LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12089 30.05.2016 Datum des Originals: 30.05.2016/Ausgegeben: 02.06.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4685 vom 19. April 2016 des Abgeordneten Josef Wirtz CDU Drucksache 16/11796 Ausweitung der Tagebau-Sicherheitszonen auf 200 Meter zur nächsten Wohnbebauung Wortlaut der Kleinen Anfrage Im Mai 2014 haben die vier Fraktionen von SPD, CDU, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN und PIRA- TEN den Antrag „Augenhöhe zwischen Bergbauunternehmen und Betroffenen: Rechtlichen Rahmen verbessern, Position der Betroffenen und Anwohnerschutz stärken“ (Drucksache 16/5750) in den Landtag eingebracht und mehrheitlich beschlossen. Darin erkennen sie an, dass der Bergbau stets mit Belastungen für die umliegende Bevölkerung verbunden ist und fordern daher einige Initiativen zur Verbesserung der Situation. Während der Sicherheitsabstand der Abbaukante zur Wohnbebauung beim Braunkohletagebau Hambach 200 m beträgt, müssen bei den Braunkohletagebauen Inden und Garzweiler lediglich 100 Meter Sicherheitsabstand eingehalten werden. Dies ist aufgrund der geringeren Tiefe der Tagebaue Inden und Garzweiler zwar rechtlich zulässig, führt dort aber zu einer vergleichsweise stärkeren Belastung der Anwohner durch Staub-, Geräusch- und Lichtimmissionen bei Abbautätigkeiten am Rande der Ortslagen als im Tagebau Hambach. Die antragstellenden Fraktionen waren sich daher einig, dass eine Ausweitung der Sicherheitsabstände auf 200 Meter diese Belastungen spürbar reduzieren und gleichzeitig mehr Raum für einen verbesserten Infrastrukturbau schaffen würde. Der Landtag beschloss in diesem Zusammenhang , dass die Landesregierung dabei unterstützt werden solle, im Gespräch mit dem Tagebaubetreiber auf eine freiwillige Rücknahme der Abbaukanten an den Tagebauen Inden und Garzweiler auf grundsätzlich 200 Meter zur nächsten Wohnbebauung hinzuwirken. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12089 2 Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 4685 mit Schreiben vom 30. Mai 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz und dem Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien und Chef der Staatskanzlei beantwortet . Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung unterstützt das in dem Antrag der vier Fraktionen von SPD, CDU, BÜND- NIS90/DIE GRÜNEN und PIRATEN „Augenhöhe zwischen Bergbauunternehmen und Betroffenen : Rechtlichen Rahmen verbessern, Position der Betroffenen und Anwohnerschutz stärken“ (Drucksache 16/5750) verfolgte Anliegen, die Belastung der Bevölkerung im Umfeld der Tagebaue durch Staub-, Geräusch- und Lichtimmissionen zu mindern. Zwar wird in den Tagebauen des Rheinischen Braunkohlenreviers ein den rechtlichen Anforderungen genügender Immissionsschutz nach dem Stand der Technik und zum Teil darüber hinausgehend betrieben und es werden mit den aktuell getroffenen Festlegungen die gesetzlichen Vorgaben zum Immissionsschutz eingehalten. Dennoch ist in den Blick zu nehmen, dass die Menschen im Umfeld der Tagebaue grundsätzlich einer besonderen Belastungssituation ausgesetzt sind. Mit dem Ziel, die Immissionssituation insbesondere im näheren Umfeld der Tagebaue weiter zu mindern, hat die Landesregierung daher in Gesprächen mit dem Unternehmen und der für den Immissionsschutz im Bergbau zuständigen Bergbehörde erörtert, welche Möglichkeiten bestehen, mit möglichst rasch wirkenden und effektiven Maßnahmen eine weitere Minderung von tagebaubedingten Immissionen zu erreichen. Dafür kommen gemäß den vorliegenden Erfahrungen vorrangig bestimmte Maßnahmen des aktiven Immissionsschutzes insbesondere in Form emissionsmindernder technischer Maßnahmen an der Quelle und organisatorische Maßnahmen zum Geräteeinsatz in Betracht. Hinzu kommen Maßnahmen des passiven Immissionsschutzes , wie z.B. die Errichtung von Schutzwällen oder –wänden. Entsprechende Maßnahmen wurden in Aktions- und Luftreinhalteplänen sowie in der Gesamtstrategie zur Verbesserung der Luftqualität im Rheinischen Braunkohlenrevier festgelegt. Das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat bereits vor der zustimmenden Beschlussfassung des Landtags zum o.g. Antrag mit der RWE Power AG Gespräche mit dem Ziel aufgenommen, weitere Maßnahmen Verbesserung der Immissionssituation zu identifizieren und zu vereinbaren. Die RWE Power AG hat dazu ihre Unterstützung zugesagt und sich im Rahmen der im Februar 2014 getroffenen Vereinbarung „Neue Ansätze für noch mehr Transparenz und einen fairen Ausgleich der Interessen der von bergbaulichen Auswirkungen Betroffenen und der Bergbauunternehmen“ zu weiteren Maßnahmen zur Minderung der Staub- und Lärmbelastung verpflichtet. Diese Maßnahmen werden konsequent umgesetzt. 1. Teilt die Landesregierung die Auffassung der vier antragstellenden Fraktionen, dass eine Ausweitung der Sicherheitszonen auf 200 Meter zu einer spürbar geringeren Belastung der Tagebauanrainer führt? In dem vom Landtag beschlossenen Antrag (Drs 16/5750) wird u.a. angeführt, dass „durch eine Rücknahme der Abbaukanten an den Tagebauen Inden und Garzweiler auf ebenfalls 200 m sich die Belastung für die Anwohner reduzieren (würde).