LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11917 04.05.2016 Datum des Originals: 04.05.2016/Ausgegeben: 10.05.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4628 vom 5. April 2016 des Abgeordneten Henning Höne FDP Drucksache 16/11630 Werden die Verwertungsquoten bei Verpackungsabfällen in NRW eingehalten? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen sprechen sich mit ihrem Antrag „Integriertes Wertstoffgesetz praxistauglich und ökologisch gestalten“ (DS 16/10418) für die Abschaffung des Dualen Systems aus. Die Dualen Systeme seien nicht reparaturfähig, da sie unter Beweis gestellt hätten, dass eine stoffliche Verwertung von Verpackungsmaterialen de facto nicht stattfinde. Verpackungsmaterialen würden immer noch zu über 90 Prozent thermisch behandelt. Mischkunststoffe seien meist nicht recyclingfähig, da sie aufgrund von unbekannten Mischungsverhältnissen und organischen Verunreinigungen nicht stofflich verwertet werden könnten. Ähnlich äußerte sich in der Plenardebatte am 17.12.2015 zum o.g. Antrag der umweltpolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion: „Das Festhalten am dualen System bzw. sogar dessen Stärkung macht eine zukunftsfähige und damit nachhaltige Wertstoffbehandlung unmöglich. Dieses System ist nicht reparaturfähig. Eine stoffliche Verwertung von Verpackungsmaterialien in Verantwortung der Systembetreiber findet de facto nicht statt. Noch immer werden über 90 % der Verpackungsmaterialien thermisch behandelt.“ (Pl.Pr. 16/101). Ähnliche Äußerungen erfolgten von Vertretern der regierungstragenden Fraktionen in den Ausschussberatungen des Antrags. Die Verwertung von Verpackungen durch die Dualen Systeme ist nach Maßgabe der Verpackungsverordnung (VerpackV) reglementiert. Danach sind Verpackungsabfälle in erster Linie zu vermeiden; im Übrigen wird der Wiederverwendung von Verpackungen, der stofflichen Verwertung sowie den anderen Formen der Verwertung Vorrang vor der Beseitigung von Verpackungsabfällen eingeräumt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11917 2 Als verbindliche Vorgaben sieht die VerpackV vor, dass – abhängig vom Verpackungsmaterial – im Jahresmittel jeweils eine Mindestmenge an Verpackungen in Masseprozent einer stofflichen Verwertung zugeführt werden müssen. Dies sind bei Glas 75 Prozent; Weißblech 70 Prozent; Aluminium 60 Prozent; Papier, Pappe, Karton 70 Prozent; Verbunde 60 Prozent. Abweichend hiervon gelten für Kunststoffverpackungen allerdings geringere gesetzliche Anforderungen. Sie sind zu mindestens 60 Prozent einer Verwertung zuzuführen, wobei wiederum lediglich 60 Prozent dieser Verwertungsquote durch Verfahren sicherzustellen sind, bei denen stoffgleiches Neumaterial ersetzt wird oder der Kunststoff für eine weitere stoffliche Nutzung verfügbar bleibt (werkstoffliche Verfahren). Zuständig für die Überwachung der Einhaltung der Verwertungsquoten durch Überprüfung der Mengenstromnachweise in NRW ist das LANUV. Werden die verbindlichen Vorgaben zur Verpackungsverwertung nicht eingehalten, kann die zuständige Behörde die Zulassung eines Dualen Systems ganz oder teilweise widerrufen. Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4628 mit Schreiben vom 4. Mai 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Um ihre Beteiligung an einem (oder mehreren) dualen System(en) zu dokumentieren, müssen Hersteller und Vertreiber ihre Verkaufsverpackungen nach § 6 VerpackV bei diesen lizenzieren. Für die bei ihnen lizenzierten Verkaufsverpackungen haben die dualen Systeme nachzuweisen, dass sie bestimmte, in Anhang 1 Nr. 1 VerpackV genannte Verwertungsquoten erreichen. Hierfür sind in den Mengenstromnachweisen für jedes Material die einer Verwertung zugeführten Mengen anzugeben. Die entsprechenden, von Gutachtern überprüften Daten ergeben sich für jedes System und aufgeschlüsselt nach Einzelfraktionen aus den Mengenstromnachweisen der einzelnen Systeme. Bemessungsgrundlage für die Quotenerfüllung ist gem. Anhang I Nr. 1 Abs. 1 zu § 6 VerpackV die vom Systembetreiber nachgewiesene Menge an Verpackungen, die in sein System eingebracht wurde. Dem Wortlaut der VerpackV entsprechend bezieht sich die Einhaltung der Verwertungsquoten insoweit auf die konkret in das duale System eingebrachte Verpackungsmenge und nicht auf die insgesamt erfassten Leichtverpackungen. Die in der VerpackV normierten Verwertungsquoten beziehen sich insoweit nicht auf die tatsächliche Erfassungsmenge, die