Welche Konsequenzen werden nach den Vorfällen von Seiten der Polizei und den betroffenen Schulen ergriffen? Die Kreispolizeibehörde Köln hat zur Bearbeitung aller Straftaten im Zusammenhang mit der Mottowoche eine Ermittlungsgruppe eingerichtet. Vom 15.03.2016 bis zum 20.03.2016 wurden im Rahmen eines gesonderten Einsatzkonzepts unter Einbindung von Kräften der Bereitschaftspolizei Sondereinsätze durchgeführt. Im Rahmen ihrer Netzwerkarbeit (Netzwerk Erziehung in Schulen -NEIS) beabsichtigt die Kreispolizeibehörde Köln, ihre Netzwerkpartner (z. B. Schulverwaltungsamt) bei deren Wahrnehmung ihrer originären Aufgaben zu unterstützen. Die Nachbereitung des Einsatzes am 14.03.2016 hinsichtlich der Vorkommnisse am Humboldt -Gymnasium ist beim Polizeipräsidium Köln gemäß Landesteil NRW zur PDV 100, Teil C, angeordnet. Das Polizeipräsidium Köln beabsichtigt, die Erforderlichkeit und den Umfang polizeilicher Maßnahmen anlässlich der Mottowoche 2017 frühzeitig zu beurteilen und zu konzeptionieren. Am 15.03.2016 fand eine gemeinsame Besprechung der Polizei Köln, der Staatsanwaltschaft Köln, der Bezirksregierung Köln und der Stadt Köln statt, auf der neben der polizeilichen Einsatzlage auch Präventionsmöglichkeiten besprochen wurden. Am 13.04.2016 haben die Schulleiterinnen und Schulleiter aller Kölner Gymnasien mit Vertreterinnen und Vertretern der Bezirksregierung Köln, der Stadt Köln und der Polizei Köln über die Vorfälle in der diesjährigen Mottowoche beraten sowie Absprachen zur Prävention für die kommenden Jahre getroffen. Mit Präventionsmaßnahmen (u. a. Einbindung des schulpsychologischen Dienstes der Stadt Köln, keine Übernachtungen von Schülerinnen und Schülern auf dem Schulgelände) und der Ankündigung von Konsequenzen (Ausschluss von den offiziellen Abitur-Feierlichkeiten) bei unangemessenem Verhalten wollen die Schulleitungen einerseits LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11857 3 die vielen friedlichen Mottowochen weiterhin ermöglichen, andererseits jedoch zukünftige Eskalationen verhindern. 3. Wie hat und wird Ministerin Löhrmann, als oberste Schulaufseherin bzw. die Schulaufsichtsbehörden auf die Vorfälle reagieren. (Bitte alle Anweisungen, Anordnungen , Erklärungen und sonstige Dokumente anfügen.)? 4. Sind die Vorfälle in Köln ein Einzelfall oder gibt es landesweit weitere Vorkommnisse ? (Bitte alle Vorfälle seit 2010 auflisten, nach Datum, Ort, beteiligte Personen, Vergehen, Konsequenzen und ggf. strafrechtlichen Verfahren bzw. Urteile.) Ich habe mich in einer telefonischen Lagebesprechung am 17.03.2016 über die Einschätzung der Vorfälle – soweit bekannt – unterrichten lassen. Herr Staatssekretär Hecke hat noch am gleichen Tag die Schulabteilungsleiterinnen und Schulabteilungsleiter der fünf Bezirksregierungen um eine Einschätzung dazu gebeten, in welchem Umfang entsprechende Vorfälle zu verzeichnen sind, wie der Stand der Ermittlungen bei der Polizei ist und ob Schulen Ordnungsmaßnahmen ergriffen haben. Zusätzlich hat sich Herr Staatssekretär Hecke von der Schulabteilungsleiterin der Bezirksregierung Köln telefonisch über die Situation in Köln berichten lassen. Aus den Einschätzungen der Schulabteilungsleiterinnen und Schulabteilungsleiter lässt sich erkennen, dass die Lage in den Regierungsbezirken sehr unterschiedlich war. Während in der Bezirksregierung Detmold keine Vorfälle rund um die Mottowoche der Abiturientinnen und Abiturienten bekannt wurden, wurde aus der Bezirksregierung Arnsberg von einem Fall der Sachbeschädigung berichtet. Aus dem Regierungsbezirk Münster wurden drei Vorkommnisse berichtet, die jeweils durch Eingreifen der Schulleiterinnen und Schulleiter bzw. bei einer Verkehrsstörung durch Eingreifen der Polizei kooperativ beigelegt werden konnten. Im Regierungsbezirk Köln kam es neben den bekannt gewordenen Vorfällen in der Kölner Südstadt zu zwei weiteren Vorfällen an Kölner Gymnasien, die auf kooperativem Wege beigelegt werden konnten. Die Bezirksregierung Düsseldorf meldete insgesamt zehn Vorfälle im Zusammenhang mit den Mottowochen, die durch Platzverweise, Absage der laufenden