LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12087 27.05.2016 Datum des Originals: 27.05.2016/Ausgegeben: 01.06.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4712 vom 25. April 2016 der Abgeordneten Simone Brand PIRATEN Drucksache 16/11839 Wie viele Geflüchtete aus NRW konnten bisher noch keinen Asylantrag beim BAMF stellen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In den letzten Jahren lebten Tausende nicht registrierte Personen in NRW. Aufgrund der Schließung der Grenzen und der daraus resultierenden geringen Zahl von Neuzugängen kann heute davon ausgegangen werden, dass sich die Zahl der nicht registrierten Personen stark reduziert hat. Die letzten Jahre waren von einem extremen Behördenchaos in NRW und beim Bund gekennzeichnet. Es kam zu Doppelregistrierungen, Pässe wurden verlegt und Asylverfahren verschleppt.1 In Paderborn sind z.B. knapp 4.000 unbearbeitete Asylverfahren offen – einige davon seit mehr als eineinhalb Jahren.2 Der Zugang zum Asylverfahren ist für geflüchtete Menschen sehr wichtig, denn erst durch diesen Zugang können sie ihre Rechte als Asylsuchende oder später als Anerkannte geltend machen. Laut Presseberichten konnte fast ein Drittel der Geflüchteten in NRW bisher immer noch keinen Asylantrag stellen. Diese Menschen haben lediglich eine Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender („BÜMA“) erhalten. Hinzu kommt noch die Bescheinigung über die Meldung als unerlaubt eingereister Ausländer (BÜMI), die laut neuem Erlass den Ankunftsnachweis oder die BÜMA in bestimmten Fällen ersetzt.3 All diese Probleme gibt es nicht erst seit dem letzten Sommer. 1 „Verwaltungspannen im Asylverfahren - Verschlammte Pässe und vergessene Asylbewerber“ ab Minute 20:35, zuletzt abgerufen am 21.04.2016. http://www.tvnow.de/rtl/stern-tv/list/aktuell/themaua -sicherheitsrisiko-keyless-systeme/player 2 http://www.dw.com/de/registrierung-von-fl%C3%BCchtlingen-eigeninitiative-statt-aktenfrust/a- 19181729 3 http://koelner-fluechtlingsrat.de/neu/userfiles/pdfs/2016-04-07Verweigerung_Registrierung.pdf LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12087 2 Das neue Datenaustauschverbesserungsgesetz und der neue Erlass „Asylsystem im Jahr 2016: Planung und Organisation der Aufnahmeeinrichtungen des Landes“ sollen nun dafür sorgen, dass die Behörden wieder „Herr der Lage“ werden. Der NRW-Erlass konkretisiert die geplante Reform der Registrierung von Flüchtlingen und die Reform der Landesaufnahme. Die BÜMA soll durch den Ankunftsnachweis ersetzt werden. Doch welche Rechte mit dem Ankunftsnachweis verknüpft sind, scheint unklar.4 Damit hätte sich auch mit dem Ankunftsnachweis für die Asylsuchenden nicht wirklich viel geändert. Erlasse des MIK haben in den letzten Jahren Klarheit geschaffen, in welchen rechtlichen Feldern eine BÜMA als auszureichend anzusehen ist. So gibt es mit einer BÜMA laut Erlass vom 08.01.2016 die Berechtigung, bei Familienzusammenführung nach § 50, 51 Asylverfahrensgesetz oder bei fachärztlich attestierter Pflegebedürftigkeit einen Umverteilungsantrag zu stellen. Außerdem haben Flüchtlingskinder mit einer BÜMA einen Rechtanspruch auf einen Kita-Platz. Berichten aus den ZUE zufolge kann es einigen wenigen Fällen passieren, dass ein Asylsuchender noch in der Landesaufnahme einen Anerkennungsbescheid des BAMF erhält. Dies führt dazu, dass zwar noch keine Zuweisung in eine Kommune erfolgt, aber das Recht auf einen Platz in der Landesaufnahme erloschen ist. Diesen Personen droht die Obdachlosigkeit. Sie sind dann auf die Unterstützung der Obdachlosenhilfe angewiesen, die zu Recht sagt, dass sie hier eigentlich nicht zuständig ist. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4712 mit Schreiben vom 27. Mai 2016 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Kann die Landesregierung sagen, wie viele Menschen in NRW bisher zwar eine BÜMA oder einen Ankunftsnachweis erhalten haben, aber noch keinen Asylantrag stellen konnten? (Z. B. wäre es möglich, die Zahlen bei den Kommunen abzufragen, da sie dort aufgrund der Stichtagserstattung bekannt sind. Bitte mit Begründung) Nach einer ersten Abfrage bei den Kommunen ist davon auszugehen, dass aktuell bis zu ca. 100.000 Asylsuchende in Nordrhein-Westfalen bisher noch keinen Asylantrag beim Bundesamt gestellt haben. Das BAMF stockt derzeit seinen Personalbestand in NRW weiter auf. Ferner sollen die Bearbeitungskapazitäten in NRW durch neue Arbeitsabläufe und den Betrieb von insgesamt fünf sogenannten Ankunftszentren deutlich gesteigert werden. Dies führt zu größeren Bearbeitungsmöglichkeiten für Neuantragstellungen. Zur effektiven Nutzung ist beabsichtigt, dass das Land die Zuführungen von Asylbewerbern zum Bundesamt koordiniert. 