LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12043 20.05.2016 Datum des Originals: 19.05.2016/Ausgegeben: 25.05.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4679 vom 19. April 2016 der Abgeordneten Susanne Schneider FDP Drucksache 16/11763 Wie will die Landesregierung der „neuen Dimension“ von organisiertem Pflegebetrug begegnen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Pflegekräfte in Deutschland erfüllen einen unverzichtbaren Dienst an den Menschen in unserer Gesellschaft. Unerlässlich ist da das Vertrauen zwischen Pflegenden, Gepflegten und Angehörigen . Die aktuelle Diskussion um betrügerische Pflegedienste hat nicht nur viele Bürgerinnen und Bürger verunsichert, sondern bringt leider auch die überwiegende Mehrheit der Dienstleister in Verruf, die seit jeher seriös arbeiten und durch die ambulante Pflege zu Hause beeinträchtigten Menschen helfen. Nach Informationen der Welt am Sonntag und des Rechercheteams des Bayerischen Rundfunks (BR Recherche) prüft das Bundeskriminalamt aktuell Hinweise auf Strukturen von organisierter Kriminalität im Bereich der Pflegedienste. Von Personen aus der ehemaligen Sowjetunion geführte Banden sollen demnach die deutschen Sozialkassen durch Abrechnungsbetrug einen jährlichen finanziellen Schaden in Milliardenhöhe zufügen. Nach Informationen des WDR laufen bereits bei der Kölner Staatsanwaltschaft neun Ermittlungsverfahren gegen Pflegedienste . In drei weiteren Fällen sei Anklage erhoben worden. Aus der Berichterstattung der Welt geht hervor, dass in diesem Zusammenhang vielfältige Betrugsformen Anwendung finden . So werden z.B. bei der vermeintlichen Pflege von hilfsbedürftigen Personen, insbesondere Intensivpflegepatienten, systematisch nicht erbrachte Leistungen über gefälschten Pflege-Protokolle abgerechnet. „Anstatt einer ausgebildeten Pflegekraft wird nur eine Hilfskraft eingeteilt. Bei der Kasse rechnet der Pflegedienst die Leistungen allerdings so ab, als habe tatsächlich rund um die Uhr eine teure Fachkraft am Bett des Patienten gesessen. Für die Pflegebedürftigen ist das unter Umständen lebensgefährlich: Bundesweit gab es bereits mehrere Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung in genau solchen Fällen.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12043 2 (http://www.welt.de/wirtschaft/article154426270/So-funktioniert-der-Milliarden-Betrug-der- Pflege-Mafia.html) Das schamlose Ausnutzen von Notsituationen in der Pflege ist allerdings nicht neu. Bereits im März 2012 schrieb die FAZ „Die Methoden krimineller Pflegedienste werden immer dreister. Sie vernachlässigen Pflegebedürftige, rechnen Scheinleistungen ab, kassieren für gesunde und sogar für tote Patienten.“ Im Dezember 2012 schilderte der Focus das Vorgehen der „Pflege-Mafia“ und nennt explizit die Bande eines „aus Düsseldorf stammenden Deutsch-Russen “, der bis zu fünf Pflegedienste in Dortmund, Düsseldorf Bremen und bei Berlin betrieben haben soll und zum damaligen Zeitpunkt auch weiter betrieben hat. Zitiert wird ein Frankfurter Wirtschaftsermittler und früherer Kriminaloberrat: „Es handelt sich um quasi mafiöse Strukturen . Zeugen und Ärzte werden bestochen oder eingeschüchtert. So behaupten zum Beispiel die Patienten, wenn sie befragt werden, dass sie tatsächlich gepflegt wurden.“ Auch Patienten sollen in den Betrug verwickelt sein. In diesen Fällen geben sich gesunde Personen als pflegebedürftig aus und teilen sich mit dem Pflegedienst den Erlös. Aus dem internen Bericht des BKA zitiert die Welt: „Das Phänomen tritt insbesondere dort auf, wo sich durch Sprachgruppen geschlossene soziale Systeme bilden, also vorwiegend in Regionen mit einem hohen Bevölkerungsanteil an russischsprachigen oder -stämmigen Personen.“ Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 4679 mit Schreiben vom 19. Mai 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales, dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales und dem Justizminister beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Auf der Grundlage der aktuellen Berichterstattung in der Presse haben die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA) um einen Bericht zum Thema „Betrug in der Pflege“ gebeten. Dieser Bericht liegt dem Landtag zwischenzeitlich vor (LT-Vorlage 16/3915). Vor diesem Hintergrund werden die Fragen der Abgeordneten Susanne Schneider wie folgt beantwortet. 1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zu organisiertem Pflegebetrug in Nordrhein-Westfalen vor, der durch ambulante Pflegedienste bzw. gemeinschaftlich durch Pflegedienste und Pflegebedürftige ausgeübt wurde? 2. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden seit 2010 in Nordrhein-Westfalen zu Betrugstatbeständen im Zusammenhang mit Pflegediensten eingeleitet? 3. Wie viele Verurteilungen gab es seit 2010 in Nordrhein-Westfalen zu Betrugstatbeständen im Zusammenhang mit Pflegediensten? 4. Wie vielen ambulanten Pflegedienstleitern wurde seit 2010 in Nordrhein-Westfalen aufgrund betrügerischer Aktivitäten die Zulassung entzogen? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12043 3 5. Mit welchen Strategien ist die Landesregierung dem Pflegebetrug seit 2010 begegnet bzw. mit welchen Strategien will sie die „neuen Dimension“ des massiven Betruges bewältigen? Hinsichtlich der Beantwortung der Fragen 1 bis 5, die gemeinsam beantwortet werden, wird auf den Bericht der Landesregierung vom (04. Mai 2016) – LT-Vorlage 16/3915 – verwiesen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12043