“ Mit einer solchen freiwilligen Verlegung der betrieblichen Abbaukante könnte grundsätzlich zumindest in bestimmten betrieblichen Situationen eine Minderung der durch Geräuschquellen im Bereich der Abbaukante verursachten Geräuschbelastung erreicht werden. Eine Minderung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12089 3 der Staubbelastung in den Tagebaurandkommunen infolge einer Ausweitung des Abstandes zur Abbaukante auf 200 m wäre nur in geringerem Maße zu erwarten. 2. Hat es Gespräche der Landesregierung mit der RWE Power AG gegeben, die das Ziel verfolgten, eine Rücknahme der Abbaukanten auf grundsätzlich 200 Meter zur nächsten Wohnbebauung zu erreichen? 3. Welche Ergebnisse konnten in diesen Gesprächen bislang erzielt werden? 4. Was gedenkt die Landesregierung weiterhin zu unternehmen, damit die im Antrag beschlossenen Ziele (insbesondere die Rücknahme der Abbaukanten) erreicht werden? Die Landesregierung hat mit dem Unternehmen in vielen Gesprächen zur Verbesserung der Immissionssituation auch auf die im o.g. Antrag angesprochene freiwillige Rücknahme der betrieblichen Abbaukante hingewirkt. Das Unternehmen führt bisher dazu an, dass ein den rechtlichen Anforderungen genügender Immissionsschutz betrieben werde und erforderlichenfalls mit weiteren Maßnahmen des aktiven und passiven Immissionsschutzes eine effektivere und wirksamere Immissionsminderung erreicht werden könnte als mit der Verlegung der Abbaukante . Die Verlegung der Abbaukante wäre gegenüber anderen Maßnahmen des Immissionsschutzes zudem mit erheblichen Abbauverlusten und deutlich höheren Aufwendungen verbunden . Es ist nachvollziehbar, dass eine Verlegung der betrieblichen Abbaukante mit wirtschaftlichen Nachteilen und Aufwendungen für das Unternehmen verbunden wäre. Aus den Ergebnissen der bisherigen Immissionsmessungen ergibt sich derzeit kein rechtliches Erfordernis, die in Betriebsplänen festgelegte Abbaugrenze weiter in die genehmigte Abbaufläche zurückzuverlagern . In dem vom Landtag beschlossenen Antrag (Drs 16/5750) „(unterstützt) der Landtag die Landesregierung dabei, im Gespräch mit dem Tagebaubetreiber RWE Power AG auf eine freiwillige Rücknahme der Abbaukanten an den Tagebauen Inden und Garzweiler auf grundsätzlich 200 Meter von der nächsten Wohnbebauung hinzuwirken.“. Zudem wird die Landesregierung darin aufgefordert, „in Gesprächen mit dem Tagebaubetreiber auf eine zügige Umsetzung folgender betrieblicher Maßnahmen zum Schutz der Anwohner vor Immissionen hinzuwirken : • Verstärkung von Grünvernetzungen im Bereich der Ortschaften • Errichtung lokaler Wettermessstationen, die einen gezielteren Immissionsschutz ermöglichen • fallweise Verbesserung der Kapselung von Antrieben • fallweise Ausbau der Einhausung von Bandübergaben • situationsbedingte Erhöhung von Immissionsschutzwällen • Anpassung organisatorischer Maßnahmen an das Ruhe- und Schlafbedürfnis der besonders betroffenen Anrainer an Werktagen von 22 bis 6 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 22 bis 9 Uhr“. Die Landesregierung wird sich weiter in Gesprächen mit dem Unternehmen entsprechend dem o.g. Antrag mit Unterstützung des Landtags im Interesse der durch den Tagebaubetrieb einer besonderen Belastung ausgesetzten Tagebauanrainer für die Verbesserung des Immissionsschutzes am Tagebaurand einsetzen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12089 4 5. Welche Auswirkungen wird nach Ansicht der Landesregierung die mit der Leitentscheidung zu Garzweiler II erfolgte Ausweitung des Sicherheitsabstandes zwischen Abbaukante und Wohnbebauung auf 400m im Bereich Holzweiler auf die Diskussion um Sicherheitslinien im gesamten rheinischen Revier haben? Ziel der Leitentscheidung ist es, Holzweiler eine positive Entwicklung zu ermöglichen. Entscheidende Rahmenbedingungen für eine positive Entwicklung von Holzweiler schafft vor allem ein sozialverträglicher Abstand des Ortsrandes zum Tagebau wie im Entwurf der Leitentscheidung festgelegt. Um eine positive Entwicklung von Holzweiler zu gewährleisten, ist der Abbaubereich des Tagebaus Garzweiler II so zu verkleinern, dass der Tagebau an Holzweiler nur von zwei Ortsseiten heranrückt und eine Insellage vermieden wird. Die Betriebsphase des Tagebaus dauert an diesem Ort deutlich länger als an anderen Tagebaurandorten im Rheinischen Revier. Die Bewohnerinnen und Bewohner von Holzweiler mussten sich zudem zuvor über einen langen Zeitraum auf eine Umsiedlung einstellen. Mit der Leitentscheidung sind daher die räumlichen Voraussetzungen zu formulieren, die Holzweiler eine positive planerische Perspektive eröffnen. Dazu gehört eine strukturelle Entwicklungsoption für den Ort und die Erhaltung eines umlaufenden Naherholungsgürtels in einem über das immissionsschutzrechtlich und sicherheitstechnisch gebotene Maß hinausgehenden Abstand. Der in dem aktuellen Entwurf der Leitentscheidung vorgegebene Mindestabstand ist daher nicht übertragbar auf die Festlegung der Sicherheitslinie in anderen am Tagebaurand liegenden Ortschaften. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12089