LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11875 02.05.2016 Datum des Originals: 02.05.2016/Ausgegeben: 06.05.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4615 vom 17. März 2016 des Abgeordneten Hanns-Jörg Rohwedder PIRATEN Drucksache 16/11602 Uranlieferungen aus Gronau für belgische und französische Pannen-Atomkraftwerke Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 13. März 2016 berichtete das WDR-Magazin Westpol über Lieferungen von angereichertem Uran aus der Urananreicherungsanlage Gronau für die umstrittenen belgischen Pannenreaktoren in Tihange und Doel. Die Urananreicherungsanlage Gronau gehört zum Urenco- Konzern. Der Chef von Urenco Deutschland, Dr. Joachim Ohnemus, gab gegenüber Westpol zu, dass die belgische Atomfirma Synatom, eine Tochter der Reaktorbetreiber Electrabel, zu den Kunden von Urenco zähle. Damit ist klar, dass auch in NRW angereichertes Uran – unter Billigung der NRW-Landesregierung und der Bundesregierung – in belgischen Reaktoren eingesetzt wird. Bislang hatte die Landesregierung über diese direkte Verwicklung nicht berichtet, zugleich aber den Weiterbetrieb der belgischen Reaktoren scharf kritisiert. Sie geht inzwischen sogar juristisch vor. In der Westpol-Sendung vertrat ein Rechts-Professor die Ansicht, dass die Landesregierung verpflichtet sei, diese Exporte von Gronau nach Belgien zu untersagen, weil sie auch das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung hierzulande gefährden. Umweltminister Remmel vertrat gegenüber Westpol jedoch die Meinung, die Landesregierung könne nichts unternehmen. Anti-Atom-Initiativen haben die Landesregierung hingegen wiederholt aufgefordert , diese Exporte von Uranbrennstoff aus Gronau einzustellen und wie im Koalitionsvertrag angekündigt, die Urananreicherungsanlage in Gronau stillzulegen. Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 4615 mit Schreiben vom 2. Mai 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales, dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales und dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11875 2 Vorbemerkung der Landesregierung Die Urananreicherungsanlage Gronau wird durch die Urenco Deutschland GmbH (UD) betrieben . UD ist ein Unternehmen der europäischen Urenco-Gruppe (Urenco Enrichment Company Limited) mit Sitz in Großbritannien, welche in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden Anlagen zur Anreicherung von Uran betreibt. Eine weitere Anlage existiert in den Vereinigten Staaten von Amerika, welche durch die Muttergesellschaft des Urenco Konzerns (Urenco Limited) betrieben wird. Die Anlagen zur Urananreicherung nach dem Ultrazentrifugenprinzip an den Standorten sind Teil einer internationalen Kernbrennstoffversorgungskette für Kernkraftwerke. Neben den Anlagen des Urenco-Konzerns existieren noch weitere internationale Urananreicherungsanbieter am Markt. Darüber hinaus existieren am Markt internationale Anbieter zur Brennelementeherstellung . Die Kernbrennstoffversorgung für Kernkraftwerke erfolgt in der Weise, dass die Beschaffung von Natururan, die Urananreicherung, die Brennelementherstellung und der Einsatz der Brennelemente im Kraftwerk sowie deren Entsorgung von einem Energieversorgungsunternehmen (EVU) festgelegt bzw. beauftragt wird. Grundlage hierfür bilden zivilrechtlich geschlossene Verträge zwischen dem EVU und dem jeweiligen Unternehmen. Im Fall der Urananreicherung werden spezielle Anreicherungsverträge zwischen einem EVU und bezogen auf Europa der gesamtschuldnerisch haftenden europäischen Urenco-Gruppe geschlossen. Diese Verträge werden in der Regel durch EURATOM ratifiziert. Die Urenco Gruppe entscheidet durch ihr Headoffice in Großbritannien selbstständig, an welchem ihrer europäischen Standorte der jeweilige Anreicherungsvertrag bedient wird. In der Regel bedienen mehrere Standorte einen Anreicherungsvertrag. Welche Standorte einen Vertrag bedienen , ist unter anderem abhängig von logistischen und operativen Eigenschaften der einzelnen Anreicherungsanlagen selbst. Ein EVU plant zudem selbst den speziellen Materialeinsatz in den Brennelementen inklusive der Herstellung der Brennelemente. Somit legt ein EVU auch den Lieferort des angereicherten Urans zur weitergehenden Brennelementeherstellung fest. Die von einem EVU beauftragten Brennelemente werden im Weiteren von einem Brennelementehersteller an ein entsprechendes Kernkraftwerk geliefert. Bedingt durch die verfahrenstechnischen Schritte im Zuge der Kernbrennstoffversorgung (s.o.) liefern die Urenco Anlagen immer zu einem Brennelementehersteller und niemals direkt zu einem Kernkraftwerk. Die vom Fragesteller erwähnte belgische Firma Synatom ist ein Tochterunternehmen des belgischen Energieversorgers Electrabel, welcher die Kernkraftwerke an den Standorten Tihange sowie Doel betreibt. Zum Aufgabenspektrum der Firma Synatom gehört nach deren eigenen Angaben auf der Webseite der Synatom die Ver- und Entsorgung der Kernkraftwerke mit Kernbrennstoffen . Zuständig für die Ausfuhrgenehmigung von Kernbrennstoffen ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Neben dieser Ausfuhrgenehmigung ist eine Beförderungsgenehmigung nach § 4 AtG erforderlich. Bei Kernbrennstoffen ist nach § 23 Abs.1 Nr. 3 AtG für diese Genehmigung das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) zuständig. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11875 3 1. Welche Kenntnisse besitzt die Landesregierung über die Geschäftsbeziehungen zwischen Urenco und Synatom? Das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk ist bzgl. der Tätigkeiten der Urenco Deutschland GmbH in Gronau atomrechtliche Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde . Ihm ist deshalb grundsätzlich bekannt, dass die Firma Synatom Vertragspartner der Urenco Ltd. ist. Darüber hinausgehende Kenntnisse über konkrete Geschäftsbeziehungen liegen der Landesregierung nicht vor. Hinweise auf direkte Lieferungen an Standorte in Belgien liegen nicht vor. 2. Wieviel angereichertes Uran aus Gronau ist bislang in den belgischen Reaktoren zum Einsatz gekommen? Es wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung sowie auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen . 3. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass angereichertes Uran aus NRW in den gefährlichen belgischen Reaktoren zum Einsatz kommt, während die Landesregierung den Betrieb dieser Reaktoren kritisiert? Es wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung sowie auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen . 4. Welche Erkenntnisse besitzt die Landesregierung zum Einsatz von angereichertem Uran aus Gronau in anderen umstrittenen Reaktoren in den Nachbarländern, z. B. in Fessenheim, Cattenom oder in der Schweiz? Es wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. 5. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung gegenüber Urenco und der Bundesregierung ergreifen, um ein Exportstopp von angereichertem Uran aus Gronau für die gefährlichen Reaktoren in den Nachbarländern zu erwirken? Es wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung und den in der Koalitionsvereinbarung niedergelegten Willen zur rechtssicheren Beendigung der Urananreicherung in Gronau verwiesen . Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11875