LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12034 19.05.2016 Datum des Originals: 18.05.2016/Ausgegeben: 24.05.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4674 vom 14. April 2016 des Abgeordneten Werner Lohn CDU Drucksache 16/11750 Blitz-Marathon trotz Arbeitsüberlastung der Landespolizei? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Unter Federführung der nordrhein-westfälischen Landesregierung wurde für den 21. April 2016 erneut ein bundesweiter Blitz-Marathon angesetzt. In Nordrhein-Westfalen sollen dafür bis zu 2000 Polizeibeamte in zwei Schichten eingesetzt werden. Drei Bundesländer, allesamt mit SPD-Innenministern, haben ihre Mitwirkung am Blitzmarathon jedoch abgesagt. Der rheinland -pfälzische Innenminister Roger Lewentz hatte bereits im November 2015 erklärt, dass die Polizei im Angesicht der größeren Terrorgefahr auf weniger Wichtiges verzichten müsse (Focus Online vom 12.04.2016). Ein Sprecher des baden-württembergischen Innenministers Reinhold Gall teilte mit: „Die Einsatzbelastung ist so hoch, dass wir nicht noch für eine Sonderaktion separat Beamte abstellen können.“ Die Landespolitzisten in Baden Württemberg würden einen Berg von 1,3 Millionen Überstunden vor sich her schieben: „Deshalb beteiligen wir uns diesmal nicht am Blitz-Marathon, das lässt sich derzeit den Beamten nicht mehr zumuten “ (Stuttgarter Zeitung vom 12.04.2016). Sowohl Rheinland-Pfalz als auch Baden-Württemberg weisen laut Kölner Stadt-Anzeiger (14.04.2016) darauf hin, dass allein „die Betreuung und der Schutz von Flüchtlingen, eine Schwerpunktation zur Bekämpfung des Wohnungseinbruchs und etliche Großveranstaltungen“ eine Teilnahme ihrer Länder am Blitz-Marathon nicht zuließen. Wie die Zeitung weiter berichtet, bezweifelt der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius sogar grundsätzlich die Wirkung der Blitzmarathons: „Unser Ziel, die Zahl der Unfälle und Verunglückten, insbesondere der Getöteten, nachhaltig zu senken, haben wir bisher damit nicht erreicht.“ Auch in NRW sind trotz der Blitzmarathons der Vergangenheit die Unfallzahlen und auch die Unfallopferzahlen weiter angestiegen, was die Wirkung dieser personalintensiven „Geschwindigkeits -Massenkontrolltage“ erheblich in Frage stellt. Darüber hinaus gibt es in keinem Bundesland gibt es mehr Salafisten und salafistische Zellen als in Nordrhein-Westfalen. Kein anderes Bundesland hat in den letzten zwei Jahren mehr Flüchtlinge aufgenommen. In keinem anderen Land finden mehr Großveranstaltungen statt als in Nordrhein-Westfalen. In keinem LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12034 2 anderen Bundesland gibt es mehr Wohnungseinbrüche (62.000 Wohnungseinbrüche im Jahr 2015, Fallzahlenanstieg von über 18 Prozent, historischer Höchststand). Gleichzeitig schoben die nordrhein-westfälischen Landespolizisten bereits Ende 2015 einen Berg von rund 3,6 Millionen Überstunden vor sich her (Rheinische Post vom 24. November 2015). Trotzdem findet der Blitz-Marathon in Nordrhein-Westfalen statt. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4674 mit Schreiben vom 18. Mai 2016 namens der Landeregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Zu den Grundlagen und bisherigen Ergebnissen des Einsatzkonzeptes des Blitz-Marathons verweise ich auf meine Antwort zu der Kleinen Anfrage 3140 des Fragestellers vom 18.02.2015 (LT-Drs 16/8239). Der Schutz der Menschen hat für die Landeregierung oberste Priorität. Innere Sicherheit ist nicht teilbar. Neben anderen Herausforderungen der Inneren Sicherheit wie dem internationalen Terrorismus oder der Kriminalitätsentwicklung wird dem Bereich der Verkehrssicherheit unverändert eine sehr hohe Priorität eingeräumt. Die polizeiliche Verkehrssicherheitsarbeit dient unmittelbar dem Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit als bedeutende Rechtsgüter unserer Verfassung. Sie ist damit eine Konkretisierung der aus Art. 2 Grundgesetz resultierenden Schutzpflicht des Staates. Das Bundesverfassungsgericht sieht in seiner ständigen Rechtsprechung in der Verkehrssicherheit eines der überragend wichtigen Gemeinschaftsgüter . Der Blitzmarathon dient im Wesentlichen der Aufklärung. Er bietet die Möglichkeit, auf die gravierenden Folgen nicht angepasster Geschwindigkeit im Straßenverkehr hinzuweisen. Bereits zum zweiten Mal wurde der Blitz-Marathon nicht nur in Deutschland sondern in insgesamt 23 europäischen