LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11933 09.05.2016 Datum des Originals: 09.05.2016/Ausgegeben: 12.05.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4630 vom 5. April 2016 der Abgeordneten Yvonne Gebauer und Dirk Wedel FDP Drucksache 16/11634 Seit wann entscheiden Vertreter der Bezirksregierungen nach persönlicher Meinung, welche Schulformen für Eltern erwünscht sind? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In der Rheinischen Post erschien am 16.03.2016 ein Artikel „Eltern stellen kritische Fragen zum Thema Gesamtschule“ zur zukünftigen Schulentwicklung in Haan (http://www.rponline .de/nrw/staedte/haan/eltern-stellen-kritische-fragen-zum-thema-gesamtschule-aid- 1.5839761). Hierbei geht es um die Frage, ob zum Schuljahr 2017/2018 Haupt- und Realschule auslaufe und dafür eine Gesamtschule in das Schulzentrum an der Walder Straße einziehen solle. Der Artikel schildert, dass ein Schulentwicklungsplaner erläuterte, dass für die Hauptschule eine schwierige Situation bestehe. Die Schülerzahlen seien für die kommenden Jahre generell stabil und von den rund 240 Viertklässlern, die die Grundschule verlassen, würden je ein Drittel auf die Realschule, das Gymnasium und auf Schulen der umliegenden Städte wechseln. Während laut Artikel einerseits der Gesamtschuldezernent „die Werbetrommel“ für die Gesamtschule rührte, betonte demnach andererseits der Vertreter des Schuldezernats Realschule u.a., dass die Emil-Barth-Realschule jedes Jahr mehr als zufriedenstellende Anmeldezahlen habe. Allerdings findet sich in dem Artikel eine schier unglaubliche Passage. Dort heißt es, Zitat: „Der Vertreter (Name von den Verfassern ersetzt) von der Bezirksregierung und zuständig für die Hauptschulen sprach klare Worte. `Ich werde keine Werbung für Hauptschulen machen. Niemand entscheidet sich freiwillig. Das sind Schüler, die an anderen Schulen keine Plätze bekommen. Die Hauptschulen müssen dringend geschlossen werden. Ich befürworte ein zweigliedriges Schulsystem´.“ Passenderweise heißt es in dem Artikel weiter, dass damit auch die Realschule auslaufen müsste. Aus vielen Kommunen erreichen uns immer wieder Rückmeldungen, dass Vertreter der dem Schulministerium nachgeordneten Behörden weniger eine tatsächliche neutrale Beratungsaufgabe für Eltern und Kommunalpolitik wahrnehmen, sondern gezielt – gegen von Rot-Grün nicht gewollte – Schulformen agitieren, auch wenn die Landesregierung dies LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11933 2 vermutlich bestreiten wird. Diese Hinweise sind umso bemerkenswerter, als es immer wieder Rückmeldungen zu „Maulkörben“ gibt, wenn Lehrkräfte oder Schulleitungen – pädagogisch motivierte – Kritik an bestehenden Problemlagen in der Schulpolitik oder an Schulen selber äußern, was die Landesregierung vermutlich ebenfalls bestreiten wird. Dieses Zitat ist aber auch unter Beachtung der schulgesetzlichen Vorgaben inakzeptabel. Es ist daher dringend notwendig zu erfahren, welche Folgen dieses Verhalten des Dezernenten bei einer „Beratung von Eltern“ aus Sicht der Schulministerin haben wird. Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 4630 mit Schreiben vom 9. Mai 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. 1. Ist es zutreffend, dass die von dem zitierten Dezernenten genannte Darstellung bezüglich der Schulformen/Schulstruktur nicht auf der gegenwärtig bestehenden Schulgesetzeslage fußt? Die Ausführungen des Hauptschuldezernenten bezogen sich auf die konkrete Entwicklung der Anmeldezahlen an der Hauptschule in der Stadt Haan. Der auf der Informationsveranstaltung der Stadt Haan anwesende Gutachter kam in seinem Vortrag unter Hinweis auf die Entwicklung der Schülerzahlen in Haan zu folgendem Ergebnis: „Wir können die Hauptschule definitiv nicht mehr halten“. Sowohl im Schulausschuss als auch im Rat der Stadt Haan wurde nach Auskunft der zuständigen Schulaufsichtsbehörde der akute Handlungsbedarf hinsichtlich der Hauptschule