LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12249 13.06.2016 Datum des Originals: 13.06.2016/Ausgegeben: 16.06.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4782 vom 11. Mai 2016 der Abgeordneten Gregor Golland und André Kuper CDU Drucksache 16/12010 Christenverfolgung in Deutschland und Nordrhein-Westfalen – Erkennt die Landesregierung die besondere Schutzbedürftigkeit geflohener Christen an? Wortlaut der Kleinen Anfrage Am 9. Mai fand eine Pressekonferenz im Haus der Bundespressekonferenz zur Situation von geflohenen orientalischen Christen statt. Beteiligt waren die Organisation „Open Doors“, die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), der Zentralrat Orientalischer Christen in Deutschland (ZOCD), die "Aktion für verfolgte Christen und Notleidende" (AVC) und "Kirche in Not" in Berlin statt. Auch betroffene christliche Flüchtlinge kamen zu Wort. Die Aufnahme hunderttausender Flüchtlinge hat auch Nordrhein-Westfalen vor große Herausforderungen gestellt. Ein Problem, das dabei bisher vernachlässigt wurde, ist die Häufung von Anfeindungen und Gewalt gegenüber Christen in den Flüchtlingsunterkünften. Das Hilfswerk „Open Doors“, das sich seit über 60 Jahren weltweit für verfolgte Christen einsetzt , hat eine Befragung unter christlichen Flüchtlingen in deutschen Unterkünften durchgeführt , die Verfolgung aufgrund ihres Glaubens erlebt haben. Die christlichen Flüchtlinge haben angegeben, dass sie sowohl von Mitflüchtlingen als auch vonseiten des Wachpersonals Verfolgung erlebt haben. Drei Viertel der Befragten wurden wiederholt angegriffen. Beleidigungen, Körperverletzungen, Todesdrohungen gegen die eigene Person und/oder die Familie, laute religiöse Musik und/oder Gebete und physische Gewalt sowie sexuelle Übergriffe sind von den Betroffenen gemeldet worden. In deutschen Flüchtlingsunterkünften werde demnach nicht genug auf den Schutz von Angehörigen religiöser Minderheiten geachtet. Mehr als 80 Prozent der christlichen Flüchtlinge seien in den Erstaufnahmeeinrichtungen Schikanen durch muslimische Flüchtlinge ausgesetzt. Besonders stark betroffen seien iranische und afghanische Konvertiten, die vom Islam zum Christentum übergetreten sind. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12249 2 Viele bereits bekanntgewordene Fälle ließen bereits erkennen, dass religiös bedingte Konflikte auch in unserem Land weiterschwelen. Die andauernde Verfolgung von Christen im „sicheren Hafen“ Deutschland ist nicht tolerabel. Es bedarf klarer Konzepte und Maßnahmen zum Schutz gegen religiös motivierte Gewalt. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4782 mit Schreiben vom 13. Juni 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung In den Flüchtlingsunterkünften in Nordrhein-Westfalen wird keine Gewalt, Verfolgung oder Unterdrückung geduldet. Auch unterschiedliche Religionen müssen hier friedlich zusammenleben . Nordrhein-Westfalen ist weltoffen und tolerant. Dazu gehört auch das friedliche Miteinander zwischen Menschen verschiedenster Religionen und Kulturen. Dieses Weltbild vermittelt die Landesregierung von der ersten Stunde an alle, die mit uns gemeinsam in diesem Bundesland leben möchten. Umso besser gelingt anschließend die Integration. Die in der Kleinen Anfrage angeführte Erhebung „Religiös motivierte Übergriffe gegen christliche Flüchtlinge in Deutschland“ der Organisation „Open Doors Deutschland e.V.“ ist aus Sicht der Landesregierung nicht repräsentativ. Sie lässt keinerlei Rückschlüsse auf religiös motivierte Übergriffe in den Landeseinrichtungen für Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen zu. Nach eigenen Angaben von „Open Doors Deutschland e.V.“ (vgl. Seite 11, „Auswertung der Erhebung “, Quelle: https://www.opendoors.de/downloads/Berichte/Open_Doors_Bericht_Religioes _motivierte_Uebergriffe_gegen_christliche_Fluechlinge_in_Deutschland.pdf) basiere das Ergebnis der bundesweiten Erhebung auf der Rückmeldung von 231 Flüchtlingen. Von diesen hätten 46 Personen Übergriffe bei der Polizei angezeigt. Zudem hätten sich weitere 30 Personen bei der Heimverwaltung beschwert und damit ebenfalls Schutz bei einer deutschen Behörde gesucht. Insgesamt seien von den Betroffenen am häufigsten Beleidigungen (96 Personen ) und Körperverletzungen (86 Personen) genannt worden. Die regional sehr unterschiedlichen Rücklaufzahlen ließen laut „Open Doors Deutschland e.V.“ keine Rückschlüsse über das Ausmaß der Übergriffe pro Bundesland zu. Berlin habe mit insgesamt 124 Personen etwas über die Hälfte der Befragten gestellt. Weitere Befragte hätten in Erstaufnahmeeinrichtungen der folgenden Bundesländern gewohnt: Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die übrigen 107 Befragten sich auf acht Bundesländer aufteilten. Wie viele der befragten Personen tatsächlich in Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes Nordrhein -Westfalen lebten und etwaigen Übergriffen ausgesetzt waren, geht aus der Erhebung nicht hervor. Zum Größenvergleich: Im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 22. Mai 2016 wurden in Nordrhein-Westfalen insgesamt rund 389.000 Asylbegehrende in den Einrichtungen des Landes aufgenommen. 