LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12241 13.06.2016 Datum des Originals: 13.06.2016/Ausgegeben: 16.06.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4768 vom 5. April 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/11996 Hassprediger auf Tournee – können Wanderprediger der salafistischen Szene unbehelligt auftreten? Wortlaut der Kleinen Anfrage Nach Auskunft des NRW-Innenministeriums am 24.03.2016 sollten der in Deutschland bekannte belgische Hassprediger Tarik C., bekannt unter dem Namen Tarik I.A., sowie der Imam Abdelkader C. in Moscheevereinen in Duisburg und Essen auftreten. Tarik I.A. empfiehlt Frauen in einem YouTube-Video zum Beispiel: "Ich will für Euch das Paradies. Ich will für Euch den Segen. Den gibt es nur im Glauben - nicht im Ausgehen, nicht im Autofahren oder im Shoppen. So will es unser Glaube." Jahrelange Kenner der Salafistenszene sagen: "Tarik ist nicht der harmlose Wanderprediger, den er gern gibt. Schaut man genauer hin, sieht man, dass er bei diesen Gelegenheiten erhebliche Geldsummen einsammelt. In Dietzenbach in Hessen waren es zum Beispiel 91.000 Euro - Geld, das dann direkt nach Syrien transferiert wird." Tarik I.A. steht laut einem Bericht der britischen "Daily News" auch unter dem Verdacht, Omar Mostefai, einen der Attentäter vom Pariser Bataclan, radikalisiert und aufgehetzt zu haben . Hassprediger rufen zu Hass und Gewalt auf - in Moscheen, in denen das auf fruchtbaren Boden fallen kann. Zurzeit können Prediger wie Tarik Ibn Ali relativ frei herumreisen, viele Moscheen besuchen und Gläubige in der marokkanischen Diaspora vernetzen. Prediger wie Tarik I.A. und der Imam Abdelkader C. verbreiten eine strikte, fundamentalistische und angeblich ursprungsnahe Deutung des Islams. Die Szene ist deswegen so unübersichtlich, weil Muslime vergleichsweise weniger in religiösen Vereinen oder Gemeinden organisiert sind als die Angehörigen anderer Religionen - obwohl Religiosität und die religiöse Praxis bei Muslimen stark ausgeprägt sind. Nach Angaben der Studie "Muslimisches Leben in Deutschland" (2008) des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sind nur 20 Prozent der rund vier Millionen Muslime in religiösen Vereinen oder Gemeinden organisiert. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12241 2 Das Innenministerium betonte, die Polizei werde trotz der Absagen die Szene beobachten. "Wir haben die salafistische Szene in ganz NRW im Blick, auch im Hinblick auf die Entwicklung in Duisburg und Essen", sagte ein Ministeriumssprecher. In Duisburg erklärten Oberbürgermeister Sören Link (SPD) und der Vorsitzende des Integrationsrates, Erkan Üstünay: "Wir brauchen keine religiösen Hetzer in unserer Stadt. Radikale Einstellungen, gleich ob religiös oder politisch motiviert, schaden dem friedlichen Zusammenleben in Duisburg." Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 4768 mit Schreiben vom 13. Juni 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet . 1. Welche gesicherten Informationen von Sicherheitsbehörden (Polizei, Staatsschutz , LKA etc.) liegen der Landesregierung darüber vor, in welchen Moscheevereinen sog. Hassprediger in den letzten Jahren aufgetreten sind? 2. Welche gesicherten Informationen liegen der Landesregierung darüber vor, dass im Sinne der Abgabenordnung (AO) als gemeinnützig anerkannte Moscheevereine sog. Hassprediger eingeladen haben bzw. solche dort aufgetreten sind? 3. Welche gesicherten Informationen liegen der Landesregierung darüber vor, ob vor diesem Hintergrund möglicherweise durch betreffende Vereine vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Zuwendungsbestätigungen (steuerlicher Spendenabzug ) im Sinne des § 10b des Einkommensteuergesetztes (EStG) ausgestellt wurden ? 