LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11959 09.05.2016 Datum des Originals: 09.05.2016/Ausgegeben: 12.05.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4637 vom 5. April 2016 der Abgeordneten Ina Scharrenbach CDU Drucksache 16/11644 Katastrophenschutz in Nordrhein-Westfalen: Warnung der Bevölkerung im Katastrophenfall sichergestellt? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 30. April 2014 verlautbarte das Ministerium für Inneres und Kommunales eine Pressemitteilung unter dem Titel „NRW unterstützt Kommunen mit zehn Millionen Euro für Warnung der Bevölkerung im Katastrophenfall – Innenminister Jäger: Im Ernstfall noch schneller reagieren“. Ausweislich der Pressemitteilung wollte das Land allen Leitstellen der Kreise und kreisfreien Städte das gemeinsam von Bund und Ländern entwickelte „modulare Warnsystem“ (MoWaS) zur Verfügung stellen. Mit dem neuen System werden nach dem Endausbau (2015) sowohl landesweite als auch regional begrenzte Warnungen möglich sein. Darüber hinaus ist das Land Nordrhein-Westfalen dazu übergegangen, den (Wieder-)Aufbau eines Sirenensystems zu unterstützen, um die Bürgerinnen und Bürger im Gefahrengebiet mit einer Warnung zu erreichen. Allerdings: Den Ruf einer Warnsirene kennen die Bürgerinnen und Bürger kaum noch, die Feuerwehrsirenen hingegen schon. Auch der Kommunikation innerhalb und zwischen den beteiligten Institutionen und im Katastrophenschutzfall zu beteiligenden Organisationen kommt inzwischen eine hohe Bedeutung zu. Zum jetzigen Zeitpunkt sind immer noch nicht alle Leitstellen der Feuerwehren an den Digitalfunk angeschlossen. Anerkannte Hilfsorganisationen, die beteiligte Partner im Katastrophenfall sind, verfügen derzeit noch über keinen flächendeckenden Zugangsweg zum Digitalfunk. Angesichts jüngster Ereignisse ist ferner bekannt, dass das Mobilfunknetz an seine Grenzen stoßen kann: Mit fatalen Folgen für die gegenseitige Information und Einsatzfähigkeit. Das Land Nordrhein-Westfalen muss im Katastrophenfall über ein funktionsfähiges Funknetz verfügen können, über das Einheiten und Einrichtungen kommunizieren können. Gleichsam muss es für den Fall gewappnet sein, dass das „modulare Warnsystem“ im Zusammenhang mit einem Ausfall oder einer Schädigung kritischer Infrastruktur als Warninstrument nicht zur LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11959 2 Verfügung steht. Zwar konnte im Gesetzgebungsverfahren zur Neuregelung des Brandschutzes, der Hilfeleistung und des Katastrophenschutzes über die Aufnahme eines entsprechenden Sicherstellungsauftrages keine parlamentarische Mehrheit erzielt werden, aber deshalb bleibt es nichtsdestotrotz bei der Erforderlichkeit einer Rückfallebene „Kommunikation“ Im Katastrophenfall. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4637 mit Schreiben vom 9. Mai 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Nutzung von Sirenen ist eine wichtige aber nicht die einzige Möglichkeit zur Warnung der Bevölkerung. Die Landesregierung hat daher mit der in der Vorbemerkung genannten zweckgebundenen Zuwendung in Höhe von 10 Mio. € nicht allein den (Wieder-) Aufbau eines Sirenensystems unterstützt. Vielmehr konnten die Mittel für alle Maßnahmen im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung der Warnung der Bevölkerung genutzt werden. Mit Erlass vom 13.6.2013 hat die Landesregierung nicht nur kommunale Warnkonzepte abgefragt, sondern auch die Sirenensignale für das Land einheitlich festgelegt. Die Kommunen, die Sirenen nicht nur zur Alarmierung der Einsatzkräfte, sondern auch zur Warnung der Bevölkerung einsetzen, weisen ihre Einwohner regelmäßig im Rahmen von Probealarmen auf die Bedeutung dieser Signale hin. Die Landesregierung hat bereits im Jahr 2009 in Form der „Arbeitsgruppe Digitalfunk der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr (ARDINI)“ eine Struktur geschaffen, in der die kommunalen Aufgabenträger und die anerkannten Hilfsorganisationen ihre Interessen bei Aufbau und Betrieb des Digitalfunknetzes einbringen können. Im Rahmen dieser und der übrigen vielfältigen Kontakte zu den kommunalen Spitzenverbänden und den Hilfsorganisationen ist bisher nicht vorgetragen worden, es bestehe flächendeckend kein Zugangsweg zum Digitalfunknetz. Das modulare Warnsystem dient nicht zuletzt der Bundesaufgabe der Warnung im Bereich des Zivilschutzes. Es ist daher darauf ausgelegt, auch im Falle größerer Zerstörungen von Infrastruktur weiter zu funktionieren, u.a. durch die Nutzung von Satellitenkommunikation und mehrfach redundanten zentralen Komponenten. 