LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12092 30.05.2016 Datum des Originals: 30.05.2016/Ausgegeben: 02.06.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4714 vom 26. April 2016 der Abgeordneten Ingola Schmitz FDP Drucksache 16/11841 Warum ist die Landesregierung nicht bereit, neben presseöffentlichen Werbemaßnahmen für die duale Ausbildung gleichzeitig dann auch ausbildungsplatznahe Ausbildungsgänge an Berufskollegs zu sichern? Wortlaut der Kleinen Anfrage 2014 hat die FDP-Fraktion den Antrag „Duale Ausbildung in der Fläche sichern – Regelungen zu Fachklassen an Berufskollegs an demografischen Wandel anpassen“ vorgelegt, um in Zeiten des demographischen Wandels berufsschulische Ausbildungsangebote in der Fläche zu sichern. Hierbei wollten die Freien Demokraten erreichen, dass die bestehende 16-Regelung der Mindestschüleranzahl bei der Fachklassenbildung aus dem entsprechenden Erlass zur Fachklassenbildung flexibilisiert wird, um erreichbare berufsschulische Angebote der jeweiligen Ausbildungsgänge zu sichern. Die rechtlichen Vorgaben sehen vor, dass die Genehmigung von Fachklassen erlischt, wenn in drei aufeinander folgenden Schuljahren die Anzahl von 16 Schülerinnen und Schülern unterschritten wird. In der Folge werden aufsteigend bei wiederum fehlenden 16 Schülerinnen und Schülern Bezirksfachklassen gebildet, dann regierungsbezirksübergreifende Fachklassen und schließlich länderübergreifende Fachklassen. Auch wenn selbstverständlich ebenfalls bildungsökonomische Aspekte bei der Bereitstellung entsprechender Beschulungsmöglichkeiten zu berücksichtigen sind, stellt der hiermit einhergehende Wegfall ausbildungsplatznaher oder zumindest räumlich unproblematisch zu erreichender Angebote sowohl für Auszubildende als auch für Betriebe und für die Wirtschaft insgesamt ein großes Problem dar. Nach längeren Diskussionen und einer Anhörung, die sehr viel Unterstützung für einen entsprechenden Änderungsbedarf verdeutlicht hat, wurde letztlich jedoch eine Regelung verabschiedet, die keine allgemeine Flexibilisierung eröffnet. Allerdings besteht z.B. die rechtliche Möglichkeit für jahrgangsübergreifende Lerngruppen. Wie prekär diese Situation für Berufskollegs, Auszubildende und Betriebe ist, zeigt sich nun an der Problematik bei der Sicherung des Ausbildungsberufs Goldschmiedin/Goldschmied am Richard-Riemenschmid-Berufskolleg in Köln. Die bisherige, bereits bezirksübergreifende LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12092 2 Fachklasse soll aufgrund von gegenwärtig 10 Auszubildenden zum neuen Schuljahr als regierungsbezirksübergreifende Fachklasse an ein Essener Berufskolleg verlagert werden. Vor Ort wird als Folge der deutlich ansteigenden Entfernungen in diesem Falle nicht nur ein drastischer Rückgang Interessierter befürchtet, sondern letztlich auch der Verlust weiterer Ausbildungsplätze . In Köln und seinem diesbezüglichen Einzugsbereich, also z.B. Aachen, Bonn oder Rhein-Sieg, haben sich daher die Beteiligten aus Kammern und Innungen zusammengefunden und versuchen intensiv, für mehr Ausbildungsplätze zu werben, um so auch die Zahl der Auszubildenden für die Fachklassen zu erhöhen. Damit handelt es sich letztlich um genau die Form des Engagements, das auch von der Politik immer wieder eingefordert wird. Gleichzeitig jedoch scheint die rot-grüne Landesregierung nicht bereit zu sein, dieses Engagement zu unterstützen . Das Ministerium für Schule und Weiterbildung verweigert zum nächsten Schuljahr demnach ein flexibles Vorgehen. Diese Verweigerung wird interessanterweise vom Schulministerium auch mit dem Verweis auf die bestehenden rechtlichen Regelungen begründet, die umfänglich zu flexibilisieren sich Rot-Grün geweigert hat. Das Schulministerium verweigert sich dabei sogar einer rechtlich bereits bestehenden Flexibilisierungsmöglichkeit , deren Anwendung zur Sicherung eines solchen