LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12150 02.06.2016 Datum des Originals: 02.06.2016/Ausgegeben: 07.06.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4749 vom 3. Mai 2016 des Abgeordneten Rainer Deppe CDU Drucksache 16/11948 Wie ist es genau um den Zustand der Artenvielfalt in Nordrhein-Westfalen bestellt? Wortlaut der Kleinen Anfrage Nach Veröffentlichungen des Umweltministeriums, z.B. Pressemeldung vom 01.03.2016 zum internationalen Tag des Artenschutzes, finden sich Schlagzeilen wie „45 Prozent der Arten in NRW sind vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben“. Diese Aussage wird vom Umweltministerium bei allen Debatten rund um das Thema Biodiversitätsstrategie oder dem neuen Landesnaturschutzgesetz für Nordrhein-Westfalen stetig postuliert . Der Eindruck entsteht, dass die jahrzehntelangen Naturschutzbemühungen und die damit verbundenen finanziellen Mittel letztendlich keine positiven Effekte zum Artenschutz beitragen konnten. Wesentliche Erkenntnisse zur Berechnung dieser 45% werden wohl aus der „Roten Liste“ und begleitend aus weiteren wissenschaftlichen Erhebungen gewonnen. Laut Aussagen des renommierten Geobotanikers Prof. Dr. Wolfgang Schumacher gelten derzeit nicht 45 Prozent sondern ca. 15 Prozent der Arten in NRW als vom Aussterben bedroht oder sind ausgestorben. Die daraus resultierende Differenz von 30% kann kaum durch unterschiedliche Bewertungsmethoden zu begründen sein. Zu diesen Differenzen erklärte das Ministerium, es habe mit den unzutreffenden Verlautbarungen „für das Problem sensibilisieren wollen“, da auf „keinem Fall das Bewusstsein in der Bevölkerung dafür verloren gehen dürfe, dass es gelte, den Verlust der Artenvielfalt zu stoppen.“ Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4749 mit Schreiben vom 2. Juni 2016 namens der Landesregierung beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12150 2 Vorbemerkung der Landesregierung Die Gefährdung heimischer Arten wird in den sogenannten Roten Listen der gefährdeten Pflanzen-, Pilz- und Tierarten dokumentiert. Rote Listen sind ein Gradmesser für den Zustand von Fauna und Flora. Hierdurch wird auch der Handlungsbedarf im Artenschutz ermittelt. Sie werden in Nordrhein-Westfalen seit dem Jahr 1979 in einem Abstand von etwa 10 Jahren unter Federführung des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) erarbeitet . Mit der Roten Liste der gefährdeten Pflanzen, Pilze und Tiere NRW aus dem Jahr 2011 liegt für zahlreiche Artengruppen die aktuellste Zusammenstellung vor, sodass die Beantwortung der Kleinen Anfrage auf dieser Grundlage erfolgt. In der in der Kleinen Anfrage 4749 angesprochenen Pressemitteilung des Umweltministeriums NRW vom 01.03.2016 ist das Gesamtergebnis der Roten Liste mit den unterschiedlichen Einzelkategorien und Werten in der Überschrift zusammengefasst wiedergegeben worden und wird im Text differenziert dargestellt. Richtig ist die Formulierung, dass etwa 45 Prozent der untersuchten Arten auf der Roten Liste NRW stehen. In diesem Sinne ist der Sachverhalt im Text der betreffenden Pressemitteilung so auch zutreffend dargestellt worden. 1. Wie hoch ist in Nordrhein-Westfalen der Anteil der Arten, die vom Aussterben bedroht oder ausgestorben sind? In Nordrhein-Westfalen sind von den in der Roten Liste der gefährdeten Pflanzen, Pilze und Tiere im Jahr 2011 bewerteten 11. 