LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12200 08.06.2016 Datum des Originals: 07.06.2016/Ausgegeben: 13.06.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4724 vom 28. April 2016 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/11855 Auslandsreisen in Delegationsstärke beim Glücksspielanbieter WestSpiel – Welchen betrieblichen Anwendungsnutzen haben die regelmäßigen Reiseaktivitäten von Führungskräften beispielsweise nach Las Vegas für den Staatsbetrieb? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der landeseigene Glücksspielanbieter WestSpiel macht bereits seit Jahren im operativen Geschäft beträchtliche Verluste. Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans sieht mindestens auch für die restlichen Jahre dieses Jahrzehnts nach eigenen Angaben keine Perspektive, wieder ein verlustfreies Betriebsergebnis in öffentlicher Regie zu erreichen. Insbesondere um zugleich risikoreiche Investitionen für einen fünften Spielbankenstandort in Köln tätigen zu können und den seit Jahren maroden WestSpiel-Betrieb zu sanieren, hat der Finanzminister im Jahr 2014 den Verkauf zweier wertvoller Exponate des Künstlers Andy Warhol verlangt: Die Werke „Four Marlons“ und „Triple Elvis“ sind bekanntlich trotz eines wochenlang anhaltenden breiten internationalen Aufschreis zahlreicher Kunstliebhaber aus dem In- und Ausland beim Auktionshaus Christie’s New York letztlich am 12. November 2014 versteigert worden. Die beiden Exponate haben Einnahmen von zusammen 151,5 Mio. Dollar, also rund 120 Mio. Euro, eingespielt. Angesichts der zuvor dargestellten nüchternen Befunde verwundern regelmäßig neu zutage tretende Erkenntnisse über die Ausgabepraxis öffentlicher Gelder bei WestSpiel. Die WAZ berichtet dazu in der Ausgabe vom 19. April 2016 im Wortlaut: „Der finanziell angeschlagene landeseigene Casinobetreiber ,WestSpiel‘ ist erneut in den Verdacht der Verschwendung von öffentlichen Geldern geraten. Die Führungskräfte des Duisburger Unternehmens gönnen sich nach Informationen unserer Zeitung seit Jahren Gruppenreisen nach Las Vegas.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12200 2 Zur Rechtfertigung erklärt in dem zitierten Medienbericht das Unternehmen WestSpiel, die "umfassende Information über ein zeitgemäßes Spieleangebot" im Ausland sei wichtig. Laut Marktkreisen findet die für den europäischen Glücksspielmarkt einschlägigste Messe, die ICE Totally Gaming, jährlich mit einem zugelassenen Fachpublikum von mehr als 25.000 Besuchern aus über 130 Ländern in London statt. Die dortigen Trends gelten gerade auch für den deutschen Glücksspielmarkt als einschlägig und wegweisend. Ein Besuch dieser internationalen Ausstellung der Spieleindustrie, den WestSpiel regelmäßig praktiziert, dürfte für das heimische Geschäft alle relevanten Orientierungen liefern. Eine Teilnahme an dieser Messe ist ferner aufgrund der räumlichen Distanz effizient in ein bis zwei Tagen inklusive Reisezeit zu absolvieren. Sollte es im Einzelfall ratsam erscheinen, sich auch in Las Vegas zu orientieren, sollten die dortigen Eindrücke auch von kompetenten und erfahrenen Einzelpersonen aufgenommen werden können und nicht eine häufig wiederkehrende Transkontinentalreise gleich in einer beträchtlichen Delegationsstärke erfordern, die außerdem schnell eine ganze Arbeitswoche Reisezeit bei allen Teilnehmern in Anspruch nimmt. Aus Belegschaftskreisen ist zu diesem Sachverhalt zu hören, die häufig wiederkehrenden ausgedehnten Las Vegas-Besuche dienten insbesondere als Incentivereise für WestSpiel- Führungskräfte. Bei den Reisen komme es so gut wie nie vor, dass exklusiv in