LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11883 03.05.2016 Datum des Originals: 03.05.2016/Ausgegeben: 09.05.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4631 vom 5. April 2016 der Abgeordneten Yvonne Gebauer FDP Drucksache 16/11635 Warum ist es für Rot-Grün plötzlich unproblematisch, wenn Sozialindexstellen für Schulen in schwierigem Umfeld zur Deckung des Grundbedarfs „zweckentfremdet“ werden? 2010 hat es unmittelbar vor der Landtagswahl eine intensive Diskussion um die Nutzung von Sozialindexstellen gegeben. Hierbei ging es darum, ob diese Stellen, letztlich als Folge der damaligen Wirtschaftskrise, auch für andere Zwecke, also etwa zur Abdeckung von Grundbedarfen an Schulen genutzt bzw. umgeschichtet werden. Die FDP-Fraktion hat bekanntlich, wie es z.B. auch die Schulministerin nach dem Regierungswechsel angesprochen hat, ein solches Vorgehen insbesondere intern deutlich kritisiert. Sozialindexstellen sollen aus FDP-Sicht Schulen in einem schwierigen sozialen Umfeld zusätzlich unterstützen und nicht „klassische“ Grundbedarfe abdecken. Es ist die Aufgabe einer Landesregierung, die Abdeckung der Grundbedarfe von Schulen sicherzustellen. Insbesondere aber die damaligen Oppositionsparteien SPD und Grüne haben eine solche Verwendung von Sozialindexstellen 2010 lautstark kritisiert. So erklärte z.B. die damalige schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Ute Schäfer MdL, in einer Ausschusssitzung (APr 14/1101), es gehe um sozialräumliche Bedingungen, die bestimmte Schulen hätten. Und weiter laut Protokoll: „Die Schulen hätten mehr Stellenbedarfe. Dafür seien die Sozialindexstellen ursprünglich gedacht gewesen. Jetzt werde alles in einen großen Topf geworfen und verteilt .“ Das sei laut Schäfer nicht nachvollziehbar. Der damalige SPD-Abgeordnete Sören Link erklärte darüber hinaus: „Es gehe darum, dass über den Sozialindex einigen Schulstandorten zusätzlich etwas zugewiesen werden sollte, um zusätzlich fördern zu können. Diese Stellen, die angeblich zusätzlich da sein sollten, würden jetzt abgezogen, um Grundbedarfe abzudecken .“ Ebenfalls sehr deutlich äußerte sich die damalige und heutige schulpolitische Sprecherin der Fraktion die Grünen, Sigrid Beer MdL. So kritisierte sie laut Protokoll: „Da werde geschoben, weil die entsprechenden Stellen nicht vorhanden seien. Da heiße es, dass hier wieder in einem hoch sensiblen Bereich, nämlich in den kleinen Einheiten und Systemen, gespart werde.“ Wei- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11883 2 ter erklärte sie laut Ausschussprotokoll: „Hier werde weiter an dem Tischtuch gezerrt, das sowieso schon viel zu kurz sei. Das gehe auf Kosten der Fördermaßnahmen, die an allen Ecken und Enden gekürzt würden.“ Wenn man diese Ausführungen von Vertretern der heute regierungstragenden Fraktionen liest, ist das Vorgehen bei den Sozialindexstellen durch die rot-grüne Landesregierung ausgesprochen befremdlich. So erklärte die Landesregierung im Erläuterungsband zum Haushaltsentwurf 2016 zur „Verteilung der Stellen nach dem Sozialindex an Grund-und Hauptschulen“, dass für das Schuljahr 2015/2016 zu beachten sei, dass in der Grundschule 84 Stellen und in der Hauptschule 33 Stellen nicht auf kreisfreie Städte und Kreise verteilt werden, da die Stellen für die Deckung des Grundbedarfs benötigt würden. Auf schriftliche FDP-Nachfrage im Zuge der Haushaltsberatungen zog sich die Landesregierung auf die Regelung zurück, dass rechtlich die Verwendung der zusätzlichen Stellen nur unter engen Voraussetzungen „zur Sicherung des Grundbedarfs (Erfüllung der Stundentafel) eingesetzt werden“ dürften; diese Regelung sei 2008/2009 erstmals von der damaligen Landesregierung in den sog. Eckdatenerlass aufgenommen worden. Interessanterweise bezieht sich das Ministerium damit auf ein Vorgehen, das offenkundig damals von SPD und Grünen als Oppositionsfraktionen massiv kritisiert worden ist. Weiter erklärte die Landesregierung: „Durch die amtierende Landesregierung wurde von dieser Regelung seit 2012 erstmals und nur vorübergehend auf Grund der erhöhten Zuwanderung Gebrauch gemacht.