LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12182 06.06.2016 Datum des Originals: 06.06.2016/Ausgegeben: 09.06.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4746 vom 9. Mai 2016 des Abgeordneten Thomas Nückel FDP Drucksache 16/11943 Aktueller Blitzmarathon trotz Personalknappheit bei der Gelsenkirchener Polizei – Wie sehen Personaleinsatz und Erfolge der neuerlichen PR-Aktion des Innenministers konkret im Gebiet der Stadt Gelsenkirchen aus? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der sogenannte Blitzmarathon ist eine von dieser Landesregierung beauftragte polizeiliche Aktion zur Bekämpfung der Hauptunfallursache "überhöhte Geschwindigkeit" auf unseren Straßen. Die Premiere von Blitzmarathon-Aktionen fand am 10. Februar 2012 landesweit in Nordrhein-Westfalen statt. Innenminister Ralf Jäger hat die Aktion seinerzeit initiiert und als Teil der im November 2011 gestarteten Kampagne ‚Brems Dich – rette Leben!’ der Polizei gegen die Anzahl von Geschwindigkeitsunfällen begründet. Es folgten 24-Stunden- Blitzmarathons bereits am 3. Juli 2012, am 24. Oktober 2012, am 4. Juni 2013 sowie am 10.Oktober 2013, am 8. April 2014, am 18. September 2014 und am 16. April 2015. Der für den Herbst 2015 angedachte Blitzmarathon fiel wegen Arbeitsüberlastung der Polizei aus. Und nun wurde das Event am 21. April 2016 erneut durchgeführt, jedoch auf den Zeitraum von 6 bis 22 Uhr verkürzt. Anders als Innenminister Jäger bezweifelt die FDP-Landtagsfraktion die nachhaltigen Erfolge landesweit, aber auch für die Stadt Gelsenkirchen, und hält unverändert an der Kritik fest, dass der überdimensionierte Einsatz wertvoller Polizeiressourcen für angekündigte Tempokontrollen in keinem vertretbaren Verhältnis zum Nutzen steht. Bei einigen Blitzmarathons wurden die Bürger zudem aufgefordert, ‚Wutpunkte‘ für Stellen zu vergeben und zu melden, an denen sie sich über andere Verkehrsteilnehmer ärgern. An diesen Stellen wurde im Rahmen der Blitzmarathons dann schwerpunktmäßig kontrolliert. Diese Aufrufe an die allgemeine Bevölkerung, ‚Wutpunkte ́ zu benennen, stimmt befremdlich und befördert eine bedenkliche Kultur des Denunziantentums unter Nachbarn. Fraglich ist hingegen, wann vergleichbare ‚Wutpunkte‘ benannt werden sollen zu Örtlichkeiten, die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12182 2 beispielsweise von Vandalismus, Graffiti-Schmierereien oder anderen Straftaten besonders betroffen sind und dann eine schwerpunktmäßige polizeiliche Präsenz erfahren. Zielsetzung von sachgerechten Verkehrskontrollen sollte stets eine höhere Verkehrssicherheit sein. Beim siebten Blitzmarathon wurden sogar Schulkinder aufgefordert, entsprechende Messstellen zu identifizieren und Messungen durchzuführen. Deren Ergebnisse konnten jedoch polizeilich nicht rechtlich verwertet werden. Anzumerken ist, dass sich einige Bundesländer entschieden haben, in diesem Jahr aus der Aktion auszusteigen, wie beispielsweise die Rheinische Post am 21. April 2016 berichtet: „In Baden-Württemberg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Mecklenburg- Vorpommern und dem Saarland wird in diesem Jahr nicht im großen Stil geblitzt. In Niedersachsen wird der Besuch von US-Präsident Barack Obama am kommenden Sonntag als Grund angegeben. Zudem steht Innenminister Boris Pistorius (SPD) den verstärkten Geschwindigkeitskontrollen der Polizei grundsätzlich skeptisch gegenüber. In Rheinland-Pfalz wurde die Blitzaktion im Vergleich mit anderen Themen wie der Terrorgefahr als weniger wichtig eingestuft. Auch die Gewerkschaft der Polizei NRW hält die Einschränkung der personalintensiven Aktion für richtig. Im Saarland wird die Absage mit einer Verdi- Demonstration mit 3.000 Teilnehmern am Donnerstag begründet.“ Insbesondere vor dem Hintergrund des enormen Ressourceneinsatzes sowie der Tatsache, dass landesweit dafür Tausende Polizisten regelmäßig weit wichtigeren Arbeiten bei der Kriminalitätsbekämpfung in dieser Zeit nicht nachgehen können, ist stets eine transparente Evaluation sowie eine umfängliche Information des Parlamentes über die Nachhaltigkeit und den objektiven Nutzen dieser Vorgehensweise dringend geboten. Um denkbaren Missverständnissen vorzubeugen: Wer andere Verkehrsteilnehmer durch überhöhte Geschwindigkeit und rücksichtslose Fahrweise gefährdet, gehört dafür bestraft. Gerade unangekündigte Aktionen dürften aber erkennbar besser geeignet sein, um diese eher kleine Anzahl an „schwarzen Schafen“ unter den Fahrern in der großen Allgemeinheit verantwortungsvoll handelnder Verkehrsteilnehmer zu identifizieren. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4746 mit Schreiben vom 6. Juni 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Zu den Grundlagen und bisherigen Ergebnissen des Einsatzkonzeptes des „24-Stunden-Blitz- Marathons“ verweise ich auf meine Antworten zu den fast gleichlautenden Kleinen Anfragen 3344 (LT-Drs 16/8493) und 2735 (LT-Drs 16/6932). Ausweislich der Vorbemerkungen des Fragestellers bewertet dieser den Erfolg des Einsatzkonzeptes des „24-Stunden-Blitz-Marathons“ nach wie vor ausschließlich an Hand der Anzahl repressiver Maßnahmen. Eine solche Betrachtung berücksichtigt nicht die vorrangig präventive Zielrichtung des Einsatzkonzeptes und darüber hinaus der gesamten polizeilichen Verkehrssicherheitsarbeit in Nordrhein-Westfalen. Der Verfasser der Kleinen Anfrage stellt wie schon in den vorangegangen Anfragen fest, dass „unangekündigte“ Geschwindigkeitsmessungen „besser geeignet sein dürften“. Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen jedoch, dass die Verkehrssicherheit am wirksamsten mit einer Kombination aus mehr Kontrollen, gezielter Öffentlichkeitsarbeit und Transparenz verbessert werden kann. Der Blitz-Marathon wirkt nachhaltig und flächendeckend. Das ist das LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12182 3 Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie des Instituts für Straßenwesen der Rheinisch- Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. Der Schutz der Menschen hat für die Landeregierung oberste Priorität. Innere Sicherheit ist nicht teilbar. Neben den Herausforderungen der Inneren Sicherheit wie dem internationalen Terrorismus oder der Kriminalitätsentwicklung wird dem Bereich der Verkehrssicherheit unverändert eine sehr hohe Priorität eingeräumt. Ich wiederhole erneut mein bereits mehrfach unterbreitetes Angebot gegenüber den Fraktionen im Landtag, alle offenen Fragen rund um die Fachstrategie Verkehrsunfallbekämpfung mit Vertretern meines Hauses unmittelbar zu erörtern. 1. Wie viele Polizeidienstkräfte sind im Rahmen des neunten Blitzmarathons am 21. April 2016 auf dem Gebiet der Stadt Gelsenkirchen mit der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung betraut gewesen? (Differenzierte Aufschlüsselung erbeten.) Mit der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des Blitz-Marathons am 21.04.2016 waren in der Kreispolizeibehörde Gelsenkirchen 40 Polizeivollzugsbeamtinnen/Polizeivollzugsbeamte (PVB) betraut. Davon zur Vorbereitung 5 PVB zur Durchführung 31 PVB zur Nachbereitung 4 PVB 2. Wie hoch ist die Anzahl der Dienststunden gewesen, die hierfür im Rahmen des neunten Blitzmarathons auf dem Gebiet der Stadt Gelsenkirchen für die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung aufgewendet worden sind? (Detaillierte Aufschlüsselung erbeten) In der Kreispolizeibehörde Gelsenkirchen wurden 306 Stunden aufgewendet. Davon zur Vorbereitung 44 Stunden zur Durchführung 248 Stunden zur Nachbereitung 14 Stunden 3. Welche Anzahl von Verkehrsverstößen, differenziert nach Schwerekategorien, hat der neunte Blitzmarathon auf dem Gebiet der Stadt Gelsenkirchen in absoluten Zahlen und nach prozentualem Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen offenbart? Als Gesamtverkehrsaufkommen wurde die Anzahl der kontrollierten Fahrzeuge zugrunde gelegt. Eine Katalogisierung nach Schwerekategorien ist in den statistischen Auswertemodulen nicht vorgesehen. Es erfolgt daher die Darstellung nach Maßnahmen zur Bekämpfung der Hauptunfallursachen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12182 4 Anteil an kontrollierten Fahrzeugen Anzahl kontrollierter Fahrzeuge ca. 5.000 Geschwindigkeitsverstöße 169 3,4 % Gurtverstöße 5 0,1 % Alkoholverstöße 0 0 % Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz 1 0,02 % Widerrechtliche Benutzung Mobiltelefon 1 0,02 % Sonstige Verstöße 3 0,06 % Gesamt 179 3,58 % 4. Wie viele sogenannten Wutpunkte, die Gelsenkirchener Bürger einmal gemeldet haben, sind beim neunten Blitzmarathon, bitte differenziert nach absoluter Anzahl und anteilig an der Gesamtzahl der Gelsenkirchener Messstellen, zum Einsatz gekommen? In den Vordergrund der konzeptionellen Ausrichtung des Blitz-Marathons am 21.04.2016 wurde das Schwerpunktthema Opferschutz gestellt. Es wurde die Gefahr überhöhter Geschwindigkeit anhand ausgewählter Verkehrsunfälle an Stellen, welche in einem Zusammenhang mit schweren Verkehrsunfällen standen, mit den damit verbundenen emotionalen Belastungen und Auswirkungen thematisiert. Eine Bürgerbeteiligung wurde bei diesem Einsatz nicht aktiv eingeworben. Die veränderte konzeptionelle Ausrichtung des Blitz- Marathons am 21.04.2016 lässt eine Vergleichbarkeit der Auswahl der Kontrollstellen mit den gemeldeten Messstellen der Vergangenheit nicht zu. Ein Abgleich der Kontrollstellen des aktuellen Blitz-Marathons mit zurückliegenden Meldungen zu Kontrollstellen war nicht Bestandteil des landesweiten Meldeverfahrens. 5. Wie viele Überstunden hat es beim zuständigen Gelsenkirchener Polizeipräsidium zum letzten Erhebungstermin, bitte unter Nennung des Stichtags, gegeben? Bei der Kreispolizeibehörde Gelsenkirchen beträgt die Anzahl der dienstlich angeordneten und genehmigten Mehrarbeit 144.834 Stunden (Stand 31.12.2015). Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12182