677 Arten rund 7,2 % der Arten als „vom Aussterben bedroht “ aufgeführt. Der Anteil der „ausgestorbenen oder verschollenen Arten“ beträgt 8,2 %. Die Veränderung der Gefährdungskategorien lässt sich nur im direkten Vergleich der letzten vier Roten Listen aus den Jahren 1979, 1986, 1999 und 2011 sinnvoll beurteilen. Hierbei können nur diejenigen Artengruppen betrachtet werden, die durchgehend in allen vier Roten Listen bearbeitet wurden. Diese Auswertung wurde im Rahmen des NRW-Umweltberichtes 2013 mit dem Umweltindikator „Gefährdete Arten in NRW“ vorgenommen. Unter den rund 3.000 auswertbaren Arten lag der Anteil der „vom Aussterben bedrohten“ Arten bei 8,8 % (1979), ist auf 10,9 % (1986) angestiegen und danach wieder auf 9,1 % (1999) zurückgegangen um mit 8,7 % (2011) in etwa wieder den Ausgangswert zu erreichen. Bei den „ausgestorbenen oder verschollenen Arten“ ist der Anteil im selben Zeitraum von 5,0 % (1979) über 6,3 % (1986) und 8,2% (1999) auf 9,4 % (2011) kontinuierlich und dabei deutlich angestiegen. (Quelle: https://www.umwelt.nrw.de/extern /epaper/2013/umweltbericht_nrw_2013/#/112/). 2. Wie hoch liegt der Anteil der Arten, die in ihrem Bestand als gefährdet gelten? Neben den in der Antwort auf Frage 1 genannten Gefährdungskategorien werden in der Roten Liste NRW (2011) weitere Kategorien aufgeführt. Bei den „stark gefährdeten Arten“ liegt der Anteil bei 9,8 %. Der Anteil „gefährdeter Arten“ wird auf 10,9 % beziffert. Bei Arten mit einer „Gefährdung unbekannten Ausmaßes“ liegt der Anteil bei 0,7 %. Der Anteil Arten, die „durch extreme Seltenheit (potentiell) gefährdet“ sind, beträgt 8,3 %. Insgesamt werden damit in der Roten Liste NRW (2011) gemeinsam mit den in der Antwort auf Frage 1 angegebenen Zahlen 45,1 % der Arten in der Roten Liste NRW geführt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12150 3 3. Welche Arten haben sich im Erhaltungszustand in Nordrhein-Westfalen seit 10 Jahren verbessert? (bitte einzeln aufführen) Nach Auswertung der Roten Liste der gefährdeten Pflanzen, Pilze und Tiere NRW (2011) hat sich im Vergleich zur Roten Liste NRW (1999) zum Beispiel bei folgenden bekannten Arten die Gefährdungssituation verbessert: Säugetiere: Biber, Feldhase, Fischotter, Wildkatze Vögel: Heidelerche, Mittelspecht, Uhu, Rotmilan, Schwarzstorch Kriechtiere: Mauereidechse Amphibien: Moorfrosch Fische: Bachforelle, Bachneunauge, Lachs Pflanzen: Geflecktes Knabenkraut, Hirschzunge, Froschkraut, Schnabel-Segge, Braunes Schnabelried, Zwerg-Filzkraut. Angesichts der 11.677 Arten, die in der Roten Liste NRW (2011) bewertet wurden, wird aufgrund des nicht vertretbaren Arbeitsaufwandes für eine vollständige Auswertung auf die tabellarische Aufbereitung der Roten Liste NRW im Internet verwiesen. Aus dem direkten Vergleich der Gefährdungskategorien der Jahre 1999 und 2011 lassen sich die Arten ermitteln, deren Bestand sich verbessert hat. Dies sind einige hundert Arten. (Quelle: www.lanuv.nrw.de/natur /arten/roteliste/). Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass die Artenvielfalt weiterhin bedroht ist. So sind beispielhaft auch die Arten zu benennen, deren Gefährdungssituation weiterhin besteht bzw. sich verschlechtert hat: • Säugetiere: Baummarder, Breitflügelfledermaus, Gartenschläfer, Haselmaus, Zwergmaus • Vögel: Feldlerche, Grauammer, Grauspecht, Pirol, Turteltaube, Uferschnepfe, Wiesenpieper , Ziegenmelker • Amphibien: Geburtshelferkröte • Fische: Aal, Äsche • Pflanzen: Ackerhohlzahn, Lämmersalat, Leberblümchen, Pyramiden-Günsel, Sichelmöhre , Stängellose Kratzdistel, Tannenwedel, Wiesen-Glockenblume. 4. Welche weiteren Themen werden durch das Umweltministerium bewusst unkorrekt dargestellt, um ein von der Landesregierung gewünschtes Bewusstsein in der Bevölkerung zu erzeugen? Das Umweltministerium NRW stellt Themen nie bewusst unkorrekt dar. Vielmehr ist die korrekte Wiedergabe von wissenschaftlichen Untersuchungsergebnissen die Grundlage und Voraussetzung für fachpolitische Entscheidungen des Umweltministeriums NRW. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12150