LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12277 16.06.2016 Datum des Originals: 16.06.2016/Ausgegeben: 21.06.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4798 vom 23. Mai 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/12064 Kommunalrating großer Städte – Sorgen die Rahmenbedingungen in Nordrhein-Westfalen für schlechteres Rating von nordrhein-westfälischen Städten? Wortlaut der Kleinen Anfrage Die Ratingagentur S&P hat aktuell die Finanzsituation von sechs deutschen Großstädten exemplarisch analysiert, darunter die beiden nordrhein-westfälischen Städte Essen und Köln. Sowohl beim institutionellen Rahmen wie auch beim individuellen Profil sehen die Analysten große Unterschiede. Die neue S&P-Analyse untersuchte die Städte Essen, Frankfurt/Main, Köln, Leipzig, Nürnberg und München. Als Ratingkriterien zieht S&P „institutionelle Rahmenbedingungen“, „Wirtschaftsstruktur “, „Finanzmanagement“, „Haushaltsflexibilität“, „Haushaltsentwicklung“, „Schuldenstand “, „Liquiditätsprofil“ sowie „Eventualverbindlichkeiten“ heran. Ausgangspunkt der Analyse sind die institutionellen Rahmenbedingungen. Diese stuft S&P für alle untersuchten Städte bzw. deren Bundesländer als „vorhersehbar“ (NRW) über „sehr vorhersehbar “ (Hessen) bis „höchst vorhersehbar“ (Bayern und Sachsen) ein. Die Analyse der institutionellen Rahmenbedingungen umfasst die Vorhersehbarkeit, die Verlässlichkeit und die Unterstützung des öffentlichen Finanzsystems sowie deren rechtliche Rahmenbedingungen und deren Einfluss auf die Fähigkeit einer Kommune, eigene Schulden langfristig zu bedienen. S&P kommt zu dem Ergebnis, dass die Bundesländer in Deutschland großen Einfluss auf den institutionellen Rahmen der eigenen Gemeinden haben. Daher unterscheidet sich die Einschätzung für Kommunen zwischen den einzelnen Bundesländern. Festgestellt wurden größere Unterschiede im Hinblick auf den Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben. Dieser stark gewichtete Faktor sei das Unterscheidungsmerkmal in der Analyse des institutionellen Rahmens. Für die betrachteten Länder schwankt die Einschätzung zwischen äußerst vorhersehbar im Falle der Freistaaten Bayern und Sachsen, bis hin zu vorhersehbar für NRW. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12277 2 Insbesondere sieht S&P im Stärkungsakt einen klaren Hinweis darauf, dass das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben in Nordrhein-Westfalen nicht adäquat ist, denn sonst hätte ein solches kommunales Hilfsprogramm nicht eingerichtet werden müssen, um die Finanzsituation bestimmter Gemeinden zu verbessern. Auch die kommunale Verschuldung (in Prozent der laufenden Einnahmen) reiche von circa 40% in Bayern und Sachsen bis hin zu etwa 100% in Hessen und NRW, wobei die Kommunen in den letztgenannten Ländern auch sehr hohe Bestände an kontinuierlich umzuschuldenden, kurzfristigen Verbindlichkeiten aufweisen, welche mögliche Refinanzierungsrisiken in sich bergen. Schließlich wurde auch festgestellt, dass es Unterschiede bei der Kostenübernahme im Zusammenhang mit der Fürsorge für Flüchtlinge in den Ländern gebe. Im Falle Bayerns würden diese fast gänzlich vom Land getragen werden. Im Gegensatz dazu reichen die Pauschalbeträge, die das Land Nordrhein- Westfalen zahlt, trotz ihrer Höhe, nicht vollständig aus und überlassen den Gemeinden einen Restbetrag. In NRW ist die Kostenerstattung gering, was die kommunalen Finanzen weiter belasten würde. Insgesamt sieht S&P, aufgrund dieser verschiedenen Elemente, den kommunalen Rahmen in NRW als