LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11926 09.05.2016 Datum des Originals: 09.05.2016/Ausgegeben: 12.05.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4644 vom 5. April 2016 des Abgeordneten Gregor Golland CDU Drucksache 16/11651 Verfolgungsfahrt ohne direkte Konsequenzen für den Täter Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Ein 24-jähriger Mazda-Fahrer aus Litauen hat sich am 31. März 2016 mit der Herforder Polizei eine Verfolgungsjagd geliefert, bei der zwei Polizisten verletzt wurden. Wie die „Neue Westfälische“ online berichtet (1. April 2016), beobachteten Bezirksbeamte, wie der Mann ein parkendes Auto rammte und flüchtete. Die Polizei nahm die Verfolgung auf, die in hohem Tempo über die A2 führte. Mehrere Streifenwagen waren im Einsatz, einen davon rammte der Täter. Sowohl an diesem als auch am Fluchtfahrzeug entstand Totalschaden. Die beiden Insassen des Streifenwagens wurden verletzt und mussten im Krankenhaus behandelt werden. Der Täter wurde vorläufig festgenommen. Gegen den Mann wird wegen Fahrens ohne Papiere und Versicherung, Unfallflucht, fahrlässiger Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ermittelt. Zudem stand er offenbar unter Drogen, und in seinem Fahrzeug wurden Gegenstände gefunden, die im Zusammenhang mit Einbrüchen stehen könnten. Trotz dieser zahlreichen Straftaten, die teils als Verbrechenstatbestand gewertet werden können, wurde der Litauer nach der Vernehmung entlassen, weil er einen festen Wohnsitz in Recklinghausen hat. Es ist nicht der erste Fall dieser Art in Herford und Umgebung: Auch nach anderen Verfolgungsfahrten, bei denen Polizeibeamte in Gefahr gerieten, kamen die Täter schnell wieder auf freien Fuß. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11926 2 Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4644 mit Schreiben vom 9. Mai 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet. 1. Wie genau lief die Verfolgungsjagd in/bei Herford am 31. März 2016 ab? (Bitte Hergang exakt wiedergeben.) Am Mittwoch, den 30.03.2016 gegen 21:55 Uhr, wurden zwei Polizeivollzugsbeamte (PVB) der Kreispolizeibehörde (KPB) Herford Zeugen einer Verkehrsunfallflucht. Die PVB nahmen daraufhin unmittelbar die Verfolgung des mit einem PKW flüchtenden Verkehrsteilnehmers auf. Nach einem Zusammenstoß mit einem Funkstreifenwagen wurde der Beschuldigte nach Verlassen seines Fahrzeuges durch die Beamten vorläufig festgenommen. Da die konkreten Einzelheiten des Sachverhaltes Gegenstand der Ermittlungen sind, kann an dieser Stelle auf weitere Details nicht eingegangen werden. 2. Sollte ein Straftäter, der derart viele Delikte zur gleichen Zeit begeht, inklusive Körperverletzung an Polizeibeamten, direkt wieder auf freien Fuß gesetzt werden? Ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Beantragung eines Untersuchungshaftbefehls vorliegen, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Der Umstand, dass ein Beschuldigter der Begehung mehrerer Straftaten dringend verdächtig ist, führt nicht notwendigerweise zur Bejahung eines Haftgrundes. Zwar wird die Verwirklichung mehrerer Straftatbestände im Rahmen einer späteren Verurteilung regelmäßig strafschärfend zu berücksichtigen sein. Die in solchen Fällen bestehende höhere Straferwartung begründet jedoch für sich allein noch keine Fluchtgefahr im Sinne von § 112 Absatz 2 Nummer 2 der Strafprozessordnung (StPO). Eine solche besteht nur, wenn die Würdigung der Umstände des Falles es wahrscheinlicher macht, dass sich der Beschuldigte dem Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm zur Verfügung halten werde. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht zur Frage der Untersuchungshaft nach § 112 StPO wiederholt ausgesprochen, dass ange-sichts der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit ein Eingriff nur hingenommen werden könne, wenn und soweit der legitime Anspruch der staatlichen Gemeinschaft auf vollständige Aufklärung der Tat und auf rasche Bestrafung des Täters nicht anders gesichert werden könne als dadurch, dass der Verdächtige in Haft genommen wird. Das Gericht müsse daher stets im Auge behalten, dass es der vornehmliche Zweck und der eigentliche Rechtfertigungsgrund der Untersuchungshaft sei, die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und die spätere Strafvollstreckung sicherzustellen; sei sie zu einem dieser Zwecke nicht nötig, so sei es unverhältnismäßig und daher grundsätzlich unzulässig, Untersuchungshaft anzuordnen. 3. Welche Konsequenzen erwarten den Täter? (Bitte auch aktuellen Stand der Ermittlungen angeben.) Gegen den Beschuldigten ist ein Ermittlungsverfahren anhängig. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Eine Prognose zu den zu erwartenden Konsequenzen für den Beschuldigten verbietet sich bereits mit Blick auf die in Artikel 97 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11926 3 4. Wie viele Verfolgungsjagden hat es im vergangenen Jahr bei der Polizei in NRW gegeben? (Bitte Datum, Vorfall, Anzahl der eingesetzten Streifenwagen, Folgen für den Flüchtigen mitteilen.) Im Jahr 2015 wurden 521 polizeiliche Einsätze mit Verfolgungsfahrten dokumentiert. Dabei waren insgesamt 2226 Funkstreifenwagen beteiligt. Die Beantwortung der im Klammervermerk geforderten Angaben zu Datum, Vorfall und Folgen für den Flüchtigen würde bei der hier vorliegenden Anzahl von Verfolgungsfahrten zu einem Arbeitsaufwand führen, der in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht bewältigt werden kann. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11926