LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12149 02.06.2016 Datum des Originals: 02.06.2016/Ausgegeben: 07.06.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4709 vom 22. April 2016 der Abgeordneten Dr. Anette Bunse CDU Drucksache 16/11836 Beschulungssituation von Flüchtlingskindern Wortlaut der Kleinen Anfrage Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung berichtet am 13. April 2016 in ihrem Lokalteil Bottrop aus dem Schulausschuss der Stadt Bottrop am 12. April 2016 hinsichtlich der Beschulungssituation von Flüchtlingskindern wie folgt: „(…) Und das stellt die Stadt derzeit vor ein gravierendes Problem. Am Berufskolleg gibt es nämlich derzeit eine lange Warteliste von 46 Schülern zwischen 16 und 18 Jahren, die aufgenommen werden müssten, zum Teil ja auch noch schulpflichtig sind, aber nicht können, weil es für sie keinen Platz gibt. Die beiden im Herbst gebildeten Internationalen Förderklassen am Berufskolleg sind nämlich längst voll. Die Gymnasien und Gesamtschulen aber dürfen die Schüler nicht aufnehmen. Die Schülerinnen und Schüler sind berufsschulpflichtig und dürfen deshalb nur am Berufskolleg beschult werden. Das wird ab Mai seine Kapazitäten erweitern und eine dritte Internationale Förderklasse einrichten. Dafür werden die Lehrer am Berufskolleg Überstunden machen müssen, erklärte der Erste Beigeordnete, weil es nämlich keine zusätzlichen Lehrer geben wird, der Markt ist nämlich leer gefegt. (…)“ Es ist bekannt, dass Städte und Gemeinden das erforderliche Schulraumangebot zur Beschulung von Kindern und Jugendlichen stellen müssen. Für die Versorgung mit dem notwendigen Lehrpersonal ist das Land in der Pflicht. Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 4709 mit Schreiben vom 2. Juni 2016 namens der Landesregeirrung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales und der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12149 2 Vorbemerkung der Landesregierung Dem Recht auf Bildung für alle zugewanderten Kinder und Jugendlichen, unabhängig vom Aufenthaltsstatus, trägt das Land Nordrhein-Westfalen mit umfangreichen Maßnahmen Rechnung . Die anhaltende Zuwanderung durch flüchtende Menschen sowie EU-Binnenwanderung stellt alle Beteiligten, nicht nur die Teilnehmenden am Bildungssystem in Nordrhein-Westfalen vor große Heraus-forderungen. Alle Behörden auf staatlicher und kommunaler Ebene sowie auf den Regierungsebenen des Bundes und der Länder stehen vor der Herausforderung, Maßnahmen für die Integration von Geflüchteten zu konzipieren, obwohl die Anzahl und Zeitpunkte der Zuwanderung nicht prognostizierbar sind. Integration durch Bildung ist eine Aufgabe jeder einzelnen Schule in ihrer Gesamtheit. Das gemeinsame Unterrichten von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Zuwanderungsgeschichte schafft gegenseitiges Verständnis und leistet einen ausgewiesenen Beitrag für die schulische und gesellschaftliche Integration. Das Land Nordrhein-Westfalen bietet hierzu strukturell gute Voraussetzungen für eine sachgerechte Integration der bei uns Zuflucht suchenden Kinder und Jugendlichen auf der Grundlage des Teilhabe- und Integrationsgesetzes vom Februar 2012 und der Erlasse vom Juni 2012 zur Ausgestaltung der Kommunalen Integrationszentren (KI) und zur Weiterentwicklung der Integrationsstellen . 1. Ist der Landesregierung die pädagogische Unterversorgung von schulpflichtigen Flüchtlingskindern, d.h. der nicht erteilte Unterricht, in Kommunen des Landes NRW bekannt? (Bitte einzeln nach Kommunen aufschlüsseln) Die Schulaufsicht, die Schulleitungen sowie Schulträger sorgen dafür, dass die Beschulung so schnell wie möglich erfolgt. Dabei kann es temporär zu Engpässen kommen, die sich aber bisher nach Übergangszeiten haben lösen lassen. Eine systematische Erfassung solcher Engpässe wird nicht vorgenommen. 2. Nimmt die Landesregierung hin, dass es Flüchtlingskinder gibt und in Zukunft geben wird, die trotz bestehender Schulpflicht und einem daraus abzuleitenden Schulrecht nicht beschult werden? Nein. Alle zugewanderten schulpflichtigen Flüchtlingskinder, unabhängig vom Aufenthaltsstatus , müssen beschult werden. 3. Welches Bildungsangebot sieht das Land für diese Kinder und Jugendlichen vor? Die Landesregierung ermöglicht den Kindern und Jugendlichen aus Flüchtlingsfamilien oder vergleichbaren Situationen grundsätzlich den Zugang zu allen Bildungsangeboten. Die schulische Betreuung von Kindern und Jugendlichen, die aufgrund fehlender Deutschkenntnisse nicht durchgehend am Regelunterricht teilnehmen können, wird u.a. in eigenen Sprachfördergruppen realisiert mit dem Ziel der schnellstmöglichen schrittweisen vollständigen Teilnahme am Regel-unterricht. In Berufskollegs werden in Absprache mit dem Schulträger und der oberen Schulaufsicht Internationale Förderklassen eingerichtet. Die Internationalen Förderklassen sind Bestandteil des vollzeitschulischen Bildungsganges der Ausbildungsvorbereitung und bieten berufsschulpflichtigen Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichte die Möglichkeit, berufliche Kenntnisse, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12149 3 Fähigkeiten, Fertigkeiten und berufliche Orientierung sowie einen dem Hauptschulabschluss