Las Vegas gewonnene Erkenntnisse hinsichtlich eines erfolgreichen Marktauftritts auch tatsächlich bei WestSpiel im heimischen Markt zur Anwendung kämen oder eine Relevanz für praktische unternehmerische Entscheidungen entfalten würden. WestSpiel zeige sich wohl bei seinen Führungskräften gern besonders spendabel. Häufig hätten daher in den zurückliegenden Jahren diese Las Vegas-Trips zudem als Business Class Reise stattgefunden. Nach unterschiedlichen Einschätzungen aus Marktkreisen entsendet kein anderer deutscher Wettbewerber von WestSpiel nahezu jährlich eine so große Anzahl von Beschäftigten nach Las Vegas wie der nordrhein-westfälische Staatsbetrieb. Bei WestSpiel entsteht laut Angabe von Eingeweihten regelmäßig ein beträchtlicher Spesenaufwand für Auslandsreisen in der zumeist durchgeführten Gruppenstärke. Der tatsächliche individuelle Nutzen der dortigen Aufenthalte sei aber noch größer als die eingereichten Reisekostenabrechnungen, da bei den Besuchen in Las Vegas häufig auch Geschäftspartner wie Lieferanten und Produzenten Einladungen zu interessanten Abendprogrammen und Shows aussprechen würden, deren wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit dann gar nicht im Rechnungswesen von WestSpiel fakturiert wird. Sollten diese Angaben aus langjährig erfahrenen Belegschaftskreisen diesbezüglich zutreffend sein, stellt sich außerdem die Frage nach der Vereinbarkeit dieser Praktiken mit den sicherlich vorhandenen Compliance-Regelungen bei WestSpiel. Der Fragesteller kann die in den Medien und gegenüber der Politik berichteten Sachverhalte selbst naturgemäß nicht aus eigenem Erleben beurteilen, will allen Hinweisen jedoch nachgehen. An einer transparenten und vollständigen Aufklärung der behaupteten Praktiken durch den Finanzminister besteht für Parlament und Öffentlichkeit ein hohes Interesse. Die Landesregierung wird daher ausdrücklich um detaillierte Darstellung aller ihr vorliegenden und von ihr aus ihrem landeseigenen Betrieb erhältlichen Informationen gebeten. Der im Folgenden gewählte Begriff des Beschäftigten umfasst jede von WestSpiel bezahlte Person unabhängig von ihrem Status als Tarifangestellter, AT-Kraft oder Geschäftsleitungsmitglied. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12200 3 Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 4724 mit Schreiben vom 7. Juni 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Wie dem Fragesteller bereits mehrfach u.a. in Antworten zu Kleinen Anfragen erläutert1, stellt er die Ertragssituation von Westspiel unvollständig und einseitig dar: Eine Bewertung der Profitabilität von WestSpiel muss die Besonderheiten der Abgaben nach dem Spielbankgesetz NRW berücksichtigen. Ohne die ertragsunabhängigen Abgaben nach dem Spielbankgesetz NRW würde WestSpiel generell ein positives Ergebnis erzielen. Im Jahr 2015 hat WestSpiel rund 30 Mio. € an das Land und hiervon rd. 9,5 Mio. € an die Spielbankgemeinden abgeführt. In dem Zeitraum der Jahre 2008 bis 2015 hat WestSpiel insgesamt rund 315 Mio. € Spielbankabgaben und zusätzliche Leistungen abgeführt. Mit den Landeseinnahmen wird die Stiftung Wohlfahrtspflege gefördert. Außerdem greift die Beurteilung von WestSpiel allein nach seiner Profitabilität zu kurz. Berücksichtigt werden muss auch, dass Westspiel die Spielbanken für das Land betreibt, um die Ziele des Spielbankgesetzes wie Jugendschutz, Geldwäsche- und Spielsuchtbekämpfung zu verwirklichen. Unabhängig davon gehen WestSpiel, die NRW.BANK und die beteiligten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften davon aus, dass der WestSpiel-Konzern durch die veranlassten umfangreichen