die bei den dualen Systemen lizenzierten Leichtverpackungen um nahezu das Doppelte übersteigt. Dies liegt zum einen daran, dass das Problem des sog. Trittbrettfahrens noch immer nicht zufriedenstellend gelöst ist und daher noch immer nicht lizenzierte Verpackungen in den Verkehr gebracht werden. Ein weiterer Grund sind die seit dem Inkrafttreten der fünften Novelle zur VerpackV genutzten Branchenlösungen und die bis zum Inkrafttreten der siebten Novelle für die sog. Eigenrücknahme am Verkaufsort („point of sale“) vorgenommenen Abzüge von der lizenzierten Menge. Darüber hinaus befinden sich in den Erfassungsbehältnissen auch Fehlwürfe in Form von Restmüll und stoffgleichen Nichtverpackungen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11917 3 1. Teilt die Landesregierung die Aussage, dass die Verwertungsquoten durch die Dualen Systeme nicht eingehalten würden? Die von der Verpackungsverordnung vorgegebenen Verwertungsquoten sind in den vergangenen Jahren von den dualen Systemen zwar erfüllt worden, die tatsächlich erreichte Verwertungsquote ist jedoch bezogen auf die stoffliche Verwertung sehr niedrig. Betrachtet man das Verhältnis der einer stofflichen Verwertung zugeführten Menge an Verkaufsverpackungen zu den erfassten Leichtverpackungen werden nach Auskunft des LANUV bis zu 79 % der in der gelben Tonne bzw. dem gelben Sack erfassten Abfälle nicht stofflich verwertet. 2. In welchem Umfang wurden die in NRW zugelassenen Dualen Systeme, insbesondere durch das LANUV, in den letzten fünf Jahren kontrolliert? Die zugelassenen dualen Systeme hat das LANUV in den vergangenen fünf Jahren wie folgt überprüft: Fortlaufende Überwachung der Einhaltung der Pflicht zur flächendeckenden Erfassung. Überprüfung des Abzugs der von Letztvertreibern am „point of sale“ zurückgenommenen Verpackungsmengen. Prüfung der Plausibilität der Mengenstromnachweise durch Abgleich der Daten zu den insgesamt in Verkehr gebrachten Verkaufsverpackungen aus den Mengenstromnachweisen mit den unternehmensbezogenen Mengenangaben der Systembetreiber in dem Vollständigkeitsregister des DIHK und von den Wirtschaftsprüfern testierten Ist-Mengen-Meldungen an die Gemeinsame Stelle sowie den korrespondierenden Meldungen der Systembetreiber zu dem Register der Vollständigkeitserklärungen. Abgleich der Verwertungsmengen mit den in den Mengenstromnachweisen angegebenen Verwertungsquoten. Prüfung der in andere Erfassungssysteme, insbesondere Branchenlösungen eingebrachten Verpackungsmengen. Prüfung der Nachweise der Anlageneignung für Kunststoffverpackungen, Kunststoffverbunde, Flüssigkeitskartons und Papierverbunde. 3. Inwiefern sind der Landesregierung in den letzten fünf Jahren Verstöße gegen die Erfüllung der Verwertungsquoten gem. Anhang I zu § 6 VerpackV bei Kontrollen aufgefallen? 4. Falls es Verstöße gab: Wie hat die Landesregierung auf diese Verstöße reagiert (z.B. Verwarnung, Ordnungsgelder, Entzug der Zulassung, etc.)? Die Fragen 3 und 4 werden zusammen beantwortet: Gegen die Erfüllung der in der VerpackV normierten Verwertungsquoten sind keine Verstöße der dualen Systeme festgestellt worden. Mit der siebten Novelle der Verpackungsverordnung im Juli 2014 war beabsichtigt, die Möglichkeiten des Missbrauchs und der Umgehung im Zusammenhang mit der Lizenzierung von Verkaufsverpackungen zu beenden. Es ging um die Regelungen zu den sogenannten Branchenlösungen und Eigenrücknahmen, die im Rahmen der fünften Novelle lediglich als eng begrenzte Ausnahmen für einige wenige etablierte und funktionierende Systeme LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11917 4 konzipiert worden waren, in der Praxis aber zu einer Umgehung der Lizenzierungspflicht missbraucht worden sind. Die Systembetreiber beklagten seinerzeit eine Finanzierungslücke von über 100 Millionen Euro für das Jahr 2014. Mit der siebten Novelle konnten allerdings zunächst nur die schwerwiegendsten Probleme der Verpackungsverordnung behoben werden. Unbestreitbar stand schon damals fest, dass die Verpackungsverordnung noch zahlreiche weitere Mängel aufweist. So wurde schon vor zwei Jahren deutlich, dass die Verwertungsquoten der Verordnung nicht mehr zeitgemäß sind und dringend angepasst werden müssen, eine Aufarbeitung dieses und weiterer Probleme jedoch nur durch ein Wertstoffgesetz erfolgen kann, da hierzu der Rahmen einer Rechtsverordnung nicht ausreicht. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11917