Ausbildungsangebots hilfreich wäre. Um das Angebot vor Ort zu sichern, hat das genannte Berufskolleg seine Bereitschaft bekundet, den berufsschulischen Teil der Ausbildung jahrgangsübergreifend umzusetzen , so dass die Fachklassen mit zwei statt vier Ausbildungsjahrgängen beschult würden. So könnte trotz einer gegenwärtig geringeren Zahl an Auszubildenden als 16 der Ausbildungsberuf in Köln gesichert werden. Hierbei besteht vonseiten der Schule auch die Bereitschaft, ein entsprechendes Beschulungskonzept vorzulegen. Bisher sperrt sich das Ministerium für Schule und Weiterbildung jedoch sogar offenbar gegen die Anwendung dieser Regelung, obwohl sich laut vorliegender Informationen sogar die Kölner Regierungspräsidentin für die Sicherung dieses berufsschulischen Ausbildungsangebots in Köln stark macht. Hierbei wird vonseiten der Schulbehörden auf eine noch nicht erfolgte Änderung in der genannten Erlasslage verwiesen, wenngleich die Regelungen der APO-BK eine solche Möglichkeit bereits vorsehen. Darüber hinaus wird auch auf die Einschränkung „besonders begründeter Ausnahmefälle“ verwiesen , die für eine solche Form der Beschulung gelten würde. Die bisherige starre Haltung ist umso überraschender, als dass nach vorliegenden Informationen eine jahrgangsübergreifende Unterrichtung z.B. in Münster erfolgt. Vor Ort besteht die durchaus berechtigte Sorge, dass mit einer Schließung des Ausbildungsgangs nicht nur dieses regional wichtige Ausbildungsangebot langfristig verschwinden würde. Es bestehen darüber hinaus die bereits angesprochenen Befürchtungen, dass dies nicht nur zu einem sinkenden Interesse bei zukünftigen Auszubildenden aus dem Regierungsbezirk Köln führen wird, sondern aufgrund der mangelnden Attraktivität für ausbildende Betriebe durch die großen Entfernungen für potentielle Auszubildende auch die Zahl der Ausbildungsplätze sinken könnte. Durch das unflexible Vorgehen der Landesregierung würde so nicht nur der Ausbildungsstandort Köln geschädigt. Ebenfalls könnten dringend benötigte Ausbildungsplätze verloren gehen. Wenn das Arbeitsministerium einerseits presseöffentlich Werbekampagnen für die duale Ausbildung startet, andererseits aber das Schulministerium schulische Ausbildungsgänge der dualen Ausbildung durch mangelnde Flexibilität beendet und schlimmstenfalls Ausbildungsplätze verhindert, würde dies nicht nur die Glaubwürdigkeit der Werbemaßnahmen der Landesregierung untergraben, sondern es wäre auch aus bildungspolitischer , sozialpolitischer und ökonomischer Sicht ausgesprochen kontraproduktiv. Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 4714 mit Schreiben vom 30. Mai 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12092 3 Vorbemerkung der Landesregierung Ziel der Landesregierung ist es, auch vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und geänderter Berufswahlentscheidungen die Attraktivität der dualen Ausbildung sowie ortsnahe Beschulungsmöglichkeiten zu sichern. Dazu ist neben bereits existierenden Flexibilisierungsoptionen bei abnehmenden Ausbildungszahlen eine weitere Abfolge von Maßnahmen zur Aufrechterhaltung möglichst ortsnaher Beschulungsstandorte bereits vor Inkrafttreten der APO-BK in 2015 mit allen Akteuren der beruflichen Bildung besprochen worden. Diese haben eine breite Zustimmung erfahren, die auf Wunsch einzelner Akteure sowie der Tradition in der Beruflichen Bildung folgend auch durch eine Empfehlung des Landesausschusses für Berufliche Bildung untermauert werden soll. Ein entsprechender Empfehlungsentwurf wurde im entsprechenden Unterausschuss des Landesausschusses entwickelt und liegt dort zur Abstimmung vor. Der vorgesehene Termin für die Befassung des Landesausschusses ist der 24.06.2016. Der nachfolgend zu aktualisierende Runderlass wird Maßnahmen beinhalten, die über die aktuellen Flexibilisierungsmöglichkeiten hinaus (Unterschreitung der Mindestfrequenz über