gleichwertigen Abschluss zu erwerben. Das Land investiert erhebliche Mittel, um die Schulen mit zusätzlichen Ressourcen auszustatten . Für 2015 und 2016 wurden insgesamt 5.766 zusätzliche Stellen für die Beschulung von zugewanderten Schülerinnen und Schülern beschlossen. Davon werden 4.124 Stellen für die Abdeckung des erhöhten Grundbedarfs der Schulen eingesetzt. Diese Stellen kommen allen Schülerinnen und Schülern zugute, da diese Lehrkräfte für die allgemeinen Klassen vorgesehen sind. In der Gesamtsumme enthalten sind 1.200 zusätzliche Integrationsstellen für die Sprachförderung. Diese Integrationsstellen sind für Lehrerinnen und Lehrer mit Kenntnissen im Bereich Deutsch als Zweitsprache oder Deutsch als Fremdsprache vorgesehen . Sie sollen Kinder und Jugendliche aus Flüchtlingsfamilien oder in vergleichbaren Lebenssituationen in kleinen Gruppen in Deutsch unterrichten. Damit können die Bezirksregierungen für die durchgängige Sprachbildung und die interkulturelle Schulentwicklung (dazu zählt auch die Beschulung von schulpflichtigen zugewanderten Kindern und Jugendlichen) auf landesweit insgesamt 4.728 Integrationsstellen zurückgreifen. 255 Stellen werden für die Offene Ganztagsschule zusätzlich eingesetzt. Hinzu kommen zusätzliche Mittel in Höhe von 19,2 Millionen Euro für Fachkräfte außerschulischer Träger. In der Offenen Ganztagsschule stehen damit in 2016 insgesamt 17.500 Plätze (von insgesamt 305.100 Plätzen) für Flüchtlingskinder zur Verfügung. Weitere Stellen sind für Kommunale Integrationszentren (10), multiprofessionelle Teams (113), Schulpsychologinnen und Schulpsychologen (20), Fachberaterinnen und Fachberater (40) bei der unteren und oberen Schulaufsicht, Moderatorinnen und Moderatoren für die Lehrerfortbildung (4) eingesetzt. Für zusätzliche Angebote zur Deutschförderung für neu zugewanderte Erwachsene und Jugendliche ab 16 Jahren stellt das Land ab 2016 2,25 Millionen Euro Weiterbildungsmittel zur Verfügung. Das sind 1,75 Millionen Euro mehr als 2015. Eine weitere Million Euro werden für Aushilfen im Bereich „Integration durch Bildung“ bereitgestellt, um auch die Schulen zu unterstützen, die nur vereinzelt Flüchtlingskinder aufnehmen und daher nicht an den Stellen für Vorbereitungs- und Auffangklassen partizipieren. Die Mittel sind insbesondere für nebenamtliche oder geringfügige Honorarverträge vorgesehen. 4. Wie viele Pensionäre wurden zum Schuljahr 2015/16 im Lehrdienst gehalten bzw. erneut eingestellt, um die oben beschriebene Mangelsituation im Land zu entschärfen ? Es liegen keine Zahlen darüber vor, wie viele Lehrkräfte, die im Schuljahr 2015/2016 die gesetzliche Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand erreicht haben, auf ihren Antrag oder mit ihrem Einverständnis darüber hinaus im Schuldienst beschäftigt sind oder werden. Ebenso wenig wird generell statistisch erfasst, wie viele Pensionärinnen, Pensionäre, Rentnerinnen und Rentner zur Deckung der Unterrichtsversorgung im Rahmen von befristeten Tarifbeschäftigungsverhältnissen tätig sind. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12149 4 5. Ist es zutreffend, dass die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern – hier die Flüchtlinge – in die Sekundarstufe II der Gymnasien und Gesamtschulen nicht möglich ist und deren Beschulung nur an Berufskollegs erfolgen kann? Die Aufnahme in die gymnasiale Oberstufe an Gymnasien und Gesamtschulen ist identisch geregelt: Voraussetzung ist der Erwerb der „Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe “. Diese Bedingung setzt bundesweit gültige KMK-Vereinbarungen zur gymnasialen Oberstufe um. Insofern können in den gymnasialen Oberstufen zugewanderte Jugendliche dann aufgenommen werden, wenn in einer Einzelfallprüfung durch die obere Schulaufsicht festgestellt wird, dass ein erfolgreicher Durchgang durch die gymnasiale Oberstufe zu erwarten ist. Die Bezirksregierungen sind mit zahlreichen Einzelfallprüfungen dieser Art auf der Grundlage von schulischen Eingliederungsvorschlägen befasst und sprechen solche Ausnahmegenehmigungen unter den genannten Einschätzungen aus. Die Beschulung von jugendlichen geflüchteten Migrantinnen und Migranten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erfolgt im Berufskolleg im Rahmen der Schulpflicht gemäß § 34 Abs. 6 SchulG in Verbindung mit § 38 SchulG (Schulpflicht in der Sekundarstufe II) in der Internationalen Förderklasse im Bildungsgang Ausbildungsvorbereitung (Vollzeitform) gemäß § 21 Abs. 3 APO-BK Anlage A, sofern keine Fachklassen des dualen Systems besucht werden. Es besteht für die Jugendlichen, die den Hauptschulabschluss Klasse 9 nicht erreicht haben, die Option, die Klasse zu wiederholen oder in eine Regelklasse der vollzeitschulischen Ausbildungsvorbereitung aufgenommen zu werden. Auch nicht mehr schulpflichtige junge Flüchtlinge können in den teilzeitschulischen Bildungsgang der Ausbildungsvorbereitung aufgenommen werden, wenn sie an einer beruflichen Bildungsmaßnahme der Bundesagentur für Arbeit (BA) teilnehmen. Hier sind die berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen der BA und die Förderzentren für Flüchtlinge (FfF) zu nennen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12149