Staaten durchgeführt. Die Tatsache, dass mehr und mehr europäische Staaten das Konzept des Blitzmarathons übernehmen, zeigt, dass es sich um eine der erfolgreichsten Präventionskampagnen der Polizei gegen den Killer Nr. 1 im Straßenverkehr handelt. Der Blitz-Marathon wirkt nachhaltig und flächendeckend. Das ist das Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie des Instituts für Straßenwesen der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. Die Autoren kommen zu folgendem Fazit: „Die Ergebnisse zeigen, dass der Blitzmarathon ein wichtiger Bestandteil der Verkehrssicherheitsarbeit der Polizei geworden ist. Auch Erkenntnisse aus der Literatur belegen dies [vgl. FERRER, & GIRÓN, 2007 oder AVENOSO, 2011]. ZAAL [1994] konnte in seiner Studie schon die Bedeutung einer intensiven Berichterstattung im Rahmen von Geschwindigkeitskontrollen aufzeigen. Die mediale Begleitung im Rahmen des Blitzmarathons kann daher ein wichtiger Baustein für die Nachhaltigkeit dieser Maßnahme sein. Obwohl die nachgewiesenen positiven Effekte auf die Geschwindigkeitswahl, mit etwa 2-3 km/h, und die Überschreitungshäufigkeit relativ gering erscheinen, können die Sicherheitsgewinne deutlich höher bewertet werden. Auch bei geringen Geschwindigkeitsdifferenzen können die Unfallfolgen, insbesondere für Fußgänger und Radfahrer, deutlich reduziert werden.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12034 3 Ich wiederhole erneut mein bereits mehrfach unterbreitetes Angebot gegenüber den Fraktionen im Landtag, alle offenen Fragen rund um die Fachstrategie Verkehrsunfallbekämpfung mit Vertretern meines Hauses unmittelbar zu erörtern. 1. Welche der oben genannten Faktoren (Zahl der Salafisten, terroristische Bedrohungslage , Anzahl der zu versorgenden Flüchtlinge, Wohnungseinbrüche, Großveranstaltungen , Überstunden der Polizisten) stellen sich in Nordrhein-Westfalen besser bzw. anders als in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Rheinland- Pfalz dar, so dass der neue Blitzmarathon hier durchgeführt werden kann? Die Sicherheit im Straßenverkehr hat für die Landesregierung einen hohen Stellenwert. Es obliegt der Landesregierung NRW nicht, die für andere Landesregierungen entscheidungserheblichen Faktoren zu beurteilen. 2. Sollte es keine bzw. nur vereinzelte Faktoren geben, die eine zusätzliche Belastung der Landespolizei durch den Blitzmarathon speziell in Nordrhein-Westfalen erlauben: wie kommt der Innenminister dann zu seiner, im Vergleich zu seinen Amts- und Parteikollegen gegensätzlichen Einschätzung? Der Landesregierung obliegt es nicht, die Einschätzungen anderer Landesregierungen zu beurteilen . Ansonsten verweise ich auf die Vorbemerkungen. 3. Aus welchen Gründen sieht die Landespolizei Nordrhein-Westfalen aus Sicht des Innenministers unsere Polizei in der Lage, weitere Aufgaben und Belastungen wie neue Blitz-marathons übernehmen zu können? Siehe Vorbemerkungen. 4. Wie stellt sich die Belastung der Kreispolizeibehörden durch angehäuften Mehrdienst (Überstunden) vor und nach dem geplanten neuen Blitzmarathon dar? (Bitte tabellarisch für jede Kreispolizeibehörde auflisten wie viele Arbeitsstunden bzw. Mehrdienststunden vor und nach dem neuen Blitzmarathon zu verzeichnen sind!) Über die Zahl der Arbeits- bzw. Mehrdienststunden unmittelbar vor und nach dem Einsatz liegen der Landesregierung keine Zahlen vor. Die Erhebung ist in den statistischen Auswertemodulen nicht vorgesehen. Der weit überwiegende Teil der eingesetzten Beamtinnen und Beamten ist auch außerhalb des Einsatzes mit Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit beauftragt. Überstunden fallen bei dem Einsatz grundsätzlich nicht an. 5. Kann der Blitz-Marathon mit Blick auf die vielen Zusatzaufgaben der Polizei (Flüchtlingshilfe, Fußball-Einsätze, verstärkte Präsenz nach Geschehnissen in Köln an Silvester) überhaupt noch dauerhaft verantwortet werden? Schwerpunkteinsätze wie der Blitz-Marathon sind keine Zusatzaufgabe. Im Gegenteil wirken sich diese nicht nur am Einsatztag positiv aus, sondern unterstützen u. a. durch ihre mediale Resonanz auch die vorhergehende und nachfolgende tägliche Kontrollarbeit der Behörden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12034 4 Daher wird die Polizei NRW auch zukünftig, unter Berücksichtigung der Einsatz- und Kräftelage entsprechende Einsätze durchführen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12034