Mottowoche durch die jeweiligen Schulleiterinnen und Schulleiter, Ordnungsmaßnahmen der Schulen bzw. durch Polizeieinsatz - in drei Fällen - geregelt wurden. Es gab vereinzelt Strafanzeigen . In den meisten Fällen kam es zu Sachbeschädigungen und Verunreinigungen bzw. unangemessenem Verhalten teilweise alkoholisierter Personen. In einer Region konnten Ausschreitungen rivalisierender Schülergruppen verschiedener Gymnasien durch die präventive Präsenz von Ordnungskräften vor den Schulgeländen verhindert werden. Aus den Rückmeldungen der Bezirksregierungen wird deutlich, dass sich die Eskalationen im Rahmen der Mottowoche vor allem auf den städtischen Raum, insbesondere in den Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf, konzentrieren. Einige Schulen reagierten mit Ordnungsmaßnahmen auf das Fehlverhalten Einzelner oder behalten sich solche noch vor. Polizeiliche Ermittlungen dauern in Einzelfällen zurzeit noch an, darüber kann aus diesem Grund keine Auskunft erteilt werden. In der Gesamtbetrachtung kam es nach dem Informationsstand der Schulaufsicht landesweit an 17 Schulen (sechzehn Gymnasien, eine Gesamtschule) zu Eskalationen im Zusammenhang mit der diesjährigen Abitur-Mottowoche von unterschiedlichem Schweregrad, die sich auf den städtischen Raum Köln bzw. Düsseldorf und Umgebung konzentrierten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11857 4 In Relation zu den mehr als 850 Schulen, deren Abiturientinnen und Abiturienten am Zentralabitur teilnehmen, muss festgehalten werden, dass die Eskalationen im Einzelnen zwar scharf zu verurteilen sind, mit Blick auf die Gesamtzahl von Abiturjahrgängen jedoch auch nicht zu verallgemeinern sind. Auch da, wo es zu bedauerlichem Fehlverhalten kam, hat sich jeweils die Mehrzahl der Abiturientinnen und Abiturienten deutlich davon distanziert und sich an den Aufräumarbeiten konstruktiv beteiligt. In der Vergangenheit durchgeführte strafrechtliche Verfahren und Urteile im Zusammenhang mit der Abitur-Mottowoche liegen auf Landesebene nicht automatisiert vor. Eine Erhebung dieser Daten - auch für einzelne Kreispolizeibehörden - ist nur händisch und mit erheblichem Verwaltungsaufwand möglich. In der zur Bearbeitung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit können mit den hierfür verfügbaren Ressourcen die erbetenen Daten ad hoc nicht erhoben werden. Insbesondere für die zurückliegenden Jahre bis 2010 liegen daher keine validen Daten vor. 5. Welche Maßnahmen erachtet die Landesregierung für sinnvoll, um eine derartige Eskalation der „Abi-Streiche“ künftig zu verhindern? Grundsätzlich geht die Landesregierung davon aus, dass neben der Aufarbeitung der Verantwortung für die diesjährigen Eskalationen alle präventiven Maßnahmen darauf gerichtet sein müssen, die vor Ort Verantwortlichen, insbesondere die Schulleiterinnen und Schulleiter zu unterstützen. Nur im Zusammenwirken aller am Schulleben Beteiligten (z. B. in der Schulkonferenz) wird es gelingen, einvernehmliche und von allen akzeptierte Lösungen für die letzte Schulwoche der Abiturientinnen und Abiturienten zu entwickeln. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es hierbei insbesondere um schulaufsichtliche Beratung und Begleitung einzelner Gymnasien und Gesamtschulen bzw. Absprachen in regionalen Schulleiterdienstbesprechungen unter Einbeziehung des Schulträgers und der Polizei - wie bereits in Köln geplant - gehen wird, insbesondere in den Regionen, in denen in diesem Jahr Eskalationen besonders häufig auftraten. Das Ministerium für Schule und Weiterbildung wird diese Prozesse dadurch unterstützen, dass auf Landesdezernentenkonferenzen dieses Thema aufgearbeitet und Verabredungen für präventive Maßnahmen getroffen werden. Da die regionalen Gegebenheiten sehr unterschiedlich sind, wird es darauf ankommen, dass dies passgenau geschieht. In den turnusmäßigen Gesprächen, die ich mit der LandesschülerInnenvertretung führe wird dieses Thema ebenfalls aufgegriffen, um die Interessensvertretung der Schülerinnen und Schüler an der Problemlösung zu beteiligen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11857