4. In welcher Form wird diesbezüglich ein Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden und der Finanzverwaltung gewährleistet? Die Sicherheitsbehörden des Landes beobachten die salafistische Szene. Etwa 20 bis 30 Moscheen der ca. 850 derzeit bestehenden Moscheevereine in NRW werden regelmäßig von Salafisten besucht und können daher zumindest als extremistisch beeinflusst bezeichnet werden . In einem Teil dieser Moscheen sind in den vergangenen Jahren Personen als Prediger aufgetreten, die dem salafistischen Spektrum zuzurechnen sind. Das bedeutet allerdings nicht, dass in den betroffenen Moscheen grundsätzlich salafistische Lehren vertreten werden. Anzumerken ist, dass die Vermittlung ideologischer Inhalte und eine ggf. damit einhergehende Radikalisierung inzwischen nach Einschätzung des Verfassungsschutzes überwiegend außerhalb von Moscheen stattfinden, auch wenn Moscheevereine zum Teil immer noch Treffpunkte der Szene sind. So werden z.B. Vorträge einschlägig bekannter Prediger in Privatwohnungen rezipiert oder es wird an Unterrichtsformaten im virtuellen Raum teilgenommen. Die Verfassungsschutzschutzbehörde NRW benennt im jährlich erscheinenden Verfassungsschutzbericht Parteien, Organisationen und Vereine, bei denen mindestens Anhaltspunkte für den Verdacht extremistischer Bestrebungen festgestellt worden sind. Diese Informationen stehen der Landesverwaltung für eine erste Bewertung im eigenen Aufgabenkreis zur Verfügung. Im Anschluss daran sowie auch unabhängig davon kann ein einzelfallbezogener Austausch z.B. der Finanzverwaltung mit den Sicherheitsbehörden erfolgen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12241 3 Bei der Bewertung einer Körperschaft als extremistisch im Sinne des § 4 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) bzw. des § 3 Verfassungsschutzgesetz (VSG) NRW würde das Finanzamt eine solche Körperschaft nicht als gemeinnützig anerkennen oder eine bereits bestehende Gemeinnützigkeit aberkennen. Die Voraussetzungen dafür, dass bei einem Verein die Steuerbefreiung wegen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke anerkannt werden kann, finden sich in §§ 51 ff AO. Gemeinnützige Zwecke werden verfolgt, wenn die Tätigkeit des betreffenden Vereins darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Liegen die Voraussetzungen vor, bekommt der Verein vom Finanzamt zunächst einen Feststellungsbescheid über das Vorliegen der satzungsmäßigen Voraussetzungen und - nach Prüfung der tatsächlichen Geschäftsführung - einen Freistellungsbescheid. Die Steuerbefreiung wird spätestens alle drei Jahre überprüft. Das geschieht im Rahmen des Veranlagungsverfahrens . Erlangt das Finanzamt während dieser drei Jahre Erkenntnisse darüber, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung nicht oder nicht mehr vorliegen, kann und wird es die Anerkennung jederzeit und auch rückwirkend durch Erlass eines Körperschaftsteuerbescheides widerrufen . Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, wird widerlegbar vermutet, dass Bestrebungen im Sinne des § 4 des BVerfSchG bzw. § 3 VSG NRW (z.B. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung) gefördert werden bzw. dem Gedanken der Völkerverständigung zuwider gehandelt wird. Eine Steuerbefreiung wird in diesen Fällen grundsätzlich nicht gewährt, eine bereits gewährte Steuerbefreiung ist abzuerkennen, § 51 Abs. 3 AO. 5. Wie kann ein zukünftig effektiver Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden und der Finanzverwaltung bezüglich derartiger Feststellungen in Bezug auf eine schnellstmögliche Aberkennung der Gemeinnützigkeit erfolgen? Der Informationsaustausch zwischen den Finanz- und Sicherheitsbehörden ist effektiv und hat sich vielfach bewährt. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12241