LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11988 12.05.2016 Datum des Originals: 11.05.2016/Ausgegeben: 18.05.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4656 vom 7. April 2016 des Abgeordneten Lutz Lienenkämper CDU Drucksache 16/11676 Koordination der A-Länder im Bundesrat durch Nordrhein-Westfalen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit den 1970er Jahren besteht eine informelle Einteilung der deutschen Bundesländer in zwei politische Gruppen: die so genannten A-Länder (SPD-geführte Landesregierungen, heute unter Einschluss von Baden-Württemberg und Thüringen) und die so genannten B-Länder (von der Union geführt). In diesem Rahmen werden gemeinsame Positionen ausgelotet, welche die Beratungen im Bundesrat und der Ministerpräsidentenkonferenz vorbereiten. In den Jahren von 2003 bis 2013 hatte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck die Koordination der SPD-geführten A-Länder übernommen. Seine Vorgänger in dieser Funktion waren der Bremer Bürgermeister Henning Scherf und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau. Zur SPD-internen Debatte über die Nachfolge Becks als A-Länder-Koordinator schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 20. November 2012: „Nordrhein-Westfalen habe immer das Erstzugriffsrecht, heißt es – Beck und […] Scherf waren nach Johannes Rau Ausnahmen von der Regel. Es sei nun mal das bevölkerungsreichste Bundesland. Zudem verfüge es […] über eine große Verwaltung.“ Dieser Logik folgend übernahm Nordrhein-Westfalen Ende Januar 2013 die Koordination der A-Länder. Damit setzte Hannelore Kraft die Tradition ihrer Vorgänger im Amt des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten fort, die durch diese Koordinierungsfunktion auch den politischen Einfluss ihres Landes auf der Bundesebene sichern und mehren wollten. Die Vorbereitung der A-Länder-Sitzungen oblag fortan Staatskanzleichef Franz-Josef Lersch-Mense. Am 27. September 2015 berichtete Die Welt, dass Nordrhein-Westfalen die Zuständigkeit für die Koordination der A-Länder in den Verhandlungen über die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern dem Ersten Bürgermeister Hamburgs, Olaf Scholz, überlassen habe. Die Zeitung schrieb, dieser Schritt sei einst „undenkbar“ gewesen: „Über Jahrzehnte hinweg hatte NRW in der SPD bei Finanzfragen die Richtung vorgegeben. Das Wort der Finanzminister LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11988 2 Diether Posser und Heinz Schleusser hatte Gewicht. Doch beim Koalitionsgipfel Anfang September , am Tisch mit Angela Merkel und Sigmar Gabriel, saß: Scholz. Wo Hamburg sich großmacht , verzwergt sich Nordrhein-Westfalen.“ Sechs Wochen später, am 10. November 2015, hieß es im Tagesspiegel: „Neuerdings ist nicht mehr Nordrhein-Westfalen zuständig für die Koordinierung der Bundesratsarbeit der SPD-Länder . Sondern Hamburg. Auf der sogenannten A-Seite erledigt jetzt der Bevollmächtigte der Hansestadt, Wolfgang Schmidt, den Kärrnerjob, der zwar vor allem viel Detailarbeit bedeutet. Aber eben auch mehr Einblick und mehr Einfluss. […] Unlängst aber hat Kraft ihr Kabinett umgebildet und dabei auch die Zuständigkeiten für das Bundesratsgeschäft verändert. […] Wobei aus NRW darauf verwiesen wird, dass das SPD-Palaver ja weiterhin bei ihnen in der Landesvertretung unter Krafts Leitung abgehalten wird.“ In einem Interview mit der Neuen Westfälischen vom 20. Februar 2016 antwortete Ministerpräsidentin Kraft auf die Feststellung, dass sie sich beim Thema Länderfinanzausgleich zurückgezogen und die Koordinierung der A-Länder an Olaf Scholz abgegeben habe: „Das stimmt. Und das habe ich allein für diese Finanzverhandlungen ganz bewusst gemacht, um die Interessen Nordrhein-Westfalens besser vertreten zu können. Wir standen da zuerst mit unserer Forderung nach Abschaffung des Umsatzsteuer-Vorwegausgleichs allein gegen die anderen 15 Länder. Als Koordinatorin wäre ich verpflichtet gewesen, auszugleichen und Zugeständnisse zu machen: So konnte ich alle anderen davon überzeugen, die NRW-Position zu übernehmen.“ In einer Korrekturmeldung vom 26. Februar 2016 stellte die Süddeutsche Zeitung klar: „In ‚Die Bekümmerte‘ vom 12. Februar auf Seite 6 hieß es, Nordrhein-Westfalen habe die ‚Koordinierung der SPD-geführten Bundesländer freiwillig abgegeben‘. Richtig ist, dass NRW die Koordinierung der Bundesratssitzungen auf Arbeitsebene abgegeben hat. Die politische Koordinierung liegt aber weiterhin bei der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.“ Die Ministerpräsidentin hat die Kleine Anfrage 4656 mit Schreiben vom 11. Mai 2016 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Warum behauptet die Ministerpräsidentin, dass sie die Koordinierung der A-Länder „allein für diese Finanzverhandlungen“ abgegeben habe, wenn doch – ausweislich des o.g. Tagesspiegel-Berichts sowie der Korrekturmeldung in der Süddeutschen Zeitung – die gesamte Koordinierung der Bundesratssitzungen auf der Arbeitsebene von Hamburg übernommen wurde? 2. Welche Aufgaben und Zuständigkeiten umfasst die Koordination der A-Länder- Gruppe durch eine Landesregierung (bitte differenzieren nach „Arbeitsebene“ und „politischer Ebene/politischer Koordinierung“)? 3. Aus welchen Gründen hat Nordrhein-Westfalen die Koordinierung der A-Länder für Bundesratssitzungen auf der Arbeitsebene an Hamburg abgegeben? 4. Welche Auswirkungen hatte in diesem Rahmen die Kabinettsumbildung im letzten Jahr auf die Koordinationsarbeit Nordrhein-Westfalens innerhalb der A-Länder- Gruppe? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11988 3 5. Nimmt die Ministerpräsidentin nach dem Zuständigkeitswechsel von der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen zum Bevollmächtigten Hamburgs im Rahmen der Sitzungen der A-Länder jetzt nur noch eine repräsentative Funktion wahr? Die politische Koordinierung der A-Länder am Vorabend der Bundesratssitzungen wird von Frau Ministerpräsidentin Kraft geleitet. Sie findet in der Regel in der Landesvertretung NRW statt und umfasst alle Politikfelder. Die Koordinierung der Bundesratssitzungen erfolgt auf Arbeitsebene durch die Bevollmächtigten der Länder und wird auf Seiten der A-Länder durch die/den dienstältere(n) Bevollmächtigte(n) koordiniert. Nachdem Frau Staatsministerin Dr. Angelica Schwall-Düren - die zugleich Bevollmächtigte des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund war - aus der Regierung des Landes Nordrhein- Westfalen ausgeschieden ist, wechselte die Koordinierung auf Arbeitsebene durch die Bevollmächtigte von Nordrhein-Westfalen auf den dienstälteren Bevollmächtigten der Freien und Hansestadt Hamburg. Die Vorsitze über diese beiden Gremien sind nicht miteinander verbunden und wurden deshalb auch in der Vergangenheit schon von verschiedenen Ländern wahrgenommen . Die Gespräche zu den Bund-Länder-Finanzbeziehungen haben im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz stattgefunden. Für dieses Themenfeld haben die A-Länder eine Federführung durch den Ersten Bürgermeister der Hansestadt Hamburg vereinbart. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11988