LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12095 30.05.2016 Datum des Originals: 30.05.2016/Ausgegeben: 02.06.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4711 vom 25. April 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/11838 Beteiligung von Asylbewerbern an den Kosten für Unterkunft und Verpflegung mit eigenem Vermögen Wortlaut der Kleinen Anfrage Aktuell berichten verschiedene Medien, dass die Bundespolizei im vergangenen Jahr Flüchtlingen Bargeld in Höhe von insgesamt 349.438,97 Euro abgenommen habe. Die Bundesbeamten stellten das Geld bei Durchsuchungen von Asylsuchenden sicher. Die Gesamthöhe basiere auf vorläufigen Berechnungen. Die Behörden von Bund und Ländern können von Asylsuchenden Sicherheitsleistungen einbehalten, um die Kosten von Abschiebungen (§ 66 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG) oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (§ 7a AsylbLG) zu decken. Eine Sicherheitsleistung für Kosten, die durch die Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung entstehen (vgl. § 66 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG) kann von der gemäß § 71 AufenthG zuständigen Behörde verlangt werden (vgl. Ziff. 66.5.1. Verwaltungsvorschrift zum AufenthG). Im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) gilt der Grundsatz der Selbsthilfe. Nach dem AsylbLG sind daher – wie auch im Zweiten und Zwölften Sozialgesetzbuch – verfügbares vorhandenes Einkommen und Vermögen von dem Leistungsberechtigten und seinen Familienangehörigen, die im selben Haushalt leben, vor Eintritt von Leistungen nach dem AsylbLG aufzubrauchen. Wenn feststeht, dass die Leistungsberechtigten über vorhandenes Vermögen verfügen, kann gemäß § 7a des AsylbLG wegen der ihnen und ihren Familienangehörigen zu gewährenden Leistungen Sicherheit verlangt werden, soweit das Vermögen nach § 7 AsylbLG anrechenbar ist. Zuständig für die Anordnung dieser Sicherheitsleistung sind die Träger des AsylbLG. Mit den sogenannten „Sicherheitsleistungen“ sollen demnach der Aufenthalt und die eventuelle Rückreise der Flüchtlinge finanziert werden. Laut Bundesinnenministerium dürfen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12095 2 Flüchtlinge bei der Einreise nur bis zu 200 Euro pro Person als Vermögensfreibetrag behalten. Zusätzlich zum allgemeinen Vermögensfreibetrag sind nach § 7 Absatz 5 AsylbLG solche eigenen Vermögensgegenstände nicht zu verwerten, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind. So bleiben etwa Gegenstände wie Schutzkleidung, Werkzeuge, Mobiltelefon und ähnliches außer Betracht, wenn sie dem o. g. Ziel dienen. Diese Regelung erlaubt jedoch keine Neufestsetzung der Vermögensfreibetragsgrenze, sondern verlangt eine Prüfung im Einzelfall. Eine dem § 90 Absatz 2 Nummer 6 SGB XII vergleichbare Freilassung für Familien- und Erbstücke kennt § 7 AsylbLG nicht. Im Januar hatte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann erklärt, dass Asylbewerber auch in Bayern bei der Ankunft in Aufnahmeeinrichtungen auf Dokumente, Wertsachen und Geld durchsucht würden und dazu weitere Details genannt. In Bayern können Barvermögen und Wertsachen demnach oberhalb einer Grenze von 750 Euro einbehalten werden. In Baden- Württemberg gilt eine Freigrenze von 350 Euro, in Hessen laut anderen Berichten von 200 Euro. In Baden-Württemberg zum Beispiel wird das eingezogene Geld mit fälligen Sozialleistungen verrechnet. Ähnlich verfahren andere Bundesländer. Die Umsetzung des Gesetzes ist Ländersache. Deshalb gibt es auch keine bundeseinheitlichen Freibeträge. Auch Nordrhein-Westfalen setzt nach Angaben des Innenministeriums die Gesetzgebung durch den Bund um. Flüchtlinge müssen also ihr Bargeld bis auf einen Restbetrag von 200 Euro abgeben. Wertgegenstände wie Schmuck oder teure Smartphones dürfen sie jedoch behalten. Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministeriums gebe es nur "ganz wenige Fälle" von Flüchtlingen, die größere Geldbeträge bei sich haben. Sie werden bei der Ankunft in der Flüchtlingsunterkunft gefragt, ob sie Bargeld dabei haben. Durchsuchungen - wie in Bayern - gebe es in Nordrhein-Westfalen aber nicht. Die Kosten von Unterkunft und Verpflegung werden im Übrigen mit dem eingezogenen Geld verrechnet. Verlassen Asylbewerber Deutschland, bevor das Geld aufgebraucht ist, erhalten sie den Rest zurück. