LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11925 09.05.2016 Datum des Originals: 09.05.2016/Ausgegeben: 12.05.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4663 vom 6. April 2016 der Abgeordneten Birgit Rydlewski PIRATEN Drucksache 16/11684 Pfeffersprayeinsatz im Rahmen der „Noduigida“-Demonstration am 04.04.2016 Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Rahmen der „Noduigida“-Demonstration am 04.04.2016 kam es zu einem Polizeieinsatz vor und in der Shisha-Lounge in der Mercatorstraße in Duisburg, bei dem von Seiten der beteiligten Beamt*innen auch Pfefferspray eingesetzt wurde. Nach diesem Pfeffersprayeinsatz zogen sich Gegendemonstrant*innen verletzt in die Bar zurück. Daraufhin sollen Polizeieinheiten Pfefferspray in die Shisha-Lounge gesprüht haben, wodurch eine Kellnerin verletzt wurde und eine Panikattacke erlitt. Während die Kellnerin daraufhin noch die Shisha-Lounge verlassen durfte, soll danach seitens der Polizei die Eingangstür geschlossen und eine Öffnung verhindert worden sein, so dass niemand mehr die mit pfeffersprayhaltiger Luft gefüllte Shisha-Bar verlassen konnte. Dadurch erlitt mindestens eine der eingeschlossenen Personen erhebliche Kreislaufprobleme; außerdem gab es in der Shisha-Lounge mehrere Verletzte durch den vorherigen Pfeffersprayeinsatz bei der (Gegen-)Demonstration, bei denen ihnen Pfefferspray aus nächster Nähe in die Augen gesprüht worden war. Alle diese Personen hätten einen Rettungsdienst benötigt und haben auch mehrfach um diesen gebeten – dieser kam allerdings erst nach ca. 45 Minuten. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4663 mit Schreiben vom 9. Mai 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Am 04.04.2016, im Zeitraum 19:16 bis 20:55 Uhr, wurde die angemeldete Versammlung zum Thema „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes!“ unter Beteiligung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11925 2 von ca. 250 Personen in der Duisburger Innenstadt in Form eines Aufzuges mit Auftakt- und Abschlusskundgebung durchgeführt. Gegen 20:20 Uhr versuchten ca. 30 Angehörige des linken Spektrums, die sich zuvor in einer am Aufzugsweg gelegenen Shisha-Bar befanden, eine polizeiliche Absperrung gewaltsam zu durchbrechen und auf die Aufzugsstrecke der PEGIDA-Demonstration zu gelangen. Die Personengruppe wurde unter Einsatz des Mehrzweckstockes (defensiv) und des Reizstoffsprühgerätes abgedrängt. Die Personen flüchteten in die nahe Shisha-Bar. Die Eingangstür wurde zunächst durch Einsatzkräfte gesichert, um das unkontrollierte Entfernen von Personen sowie weitere Durchbruchversuche zu verhindern. Nach Passieren des Aufzuges wurden Identitätsfeststellungen bei 31 Personen in der Bar durchgeführt. Neun der Personen wurden als Beschuldigte dem Polizeipräsidium Duisburg zur Durchführung von Folgemaßnahmen zugeführt. Ein anlassbezogenes Ermittlungsverfahren wurde gegen die Beschuldigten eingeleitet. Nach derzeitigem Kenntnisstand wurden vier Personen durch den Pfeffersprayeinsatz verletzt. 1. Welche Polizeieinheiten waren am „Noduigida“-Einsatz am 04.04.2016 an der Mercatorstraße und der dort befindlichen Shisha-Lounge beteiligt? Im Rahmen der Einsatzsituation an der Shisha-Bar kamen Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizeihundertschaft des Polizeipräsidiums Duisburg zum Einsatz. 2. Welche grundsätzlichen Vorgaben gibt es für den Einsatz von Pfefferspray in Nordrhein-Westfalen? Die rechtlichen Voraussetzungen des Einsatzes von Reizstoffsprühgeräten durch Polizeibeamte ergeben sich aus dem Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen (PolG NRW). Für die Zulässigkeit des Verwaltungszwanges gelten die §§ 50 ff PolG NRW. Reizstoffe werden nach § 58 PolG NRW als zulässige Hilfsmittel der körperlichen Gewalt aufgeführt. Gemäß der Verwaltungsvorschrift zum PolG NRW (Nr. 58.36) dürfen Reiz- und Betäubungsstoffe nur gebraucht werden, wenn der Einsatz körperlicher Gewalt oder anderer Hilfsmittel keinen Erfolg verspricht und wenn durch den Einsatz dieser Stoffe die Anwendung von Waffen vermieden werden kann. Der Einsatz von Pfefferspray unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 2 PolG NRW). Hinsichtlich der Vorbereitung auf einen Einsatz mit Pfefferspray als polizeilichem Einsatzmittel sind die „Handhabungshinweise für Reizstoff-Sprühgeräte (RSG) mit Pfefferspray (OC bzw. PAVA) der Polizeien der Länder und des Bundes (Stand: September 2008)“ von Bedeutung. Danach soll der Einsatz von Pfefferspray der Polizei ermöglichen, Personen aus der Distanz gezielt und schnell in einen angriffsunfähigen Zustand zu versetzen und einen taktischen Vorteil in der Eigensicherung für einen weiteren Umgang zu erhalten. Darüber hinaus normiert die Vorschrift unter anderem, dass der Einsatz - abhängig vom Gerätetyp - unter 1 m bzw. 2 m grundsätzlich unzulässig ist. Eine Ausnahme bilden z. B. Notwehrsituationen. Grundsätzlich unzulässig ist der Einsatz auch bei erkennbar Schwangeren und gegenüber Kindern. Des Weiteren enthält die Vorschrift u. a. Hinweise zur praktischen Handhabung der Einsatzmittel. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11925 3 3. Wie beurteilt die Landesregierung den Einsatz von Pfefferspray aus nächster Nähe? Hierzu verweise ich auf die in der Antwort zu Frage 2 aufgeführten „Handhabungshinweise für Reizstoff-Sprühgeräte (RSG) mit Pfefferspray (OC bzw. PAVA) der Polizeien der Länder und des Bundes (Stand: September 2008)“. Es liegen derzeit keine Hinweise darauf vor, dass die eingesetzten Kräfte diese Vorgaben nicht eingehalten haben. 4. Wie beurteilt die Landesregierung den Einsatz von Pfefferspray in geschlossenen Räumen? Grundsätzlich ist der Einsatz im geschlossenen Raum unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtlich nicht ausgeschlossen. Nach derzeitigem Erkenntnisstand erfolgte durch die Einsatzkräfte kein Einsatz von Pfefferspray in der Shisha- Bar. 5. Wie bewertet die Landesregierung das Unterlassen von angeforderter Hilfeleistung durch verletzte Demonstrant*innen seitens der Polizei? Wie oben dargestellt, wurden nach derzeitigem Sachstand vier Personen durch den Pfeffersprayeinsatz verletzt. Durch die Einsatzkräfte wurden um 20:36 Uhr und 21:09 Uhr Rettungswagen angefordert. Eine Person lehnte eine medizinische Betreuung ab. Hinweise auf ein Unterlassen angeforderter Hilfeleistung liegen mir nicht vor. Darüber hinaus wurde keine dementsprechende Strafanzeige gegen die Einsatzkräfte erstattet. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11925