“ (Vorlage 16/3389) Wenn man den Ausführungen von SPD und Grünen aus dem Jahr 2010 folgt, wäre ein solches Vorgehen des Zugreifens auf Sozialindexstellen zur Sicherung des Grundbedarfs jedoch keinesfalls hinnehmbar. Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 4631 mit Schreiben vom 3. Mai 2016 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie hat sich seit dem Jahr 2010 bis heute die Zahl der Stellen entwickelt, die als sog. Sozialindexstellen zur Verfügung gestellt werden? 2. Warum hat das bekanntlich grün geführte Schulministerium nach eigener Aussage auf Sozialindexstellen zur Sicherung des Grundbedarfs zurückgegriffen, obwohl Vertreter der heute regierungstragenden Fraktionen dies in der Vergangenheit , so lange sie nicht selber regiert haben, kategorisch abgelehnt haben? 3. Teilt die Landesregierung inhaltlich die frühere Bewertung der heutigen bildungspolitischen Sprecherin der Grünen, dass ein solches Vorgehen „auf Kosten der Fördermaßnahmen“ gehe? 4. Inwieweit kann aus Sicht der Landesregierung bei einem solchen Vorgehen inhaltlich davon gesprochen werden, dass es bedeutet, dass „in einem hoch sensiblen Bereich, nämlich in den kleinen Einheiten und Systemen, gespart werde“? 5. Schließt die Landesregierung bis zum Ende der Legislaturperiode aus, dass weitere Sozialindexstellen für die Sicherung von Grundbedarfen von Rot-Grün „zweckentfremdet“ werden (müssen)? Der Kreissozialindex findet bei der Zuweisung des auf die Grundschulen (im Schuljahr 2015/16 1.000 Stellen) sowie Hauptschulen (im Schuljahr 2015/16 390 Stellen) entfallenden Anteils an LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11883 3 den 4.000 Stellen gegen Unterrichtsausfall, für Vertretungsaufgaben und besondere Förderaufgaben (UA-Stellen) Anwendung. Die Entwicklung der Stellen seit dem Schuljahr 2011/12 kann dem Erläuterungsband zum Haushaltsentwurf 2016 (Vorlage 16/3183) entnommen werden . Im Schuljahr 2010/11 standen den Grundschulen 1.000 und den Hauptschulen 620 UA- Stellen zur Verfügung. Die Entwicklung der Anzahl der UA-Stellen bei der Hauptschule spiegelt den überproportionalen Rückgang der Schülerzahlen wider. Das Ergebnis der für das Schuljahr 2015/16 vorgenommenen Aktualisierung der Schülerzahlprognose Anfang 2015 war, dass die Schülerzahl gegenüber der im Haushalt 2015 zugrunde gelegten Zahl voraussichtlich insgesamt um 17.403 höher liegen würde. Ursächlich hierfür war die gegenüber den vorherigen Annahmen deutlich höhere Zuwanderung. Insgesamt war aber davon auszugehen, dass die im Haushalt 2015 ausgebrachte Stellenzahl ausreicht, um den voraussichtlichen Grundstellenbedarf in den allgemein bildenden und beruflichen Schulen abzudecken. Allerdings musste zunächst ein Teil des Grundstellenbedarfs (zu Beginn des Schuljahres 2015/16 noch 339 Stellen, darunter 84 aus der Grundschule und 33 aus der Hauptschule) durch einen haushaltsrechtlich zulässigen vorübergehenden Rückgriff auf die UA-Stellen gedeckt werden. Mit der Verabschiedung des 3. Nachtragshaushaltsgesetzes 2015 – also kurz nach Schuljahresbeginn – wurde diese Lücke geschlossen, so dass die UA-Stellen den Schulen wieder für ihre ursprünglichen Zwecke zur Verfügung standen. Da die zukünftige Entwicklung der Schülerzahlen und vor allem die genaue Entwicklung der Zuwanderung von vielen Faktoren abhängt, kann vor dem Hintergrund der Sicherstellung der Unterrichtsversorgung nicht völlig ausgeschlossen werden, dass zu einem späteren Zeitpunkt ein erneuter vorübergehender Rückgriff auf die UA-Stellen nötig werden könnte. Hieraus aber den Schluss zu ziehen, dass „Stellen zweckentfremdet“ oder auf Kosten „kleiner Einheiten und Systeme gespart“ werde, ist aus Sicht der Landesregierung nicht nachvollziehbar. Zudem hat die Landesregierung in der Vergangenheit alles unternommen, damit die UA-Stellen auch entsprechend ihrer Zweckbindung genutzt werden können. So wird auch in Zukunft verfahren. Die Bewertung von Aussagen von Abgeordneten insbesondere aus einer vergangenen Legislaturperiode gehört nicht zum Gegenstand der Beantwortung Kleiner Anfragen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11883