drei Jahre sowie gemeinsame Beschulung mehrerer affiner Berufe in einer Klasse) weitere flexible Möglichkeiten bieten werden. Dazu werden zunächst das Ausschöpfen aller Möglichkeiten der Kooperation zwischen Standorten, der alternierenden Beschulung an einem Standort, der Nutzung von Anrechnungsoptionen aus der Berufskollegsanrechnungs- und -zulassungsverordnung als vorrangig geprüft und erst nachfolgend die Bildung fachbereichsspezifischer Lerngruppen , befristete Unterschreitung der Mindestfrequenz über die bisherigen Möglichkeiten hinaus sowie als abschließend letzte Option der jahrgangsübergreifende Unterricht vorgesehen . Zu berücksichtigen ist, dass ein wesentlicher Bestandteil des Konzeptes darin besteht, die vorgenannten Maßnahmen in einer klar definierten Abfolge anzuwenden; beginnend mit dem Block der Maßnahmen, die ressourcenschonender sind und kaum Eingriffe in die Bildungsgangdidaktik erfordern hin zu dem Block der Maßnahmen, die mit einer höheren Bindung von Lehrkräften und einer Schwächung des erfolgreichen Prinzips der Bildungsgangdidaktik verbunden sind. In Anwendung der Rechtslage hat Regierungspräsidentin Frau Walsken darauf hingewiesen, dass die Genehmigung der weiteren Beschulung am Standort Köln für den Ausbildungsberuf Goldschmiedin/Goldschmied nur bei einer – wie am ähnlich prekären Standort in Münster bereits erfolgt – deutlichen Erhöhung der Ausbildungsplatzzahlen zum 1.8.2016 von zzt. 7 Auszubildenden in der Unterstufe genehmigt werden kann. 1. Besteht auf Seiten der Landesregierung eine Bereitschaft, über die Frage einer generellen Flexibilisierung der 16-Regelung bei der Bildung von Fachklassen erneut nachzudenken, um an Berufskollegs ausbildungsplatznahe berufsschulische Ausbildungsangebote zu sichern? Siehe Vorbemerkung der Landesregierung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12092 4 2. Warum erachtet es die Landesregierung nicht als sachlich inakzeptabel, dass die Sicherung eines solchen jahrgangsübergreifenden Ausbildungsangebots in Köln demnach da-ran scheitern könnte, dass die Landesregierung den Erlass noch nicht an die bestehenden Vorgaben der APO-BK angepasst hat? Die Sicherung des Ausbildungsangebotes in Köln ist mit den bisher bereits möglichen Flexibilisierungsoptionen , aber auch mit der Erhöhung der Ausbildungsplatzzahlen möglich. Anderenfalls könnte eine regierungsbezirksübergreifende Beschulung am Standort Essen zugesichert werden. 3. Wie genau definiert die Landesregierung inhaltlich die „besonders begründeten Ausnahmefälle“ zur Genehmigung jahrgangsübergreifenden Unterrichts, bei denen das Ministerium für Schule und Weiterbildung bei vorliegendem Konzept diese Unterrichtung in entsprechenden Fachklassen genehmigen würde? 4. Würde die Landesregierung im genannten Fall einer jahrgangsübergreifenden Lösung an dem Kölner Berufskolleg zum kommenden Schuljahr zustimmen, wenn die Schule ein entsprechendes Konzept vorlegen würde? Ein „besonders begründeter Ausnahmefall“ kann nur dann vorliegen, wenn nachvollziehbar dargelegt worden wäre, dass die sonstigen Optionen (s. Vorbemerkung) nicht wirksam gewesen sind oder es sich um den einzigen Standort in Nordrhein-Westfalen handelt. 5. Warum widerspricht sich die Landesregierung aus eigener Sicht nicht selber, wenn das Arbeitsministerium einerseits nun Werbekampagnen für die duale Ausbildung startet, andererseits aber das Schulministerium durch mangelnde Flexibilität die Sicherung entsprechender Ausbildungsmöglichkeiten vor Ort verhindert? Siehe Vorbemerkung. Darüber hinaus trägt die Kampagne „In drei Jahren Weltklasse. Die Ausbildung. Weltklasse aus NRW“ dazu bei, Vorteile und Wert einer dualen Ausbildung allgemein in das Bewusstsein von Schülerschaft und Eltern zu heben und die duale Ausbildung als zukunftsfähige Perspektive neben dem Studium anzuerkennen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12092