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4711 mit Schreiben vom 30. Mai 2016 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie gestaltet sich konkret in Nordrhein-Westfalen der Vollzug des AsylbLG bei der Vermögensanrechnung? Im Asylbewerberleistungsgesetz gilt der Nachranggrundsatz. Danach sind staatliche Leistungen nur dann zu gewähren, wenn Asylbewerbern und ihnen gleichgestellten Ausländern die Deckung des Lebensunterhalts nicht aus eigenen Mitteln möglich ist. Das verfügbare Vermögen ist von einer leistungsberechtigten Person und seinen bzw. ihrer Familienangehörigen, die im selben Haushalt leben, vor Eintritt von Leistungen nach dem AsylbLG grundsätzlich aufzubrauchen (Einsatzpflicht). Um festzustellen, ob und in welchem Umfang (Bar-)Vermögen vorhanden ist, unterliegen alle leistungsberechtigten Personen nach dem AsylbLG gesetzlichen Mitwirkungspflichten. Hierzu zählt u.a. die Offenlegung, ob und in welchem Umfang Vermögen vorhanden ist. Das Land fordert die Mitwirkungspflicht aktiv ein. Alle Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG erhalten bei der Registrierung in der Regel einen Fragebogen. Der Bogen fragt verschiedene Informationen ab. Dazu zählen u.a. der aktuelle Gesundheitszustand, eine Frage nach Medikamenten , nach Personaldokumenten, nach Gepäck und ob und in welchem Umfang (Bar- )Vermögen vorhanden ist. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12095 3 Sofern feststeht, dass Vermögen vorhanden ist, kann gem. § 7a AsylbLG von Leistungsberechtigten wegen der ihnen und ihren Familienangehörigen zu gewährenden Leistungen Sicherheit verlangt werden. Das Einbehalten des vorhandenen Vermögens erfolgt nach § 7a AsylbLG durch Vollstreckung eines zugrundliegenden Verwaltungsaktes. Im Zuge der Vollstreckung der Anordnung einer Sicherheitsleistung kann es unter strenger Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Einzelfällen zu Durchsuchungen von Personen kommen . 2. Welche Maßnahmen sind in Nordrhein-Westfalen den jeweiligen Behörden auf Landes- oder Kommunalebene gestattet, um das Vorhandensein von Barmitteln oder Wertgegenständen festzustellen? Hierzu wird zunächst auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Ab dem Zeitpunkt der Zuweisung einer nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) leistungsberechtigten Person in eine Kommune, vollziehen die Kommunen die Ausführung des AsylbLG vollständig in eigener Zuständigkeit (pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe). Den Behörden auf Kommunalebene stehen die gleichen gesetzlichen Maßnahmen bzgl. der Umsetzung der §§ 7, 7a AsylbLG zur Verfügung wie den Behörden auf Landesebene. 3. In welcher Höhe wurden in Landeseinrichtungen im Jahr 2015 Sicherheitsleistungen erhoben - bitte differenziert nach Bargeld und Wertgegenständen? Im Jahr 2015 wurden in Landeseinrichtungen Sicherheitsleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von ca. 113.000,- EUR erhoben. Alle Sicherheitsleistungen erfolgten in Form von Bargeld. Sicherheitsleistungen in Form von Wertgegenständen erfolgten nicht. Aufgrund der sehr hohen Zugänge an Flüchtlingen nach Nordrhein-Westfalen im Jahr 2015 hatte die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge oberste Priorität. Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei leistungsberechtigten Personen nach dem AsylbLG nicht in jedem Einzelfall eine Befragung nach vorhandenem (Bar-)Vermögen erfolgt ist. Mit Einführung des Regelsystems zur Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen in Nordrhein-Westfalen sollen die gesetzlichen Maßgaben der Erhebung von Sicherheitsleistungen standardisiert in den Regelprozess der Unterbringung von Flüchtlingen integriert werden. 4. In welcher Höhe beteiligten sich Asylsuchende im vergangenen Jahr mit Sicherheitsleistungen an den eigenen Kosten für Unterkunft und Verpflegung oder an den Kosten einer Rückführung mit eigenem Vermögen? Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung von Asylsuchenden entstehen beim Land sowie den Kommunen. Eine Aussage über die Gesamthöhe der Beteiligung von Asylsuchenden im Jahr 2015 an den Kosten für Unterkunft und Verpflegung kann nicht getroffen werden, da dem Land keine Informationen vorliegen, ob und in welchem Umfang die Kommunen Asylsuchende an den Kosten für Unterkunft und Verpflegung beteiligt haben. Eine gemeinsame Statistik zu dieser Frage existiert nicht. Die Kosten der Abschiebung werden gem. §§ 67 Abs. 3, 71 Abs. 1 AufenthG durch die zuständige Ausländerbehörde durch Leistungsbescheid in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten erhoben. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12095 4 Im Rahmen der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit ist die Ermittlung der tatsächlichen Kostenbeteiligung unter Beteiligung sämtlicher 84 Ausländerbehörden in Nordrhein-Westfalen nicht mit verhältnismäßigem Aufwand möglich. 5. In welcher Höhe wurden einbehaltene Vermögen von Asylsuchenden über die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes wieder zurückgegeben? Für die Dauer des Aufenthaltes in Landeseinrichtungen erfolgte keine Rückgabe von vereinnahmten Vermögen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Dazu, ob und in welchem Umfang vereinnahmtes Vermögen durch die Kommunen an Asylsuchende zurückgegeben worden ist, liegen dem Land keine Informationen vor. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12095