Restrukturierungmaßnahmen zukünftig wieder positive Jahresergebnisse auch nach Abführung der Abgaben nach dem Spielbankgesetz NRW erzielen kann. Messebesuche sind für einen Casinobetreiber zwingende Voraussetzung für einen marktgerechten Auftritt. Ein zeitgemäßes Spielangebot – so wie es auf den größten Casino- Fachmessen der Welt präsentiert wird – ist wichtig für die Attraktivität einer Spielbank. Die Leistungsschauen in Las Vegas und London sind weltweit bedeutende Branchentreffs und wichtige Orte, um Erfahrungen auszutauschen. Gerade vor dem Hintergrund der Restrukturierung von WestSpiel ist es notwendig, sich über aktuelle Trends und Entwicklungen zu informieren. 1. Welche einzelnen Auslandsreisen haben von WestSpiel-Beschäftigten jeweils jährlich im Zeitraum vom Jahresbeginn 2010 bis Jahresende 2015 konkret nach Las Vegas, London und andere ausländische Destinationen stattgefunden? 2. Wie hat die Dimensionierung dieser einzelnen Reisen jeweils konkret, bitte differenziert nach genauer Teilnehmeranzahl, Gesamtkosten für alle Reisegruppenmitglieder und Anzahl der absolvierten Reisedauer sowie Flugkategorie, ausgesehen? 1 Seit dem letzten Jahr wurden u.a. die folgenden fünf Kleinen Anfragen gestellt: Kleine Anfrage 3296 des Abgeordneten Ralf Witzel der Fraktion der FDP, Antwort LT-Drs. 16/8673; Kleine Anfrage 3956 des Abgeordneten Ralf Witzel der Fraktion der FDP, Antwort LT-Drs. 16/10234; Kleine Anfrage 4460 der Abgeordneten Ralf Witzel und Ingola Schmitz der Fraktion der FDP, Antwort LT- Drs. 16/11477; Kleine Anfrage 4492 des Abgeordneten Ralf Witzel der Fraktion der FDP, Antwort LT-Drs. 16/11586; Kleine Anfrage 4560 des Abgeordneten Ralf Witzel der Fraktion der FDP, Antwort LT-Drs. 16/11703. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12200 4 Die Fragen 1 und 2 werden zusammen beantwortet. WestSpiel hat nicht nur in den Jahren von 2010 bis 2015 Messebesuche im Ausland durchgeführt. Gerade in dem Zeitraum von 2005 bis einschließlich 2009 sind umfangreiche Reisen nach Las Vegas oder London im vergleichbaren Rahmen durchgeführt worden. So z.B. im Jahr 2005 mit 19 Teilnehmerinnen oder Teilnehmern nach London und im Jahr 2006 mit 9 Teilnehmerinnen oder Teilnehmern nach Las Vegas. Erläuterungen: IACS-Konferenz: The International Assocation of Casino Security Verbandssitzungen DSbV und ECA: DSbV Deutscher Spielbankenverband e. V., European Casino Association RT: Reisetage 3. Wie ist die eventuelle Annahme von Einladungen Dritter wie beispielsweise Lieferanten von WestSpiel zu Abendprogrammen oder Verpflegungsangeboten unter Compliance-Gesichtspunkten zu bewerten? Die Geschäftsleitung von WestSpiel erteilte dazu folgende Auskunft: Einladungen, die am Rande von Messen angenommen wurden, bewegten sich im ortsüblichen Rahmen oder gehörten zum herkömmlichen Abendprogramm des Messebesuches. WestSpiel sei sich seiner Verantwortung gegenüber Kunden, Besuchern und Mitarbeitern bewusst. Die Geschäftsleitung habe den Anspruch, alle Geschäfte in einwandfreier Weise zu tätigen. Von daher wird von allen Mitarbeitern ohne Ausnahme erwartet, dass sie neben eigenen internen Regeln selbstverständlich auch alle Gesetze befolgen und Interessenkonflikte vermeiden. Reisedauer in Kalendertagen Economy Business Großbritannien / Messe London 22 2 bis 3 20 2 10.460 Niederlande / Spielbankkonzepte 7 1 7 199 Niederlande / Spielbankkonzepte 3 1 bis 2 3 163 Großbritannien / IACS-Conferenz 1 2 1 674 Schweiz / Sicherheitssitzung 1 2 1 437 11.933 Großbritannien / Messe London 17 2 bis 3 17 9.540 Niederlande / Spielbankkonzepte 2 1 2 44 Slowenien / Werksbesichtigung 2 2 2 1.384 10.968 