2. Welche rechtlichen Nachteile, z.B. hinsichtlich des Arbeitsmarktzugangs, des Familiennachzugs, der Residenzpflicht oder der Bleiberechte, entstehen für Geflüchtete, die noch keinen Asylantrag stellen konnten? (Bitte ausführen und ggf. Erlasse aufführen, die hier Klarheit geschaffen haben) Verschiedene Regelungen des Ausländer- und Asylrechts knüpfen an die Dauer des gestatteten Aufenthalts an (§ 61 Abs. 2 AsylG für den Arbeitsmarktzugang, § 59 a Abs. 1 AsylG 4 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/078/1807834.pdf LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12087 3 für das Erlöschen der räumlichen Beschränkung, §§ 25 a und b AufenthaltsG für die dort geregelten Bleiberechte). Die Aufenthaltsgestattung entsteht nach § 55 Abs. 1 S. 1 AsylG kraft Gesetzes mit der Äußerung des Asylgesuchs. Im Falle der unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§26a AsylG) erwirbt der Ausländer die Aufenthaltsgestattung erst mit der Stellung des Asylantrages ( § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylG). Im Einzelnen ist hierbei Vieles umstritten und die Handhabung durch die Bundesländer ist uneinheitlich. Näheres dazu lässt sich der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke im Bundestag vom 08.03.2016 (Drs. 18/7834) entnehmen. Die Bundesregierung beabsichtigt, die Thematik im Rahmen anstehender Gesetzesvorhaben aufzugreifen. Bisher liegt dazu aber noch kein konkreter Formulierungsvorschlag vor. Für NRW hat das MIK in zwei Erlassen (RdErl. des Ministeriums für Inneres und Kommunales - 122/123-39.11.00-15-206 (2603) vom 1.12.2015 und RdErl. des Ministeriums für Inneres und Kommunales - 122.39.01.01-2-15-183(260) vom 30.11.2015) klargestellt, dass das Asylgesuch und damit der Beginn der Gestattung durch die BÜMA nachgewiesen werden kann. Hinsichtlich des in der Frage angesprochenen Familiennachzugs kommt es nicht auf die Dauer des gestatteten Aufenthalts an. Maßgeblich ist hier nach § 29 Abs. 2 AufenthG der Zeitpunkt der Anerkennung. Wie lange es bis zur Anerkennung dauert, liegt in der Verantwortung des Bundes, da hierüber das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entscheidet. 3. Auf welcher Grundlage basiert die Annahme, dass sich Geflüchtete zukünftig der Registrierung entziehen wollen? (Sollte es dazu statistische Daten geben, bitte hier erläutern und den Erlass begründen) In der Vergangenheit haben sich Asylbewerber und Asylbewerberinnen einer Registrierung entzogen. Ob, in welchem Umfang und aus welcher Motivation heraus dieses Verhalten in der Zukunft zu erwarten ist, kann aus Sicht der Landesregierung nicht prognostiziert werden. Statistische Daten aus der Vergangenheit liegen hierzu nicht vor. 4. Wie will die Landesregierung zukünftig verhindern, dass Menschen die Obdachlosigkeit droht, wenn sie noch keine Meldeadresse in einer Kommune vorweisen können, aber bereits einen Anerkennungsbescheid zugestellt bekommen haben? In der Regel verlassen anerkannte Asylbewerber sofort die Landeseinrichtungen und organisieren ihre weitere Unterbringung in eigener Verantwortung. In wenigen Fällen gelingt dieses kurzfristig nicht. Die Landesregierung hat deshalb alle Leitungen der Landeseinrichtungen über die Bezirksregierungen darüber informiert, dass Flüchtlinge mit positivem Bescheid des Bundesamtes nicht einfach aus den Unterbringungseinrichtungen des Landes NRW zu verweisen sind. Das Land wird in diesen Fällen einzelfallbezogen nach Lösungen suchen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12087 4 5. Werden die Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der Eckpunkte zur Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen in Regeleinrichtungen des Landes NRW der Arbeitsgruppen in die Leistungsbeschreibungen der diesjährigen Ausschreibung für die Landesaufnahmen fließen, damit sie ihre volle Wirkung nicht erst in zwei bis vier Jahren entfalten können? Die Inhalte der Handlungsempfehlungen sind im laufenden Vergabeverfahren berücksichtigt worden. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12087