in Haan schon mehrfach thematisiert. Die Informationsveranstaltung habe unter anderem der Einbeziehung der Elternschaft in dieses Thema gedient. Im Anschluss an den Vortrag des Gutachters sollte als erstes der anwesende Hauptschuldezernent ein Statement zu dem Vortrag des Gutachters abgeben. Der Dezernent griff bei seiner Stellungnahme die Angaben des Gutachters auf. Die Anmeldezahlen sind rückläufig, aktuell sind 35 Kinder an der Hauptschule Haan angemeldet. § 82 Abs. 3 SchulG sieht vor, dass Hauptschulen in der Regel zweizügig zu führen sind. Dies ist nach den Prognosen der Schulentwicklungsplanung in Haan nicht zu erwarten. Der Dezernent nahm in seiner Stellungnahme Bezug auf die rückläufige Entwicklung der Anmeldezahlen für den Hauptschulbereich in Haan und teilte mit, dass er sich vor diesem Hintergrund nicht für eine Fortführung der Hauptschule in der Stadt Haan aussprechen könne und dort zu einem zweigliedrigen Schulsystem rate. 2. Teilt die Landesregierung die hier von dem zitierten Dezernenten der Bezirksregierung gegenüber Eltern in der Versammlung aufgestellte Behauptung, dass kein Elternteil sich freiwillig für die Hauptschule entscheide und es sich demnach ausnahmslos um Schüler handele, die an anderen Schulen keine Plätze bekommen (hätten)? Die Anmeldezahlen in der Stadt Haan zeigen, dass dort Eltern von Kindern mit Hauptschulempfehlung diese überwiegend an Gesamtschulen und Sekundarschulen anmelden. Die Anmeldezahlen an der Hauptschule Haan sind daher stark rückläufig. Die Mehrzahl der an der Hauptschule in Haan angemeldeten Kinder wurde an ihren Wunschschulen (Gesamtschule und Sekundarschule) nicht angenommen. Die Darstellung des Dezernenten entspricht damit dem Sachverhalt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11933 3 3. Ist es unter einer rot-grünen Landesregierung Aufgabe von der dem Schulministerium nachgeordneten Vertretern der Bezirksregierungen, bei Informationsabenden Eltern persönliche politische Überzeugungen als „Beratung zuteilwerden zu lassen“? 4. Ist aus Sicht der Landesregierung das genannte Vorgehen des genannten Vertreters mit dem zugrundeliegenden Aufgabenprofil als landesbediensteter Vertreter der Bezirksregierung vereinbar (wenn ja, bitte erläutern, warum)? 5. Wenn Frage 4 verneint wird, welche Folgen wird dieses Verhalten für den zitierten Vertreter der Bezirksregierung haben? Die Fragen 3 bis 5 werden zusammengefasst wie folgt beantwortet: Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz gilt auch für Beamtinnen und Beamte. Bei der Ausübung dieses Grundrechts sind sie lediglich den Beschränkungen unterworfen, die in dem Wesen des Beamtenverhältnisses als öffentliches Dienst- und Treueverhältnis (Artikel 33 Absatz 4 Grundgesetz) begründet liegen. Das Verhalten der Beamtinnen und Beamten muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert (§ 34 Beamtenstatusgesetz). Bei politischer Betätigung haben sie die unter Berücksichtigung ihres Amtes und ihrer dienstlichen Stellung gebotene Mäßigung und Zurückhaltung zu üben (§ 33 Beamtenstatusgesetz). Darüber hinaus sind sie zur Verschwiegenheit in dienstlichen Angelegenheiten verpflichtet (§ 37 Beamtenstatusgesetz). Verstöße gegen die beamtenrechtlichen Pflichten können disziplinarrechtlich oder auch strafrechtlich geahndet werden. Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass in dem der Kleinen Anfrage zugrundeliegenden Einzelfall der Beamte bei der Teilnahme an der Informationsveranstaltung Dienstpflichten verletzt haben könnte. Wie bereits dargestellt, bezogen sich die Äußerungen des eingeladenen schulfachlichen Dezernenten der Bezirksregierung zum zweigliedrigen Schulsystem ausschließlich auf die konkrete Situation in der Stadt Haan, nachdem der anwesende Gutachter der Stadt unter Hinweis auf die Entwicklung der Schülerzahlen zu dem Ergebnis kam: „Wir können die Hauptschule definitiv nicht mehr halten“. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11933