USA / Messe Las Vegas 4 4 bis 6 plus 2 ½ RT* 4 7.265 Großbritannien / Messe London 8 2 bis 3 8 3.052 Niederlande / Spielbankkonzepte 1 1 1 22 Slowenien / Software-Besprechung 2 2 2 1.192 Finnland / Verbandssitzungen DSbV u. ECA 1 3 1 763 12.294 Großbritannien / Messe London 7 2 bis 3 7 3.291 Niederlande / Spielbankkonzepte 6 1 6 183 3.474 USA / Messe Las Vegas 3 5 plus 2 ½ RT* 3 6.751 Großbritannien / Messe London 12 2 bis 3 12 7.221 Niederlande / Produktvorstellung 4 1 4 269 Spanien / Spielbankkonzepte 4 2 4 2.591 16.832 USA / Messe Las Vegas 6 4 bis 6 plus 2 ½ RT* 6 17.147 Großbritannien / Messe London 8 2 bis 3 8 7.770 Schweiz / Umsetzungserfahrung Systeme 4 3 4 3.508 Frankreich / Systemweiterentwicklung 2 3 2 1.930 Großbritannien / Spielbankkonzepte 4 2 4 2.135 Großbritannien / Spielbankkonzepte 4 2 4 3.879 Frankreich / Vorbereitung Systemeinführung 4 1 3 1 4.089 Niederlande / Systemweiterentwicklung 1 1 1 22 40.480 Jahr Reiseziel Kosten (€) Gesamtkosten (€)Teilnehmer Buchungsklasse 2010 2011 2012 2013 2014 2015 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12200 5 4. Welche konkreten geschäftlichen Entscheidungen von WestSpiel sind im Einzelnen durch die Las Vegas-Besuche getroffen worden, das heißt, hätten sich ohne diese Transkontinentalreisen so nicht ereignet? Belegbare Zusammenhänge zwischen geschäftlichen Entscheidungen und Messebesuchen sind regelmäßig nur bedingt darstellbar. Die angesprochene Veranstaltung „Global Gaming Expo (G2E)“ in Las Vegas gilt als Weltleitmesse der Glücksspielbranche. Besucher aus aller Welt bekommen vor Ort Neuheiten präsentiert. Für europäische und asiatische Besucher besitzt die Leistungsschau weniger den Charakter einer Verkaufsmesse, sondern sie dient in erster Linie der Information und dem Austausch mit versiertem Fachpublikum. Die G2E ist eine eigenständige Veranstaltung und steht in keinem Zusammenhang mit der „ICE Totally Gaming“ in London, weshalb die vorgestellten Produkte und Dienstleistungen dort nicht selten exklusiv gezeigt werden. Der Austausch in Las Vegas ist für WestSpiel von besonderer Bedeutung, denn ein Großteil der Spiele und Spielautomaten haben ihren Ursprung in den USA. Dort werden die Trends gesetzt. Von dieser Erkenntnis hat man sich auch vor 2010 leiten lassen. In Las Vegas sind in über 1.300 Casinos jeder Größe und Art, rund 130.000 Automaten und zirka 4.000 Spieltische mit unterschiedlichen Spielen und Spielsystemen zu finden. Nur dort können Produkte, die auf der Messe besichtigt wurden, im Echtbetrieb begutachtet werden. Es können Erfahrungen mit den Spielen und Spielsystemen sowie hinsichtlich der Spielerinnen und Spieler gesammelt werden. Mögliche Vereinbarungen und Aufträge erfolgen meist im Anschluss mit Ansprechpartnern der Regionen vor Ort; ein Anschauen und Ausprobieren der Produkte ist allerdings nur auf der G2E möglich. 5. Hält der Finanzminister die Durchführung von zumeist mehrköpfigen Delegationsreisen in andere Kontinente angesichts der ökonomischen Lage bei WestSpiel für sinnvoll und angemessen, wenn zahlreiche nicht schlechter wirtschaftende Wettbewerber ihre Marktbeobachtung in anderen Staaten mit nur einem oder zumindest deutlich weniger Mitreisenden sicherstellen bzw. oftmals problemlos ganz darauf verzichten können? Messebesuche sind für viele Unternehmen notwendig, um erfolgreich am Markt agieren zu können. Das gilt auch für WestSpiel. WestSpiel wurde aber in den Unternehmensgremien aufgefordert, Richtlinien für Messebesuche zu entwerfen, um zukünftig über klare Regelungen für Messebesuche zu verfügen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12200