LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12187 07.06.2016 Datum des Originals: 06.06.2016/Ausgegeben: 10.06.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4737 vom 2. Mai 2016 des Abgeordneten Frank Herrmann PIRATEN Drucksache 16/11916 Wo wird „Intelligente Videoüberwachung“ in Nordrhein-Westfalen eingesetzt? Wortlaut der Kleinen Anfrage Moderne Videoüberwachungs- und Sicherheitssysteme bieten häufig die Möglichkeit, neben der einfachen Wiedergabe und Aufzeichnung des Bildmaterials, zusätzliche, computergesteuerte Bildauswertungen vorzunehmen. Dies reicht von der Unterstützung des Sicherheitspersonals durch Markierung auffälliger Bildbereiche bis hin zum Tracking und Wiedererkennen von Personen oder Fahrzeugen. Softwaregestützte Bildauswertung die Bewegungen in Videos analysiert und z.B. als 'verdächtig' oder 'unverdächtig' bewertet, oder Systeme zur biometrischen Bildauswertung und/oder Identifikation von Personen, z.B. mittels Gesichts- oder Bewegungserkennung, werden auch als „intelligente Videoüberwachung“ bezeichnet. In Nordrhein-Westfalen sind bereits mehrfach Systeme aus dem Bereich „intelligente Videoüberwachung “ auch im öffentlichen Raum und im öffentlich begehbaren Raum eingesetzt worden , u.a. im Rahmen von Forschungsprojekten. So wurde bereits im Jahr 2011 in der Düsseldorfer Esprit-Arena das System „Smart-Eyes“ zur Identifikation von 'Auffälligkeiten' in Menschenmengen eingesetzt. Auch die Verkehrsbetriebe in der Stadt Düsseldorf haben schon, in der Zusammenarbeit mit der Polizei, mit Videosystemen zur Verhaltenserkennung, z.B. „A- DIS“, experimentiert. Die betroffenen Bürgerinnen und Bürger merken in der Regel nichts von der automatisierten Auswertung der Videobilder, denn an den Kameras ist nicht zu erkennen, was weiter mit den Aufnahmen geschieht, wo diese ausgewertet werden. Da beim Einsatz von „intelligenter Videoüberwachung “ alle Menschen im Sichtfeld der Kameras von der Identifikation, Aus- und Bewertung der jeweiligen Situation durch Software betroffen sind, wird die Eingriffstiefe in die Grundrechte der Bevölkerung massiv erhöht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12187 2 Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4737 mit Schreiben vom 6. Juni 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Bauen, Wohnen , Stadtentwicklung und Verkehr beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Kleine Anfrage befasst sich mit der so genannten „intelligenten Videoüberwachung“. Sie nimmt hierbei Bezug auf Anwendungsfälle in Nordrhein-Westfalen, die schwerpunktmäßig dem nicht-öffentlichen Bereich des Datenschutzes zuzuordnen sind. Die Landesregierung ist nur insoweit gehalten, zu der Kleinen Anfrage Stellung zu nehmen, als sie solche „intelligenten Videoüberwachungen“ selbst einsetzt oder eine eigene Verantwortung im Sinne einer Aufsicht über solche Vorhaben hat. Die Datenschutzaufsicht liegt aber in Nordrhein Westfalen bei der Landesbeauftragten für den Datenschutz und Informationsfreiheit (LDI), sie ist eine unabhängige Behörde und nicht Teil der Landesregierung. Im Übrigen würde eine Abfrage bei sämtlichen Projektträgern bezogen auf das gesamte Gebiet des Landes Nordrhein-Westfalen für die in den Fragen 1 und 2 erbetenen Zusammenstellungen der Projekte der so genannten „intelligenten Videoüberwachung“ seit 2010 den Rahmen einer Kleinen Anfrage überschreiten. Angesichts der bei einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden begrenzten Zeit ist es nicht möglich, von allen möglicherweise betroffenen Behörden und Stellen Berichte anzufordern und auszuwerten. Ergänzend weist die Landesregierung darauf hin, dass die Problematik der so genannten „intelligenten Videoüberwachung“ bereits im Jahre 2013 Gegenstand des 21. Datenschutz- und Informationsfreiheitsberichts war (Abschnitt 6.3 „Öffentliche geförderte Forschungsprojekte zur Entdeckung abweichenden Verhaltens im öffentlichen Raum“). Zum damaligen Zeitpunkt hat die Landesregierung in ihrer Stellungnahme vorgetragen, dass bei der Polizei NRW die angesprochenen Systeme weder im Einsatz noch verfügbar seien. 