1. Wie viele Übergriffe auf christliche Flüchtlinge durch Muslime hat es seit 2015 in Nordrhein-Westfalen bis heute gegeben? (Bitte nach Datum, Ort, Tat, Opfer und Täter auflisten.) Der Landesregierung liegen hierzu keine Angaben vor. Eine automatisierte Auswertemöglichkeit für die Anzahl der Übergriffe auf christliche Flüchtlinge durch Muslime ist nicht vorhanden. Eine dazu erforderliche gesonderte Auswertung ist in der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12249 3 Unabhängig davon kann die Unterbringung von Flüchtlingen unterschiedlicher Ethnien und Glaubensrichtungen auf engem Raum in den Einrichtungen aufgrund kultureller Auseinandersetzungen in den Heimatländern, der fehlenden Privatsphäre in den Unterkünften sowie der Ungewissheit, wie das Asylverfahren weitergehen wird, grundsätzlich zu zwischenmenschlichen Konflikten führen. Dabei sind alle Ethnien betroffen, ein Schwerpunkt bei Personen mit christlichem Glauben lässt sich bislang nicht erkennen. Die Landeseinrichtungen für Asylsuchende werden teilweise durch Verbände betreut, die die Ängste und Sorgen von Christen sicherlich deutlich gegenüber den zuständigen Bezirksregierungen kommunizieren würden. In der Vergangenheit ist der Landesregierung keine Berichterstattung zur Kenntnis gelangt, die Hinweise auf das in der Kleinen Anfrage dargestellte Problem geben. 2. Erkennt die Landesregierung die besondere Schutzwürdigkeit von christlichen Flüchtlingen an? Die Landesregierung ist sich der besonderen Schutzbedürftigkeit von christlichen Asylbegehrenden sehr wohl bewusst und nimmt die Befürchtungen sehr ernst. Im Übrigen wird auf die Ausführung in der Vorbemerkung verwiesen. 3. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen, um in den Landesaufnahmeeinrichtungen den Schutz von christlichen Flüchtlingen zu gewährleisten? Generell werden in den Unterbringungseinrichtungen des Landes die zur Verfügung stehenden Zimmer zwecks Homogenität nach Nationalität, kultureller Herkunft und Glaubensrichtung belegt. Bei einer starken Kapazitätsauslastung ist eine solche Trennung allerdings nicht immer leistbar. Es liegen jedoch keine Hinweise vor, dass die Sicherheit christlicher Flüchtlinge zu irgendeinem Zeitpunkt nicht gegeben war. In allen Einrichtungen sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ansprechbar für Probleme - auch im Hinblick auf etwaige Konflikte aufgrund von Herkunft oder Religionszugehörigkeit. Bei in Einzelfällen auftretenden Problemen oder schwerwiegenderen Konflikten unter den Bewohnerinnen und Bewohnern, werden die in Konflikt stehenden Flüchtlinge grundsätzlich durch Verlegung in andere Einrichtungen des Landes getrennt. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich zeigt, dass Konflikte zwischen verschiedenen Gruppen im Heimatland in den Landeseinrichtungen weitergeführt werden. Überdies finden in den Landeseinrichtungen verstärkt anlassbezogene Aufklärungsmaßnahmen - unabhängig von der im Sinne der Kleinen Anfrage formulierten Fragestellung - statt, und es wird im Bedarfsfall eine deutlich sichtbare polizeiliche Präsenz mit lageangepasster Verweildauer an den Unterkünften durchgeführt. Ferner stellt die polizeiliche Verbindungsstelle, die speziell für Flüchtlingsangelegenheiten bei der Bezirksregierung Arnsberg eingerichtet wurde, den für die Sicherheit der Flüchtlinge verantwortlichen Institutionen polizeilich relevante Erkenntnisse zur Verfügung und unterstützt mit polizeilichem Wissen und Erfahrung - ebenfalls unabhängig von Motiv und Art einer etwaigen Gewaltanwendung. Sofern Straftaten in den Einrichtungen bekannt werden, trifft die Polizei unmittelbar die erforderlichen strafprozessualen und polizeirechtlichen Maßnahmen. Der Schutz der Opfer steht dabei im besonderen Blickpunkt . Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage 2618, Drucksache 16/6821 verwiesen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12249 4 4. Hat die Landesregierung Handlungsempfehlungen, Erlasse, etc. herausgegeben, die Kommunen bei der Unterbringung von christlichen Flüchtlingen anleitet? In Anbetracht der Tatsache, dass der Landesregierung keine Erkenntnisse auf religiös motivierte Übergriffe auf christliche Flüchtlinge in den Landeseinrichtungen vorliegen, und mit Blick auf die kommunale Selbstverwaltung sieht die Landesregierung derzeit keine Veranlassung, den Kommunen Handlungsempfehlungen oder Ähnliches für die Unterbringung christlicher Flüchtlinge in den kommunalen Einrichtungen an die Hand zu geben. 5. Welches Konzept hat die Landesregierung zur Aufklärung und Bekämpfung religiös motivierter Gewalt in Flüchtlingsunterkünften? In den landeseigenen Flüchtlingsunterkünften gelten seit Oktober 2014 grundsätzlich einheitliche Qualitätsstandards für den Betrieb und die Organisation der Einrichtung. Selbiges gilt für den Einsatz von Sicherheitsdienstleistungen. Unabhängig von dem der Kleinen Anfrage zugrundeliegenden Sachverhalt erarbeitet das Ministerium für Inneres und Kommunales derzeit ein Gewaltschutzkonzept für Flüchtlingseinrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen, durch das grundsätzlich alle Bewohnerinnen und Bewohnern in den Einrichtungen bestmöglich vor jeglicher Form von Gewalt geschützt werden sollen. In Bezug auf die generellen polizeilichen Maßnahmen zum Schutz von Flüchtlingsheimen und deren Bewohnerinnen und Bewohner verweise ich auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3745 (LT-Drs. 16/9693). Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12249