1. Warum ist bis zum Ende des Jahres 2015 – entgegen der Ankündigung vom 30. April 2014 - der Endausbau des „modularen Warnsystems“ in allen Kreisen und kreisfreien Städten noch nicht erfolgt? Die Gespräche mit den Kreisen und kreisfreien Städten zum landesweiten Roll-out von MoWaS wurden in der zweiten Jahreshälfte 2014 begonnen. U.a. aufgrund von Umzügen bzw. Neubauten von Leitstellen und baulichen Herausforderungen an anderer Stelle, z.B. bei der Leitungsführung oder Installation der Satellitentechnik erfolgte der Ausbau nicht mit der zunächst erwünschten Geschwindigkeit und konnte nicht bis Ende 2015 abgeschlossen werden. Der Endausbau wird aber noch im Jahr 2016 erfolgen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11959 3 2. Der Katastrophenschutz baut auf die Selbsthilfefähigkeit unserer Bevölkerung auf und ergänzt diese um die im öffentlichen Interesse gebotenen Maßnahmen: Mit welchen Maßnahmen will die Landesregierung die Selbsthilfefähigkeit und - willigkeit der Bevölkerung und damit das Funktionieren des gesamten Hilfeleistungssystems im Katastrophenfall fördern? Eine Stärkung der Selbsthilfefähigkeit kann nach Auffassung der Landesregierung nur durch Aufklärung vor Ort erfolgen, indem konkrete Risiken sachbezogen und offen kommuniziert werden. Wer als Bürgerin oder Bürger weiß, mit welchen Gefahren er konfrontiert werden könnte, weiß, wie er handeln muss - und ist zu Selbstschutz- und Selbsthilfemaßnahmen bereit. Deshalb ist die Risikokommunikation auf der lokalen Ebene genauso eine ständige Aufgabe der örtlich zuständigen Aufgabenträger wie die Einbeziehung der Bevölkerung in präventive Vorplanungen und Übungen. 3. Warum sind bis heute noch nicht alle Leitstellen an den Digitalfunk angeschlossen? Die Landesregierung hat Anfang des Jahres 2016 eine Abfrage zur Erreichbarkeit der Leitstellen im Digitalfunk durchgeführt. Nach dieser Abfrage sind alle Leitstellen im Land über Digitalfunk erreichbar und somit an den Digitalfunk angeschlossen. 4. Wie soll im Katastrophenfall die Kommunikation zwischen Einheiten und Einrichtungen, die an den Digitalfunk angeschlossen sind, und solchen Einheiten und Einrichtungen sichergestellt werden, die über keinen Zugang zum Digitalfunk verfügen? Wie in der Vorbemerkung und zu Frage 3 ausgeführt, haben alle Aufgabenträger im Brandund Katastrophenschutz in NRW Zugang zum Digitalfunk. Gemäß der im Jahr 2006 zwischen dem Innenministerium und den kommunalen Spitzenverbänden getroffenen Absprache obliegt dem Land der Aufbau und Betrieb des Digitalfunknetzes, den kommunalen Aufgabenträgern die Ausstattung mit Endgeräten für den Digitalfunk. Seit dem Jahr 2012 werden von Land oder Bund beschaffte Fahrzeuge für den Katastrophenschutz mit Digitalfunkgeräten ausgestattet oder für eine Vor-Ort-Ausstattung bei Kostenübernahme vorgerüstet. Im Rahmen der zu Frage 3 genannten Abfrage hat die Landesregierung die kommunalen Aufgabenträger zudem darauf hingewiesen, dass es für die überörtliche Hilfeleistung dringend erforderlich ist, nicht nur in den Leitstellen die für Anrufe vorgesehenen Gruppen im Digitalfunk mitzuhören, sondern auch die Einsatzleitfahrzeuge in naher Zukunft mit Digitalfunk auszustatten. 5. Wie will die Landesregierung im Katastrophenfall – unter Einstufung der Kommunikation als kritische Infrastruktur – die Kommunikation über eine Rückfallebene sicherstellen? Die Ausfallsicherheit des BOS Digitalfunknetzes fällt als betriebliche Aufgabe nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS-Gesetz - BDBOSG) in den Zuständigkeitsbereich der Bundesanstalt (BDBOS). Entsprechend den diesbezüglichen Vorgaben der BDBOS wurden die Standorte in NRW gegen Ausfälle gesichert. Weitergehende LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11959 4 Maßnahmen, die, einem Beschluss der Innenministerkonferenz aus dem Jahr 2015 folgend, eine Ausfallsicherheit bei Stromausfällen von mindestens 72 Stunden gewährleisten, sind derzeit in der bundesweiten Abstimmung. Zudem ist im BOS Digitalfunk auch bei Ausfall von Netzkomponenten die Kommunikation der Einsatzkräfte durch den netzunabhängigen Direktmodus und den sogenannten „Fallback-Modus“ der Basisstationen gewährleistet. Zur Sicherstellung ihrer Kommunikationsfähigkeit verfügen die für den Zivil- und Katastrophenschutz zuständigen Bezirksregierungen und das Ministerium für Inneres und Kommunales darüber hinaus über redundante Systeme für Satellitentelefonie, Funk- und Datenkommunikation mit einer Netzersatzanlage bzw. eine unterbrechungsfreie Stromversorgung, die auch im Katastrophenfall die Kommunikation ermöglichen. Die Beschaffung solcher Systeme für den kommunalen Bereich und die Planung von weiteren Rückfallmöglichkeiten obliegt den kommunalen Aufgabenträgern in eigener Zuständigkeit. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11959