1. Welche Projekte mit „intelligenter Videoüberwachung“ wurden seit 2010 im öffentlichen Raum bzw. im öffentlich begehbaren Raum im Land Nordrhein-Westfalen durchgeführt? (bitte aufschlüsseln nach Laufzeit, verantwortlichem Projektträger und betroffenem Gebiet) Nach Kenntnis der Landesregierung wird zurzeit ein Projekt mit „intelligenter Videoüberwachung “ im Bereich des Öffentlichen Personennahverkehrs durchgeführt. Das Fördervorhaben hat eine Zweckbindungsfrist von 20 Jahren und wird von der VIA Verkehrsgesellschaft mbH verantwortlich geführt. Betroffen sind die Bediengebiete der VIA in Essen, Duisburg und Mülheim. Die Videoanlagen sind stationär an U-Bahnhöfen eingebaut und sollen eine automatische Alarmierung auslösen, wenn Personen vom Bahnsteig ins Gleisbett fallen/klettern. Es handelt sich hierbei um eine Bahnsteigkantenüberwachung zum Personenschutz ; bei verdächtigen Gegenständen (z. B. abgestellte Koffer), die eine bestimmte Zeit auf der Bahnsteigplattform stehen, eine Alarmierung in der Leitstelle auslösen, mit dem Hinweis darauf, in welchem Abschnitt sich der Gegenstand befindet; LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12187 3 bei ungewöhnlichen Ansammlungen von Menschen oder Personen, die auf der Bahnsteigplatte liegen, eine Alarmierung auslösen; die betreffende Kamera in der Leitstelle wird aufgeschaltet, um den Vorfall kenntlich zu machen. Eine Software zur Gesichtserkennung wird nicht eingesetzt. Es werden nur „Verhaltensmuster “, die den Betrieb gefährden, erfasst und in der Leitstelle auf dem Bildschirm visualisiert (Bahnsteigkantenüberwachung). Aus dem Bereich der freien Wirtschaft gibt es darüber hinaus Hinweise, dass die Automatenwirtschaft prüft, ob eine „intelligente Videoüberwachung“ zum Zweck der Einlasskontrolle - Minderjährigenschutz und Suchtprofilaxe - eingeführt werden kann. Im Übrigen sind Projekte der intelligenten Videoüberwachung in der Trägerschaft oder der Verantwortung der Landesregierung nicht bekannt. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. 2. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung zum Einsatz von „intelligenter Videoüberwachung “ und ähnlichen Techniken der softwaregestützten Bildauswertung in Bahnhöfen und auf Bahnhofsvorplätzen in Nordrhein-Westfalen seit 2010? (ggfls. bitte aufschlüsseln nach Laufzeit, Bahnhof und Art der eingesetzten Techniken ) An Bahnhöfen der Deutschen Bahn AG kommt nach Kenntnis der Landesregierung intelligente Videotechnik nicht zum Einsatz. Soweit Bahnhofsvorplätze kommunales Gebiet sind, können keine Angaben gemacht werden. Auf die Vorbemerkung wird im Übrigen verwiesen. 3. Ist der Einsatz von Videoüberwachungssystemen mit softwaregestützter Bildauswertung , z.B. zur Verhaltens- bzw. Gesichtserkennung, im öffentlichen bzw. öffentlich begehbaren Raum in Nordrhein-Westfalen anzeige- bzw. genehmigungspflichtig ? (bitte zuständige Stelle nennen) Die Rechtsvorschriften über eine Videoüberwachung (§ 6b Bundesdatenschutzgesetz, § 29b Datenschutzgesetz NRW) sehen weder eine Anzeige- noch eine Genehmigungspflicht vor. 4. Welchen gesetzgeberischen Bedarf sieht die Landesregierung zur Unterscheidung von herkömmlicher Kameraüberwachung und der „intelligenten Videoüberwachung “? Angesichts einer bisher nicht bekannt gewordenen Anwendung der „intelligenten Videoüberwachung “ durch öffentliche Stellen in Nordrhein-Westfalen sieht die Landesregierung bezogen auf die Gesetzgebungszuständigkeit des Landes derzeit keinen Gesetzgebungsbedarf. 5. Wie beurteilt die Landesregierung die langfristigen Auswirkungen auf die Bevölkerung , wenn an Überwachungskameras nicht zu erkennen ist, ob die Bilder auch zu automatischen Auswertungen wie Verhaltens- bzw. Gesichtserkennung genutzt werden? Videoüberwachungen beeinflussen generell das Verhalten betroffener Personen. Dies ist zum Teil ein gewünschter Effekt, wenn es beispielsweise darum geht, strafbare Handlungen zu LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12187 4 verhindern. Soweit aber rechtstreue Personen sich durch eine Videoüberwachung in ihrer Entfaltung ihrer Persönlichkeit durch eine Videoüberwachung eingeschränkt fühlen, ist dies ein nicht gewollter Nebeneffekt der Videoüberwachung. Die Landesregierung legt daher Wert darauf , dass eine Videoüberwachung unter Beachtung der jeweils geltenden Voraussetzungen der einschlägigen Norm und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgt. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12187