am schwächsten an, während für Bayern und Sachsen die institutionellen Rahmenbedingungen hingegen als recht günstig eingeschätzt werden. Die individuelle Bewertung der untersuchten Städte schwankt zwischen „relativ schwach“ (Essen ) und „sehr stark“ (München). Zu Liquiditätsengpässen wird es nach Ansicht von S&Ps wahrscheinlich nirgendwo kommen: Alle Städte hätten einen guten Zugang zum Bankensektor . Die sehr gute Bewertung von München basiert – abgesehen von dem sehr guten institutionellen Rahmen – auf dem starken Wirtschaftsprofil, dem niedrigen Schuldenstand sowie dem dicken Liquiditätspolster der bayerischen Landeshauptstadt. Positiv bewertete S&P auch Münchens Finanzmanagement. So würden Einnahmen und Ausgaben umsichtig verwaltet, was in den hohen Haushaltsüberschüssen der letzten Jahre erkennbar sei. In Bezug auf Liquidität und Schulden würde München einen „nachhaltigen Managementansatz“ verfolgen. Die bayerische Stadt Nürnberg landet – trotz sehr gutem institutionellem bayrischem Rahmen – im Mittelfeld der untersuchten Städte. Die vergleichsweise schlechte Bewertung der Ruhrmetropole Essen begründet S&P unter anderem auch mit den institutionellen Rahmen durch das Land. Die Bonität deutscher Kommunen variiere zwar stark, gleichzeitig würden aber alle deutsche Kommunen ein Investmentgrade-Rating erhalten. Dies sind zwei zentrale Aussagen eines neuen Berichts der Ratingagentur Standard&Poor‘s (S&P). Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4798 mit Schreiben vom 16. Juni 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister beantwortet . 1. Wie bewertet die Landesregierung die Einschätzung der Ratingagentur S&P, dass der institutionelle Rahmen in Nordrhein-Westfalen für die Kommunen im Vergleich mit Bayern, Sachsen und Hessen am schwächsten ist? 2. Wie bewertet die Landesregierung die Aussage von S&P, dass der institutionelle Rahmen für Kommunen in Nordrhein-Westfalen die Kreditwürdigkeit der betroffenen Städte begrenze? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 und 2 zusammen beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12277 3 Zu den Ergebnissen der vom Fragesteller benannten Studie der Ratingagentur Standard & Poors gibt die Landesregierung keine Bewertung ab. 3. Sieht die Landesregierung im Stärkungspakt ebenfalls einen klaren Hinweis darauf , dass das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben der Kommunen in Nordrhein -Westfalen insgesamt nicht adäquat ist? Nein, diese allgemeine Behauptung lässt sich nicht darauf stützen, dass Gemeinden, die sich in einer Sondersituation befinden, Konsolidierungshilfen im Rahmen des Stärkungspakts erhalten . Mit dem Stärkungspakt wird das Ziel verfolgt, die Einnahmen und Ausgaben einer Reihe von ausgewählten besonders notleidenden Gemeinden wieder dauerhaft auszugleichen . Den hierfür erforderlichen, teils harten, aber bisher durchaus erfolgreichen kommunalen Konsolidierungskurs unterstützt das Land mit umfangreichen eigenen Haushaltsmitteln. Insgesamt stehen im Rahmen des Stärkungspaktes rd. 5,76 Mrd. Euro bereit, von denen 3,46 Mrd. Euro aus dem Landeshaushalt stammen. 4. Wie bewertet die Landesregierung den Bedeutungszuwachs von alternativen Finanzierungsformen für Kommunen im Vergleich zu klassischen Kommunalkrediten ? Nach den Informationen, die der Landesregierung vorliegen, erfolgt eine Finanzierung über alternative Instrumente wie Anleihen und Schuldscheindarlehen derzeit nur in Einzelfällen. Ein grundsätzlicher Trend zur Nutzung dieser Finanzierungsinstrumente ist nicht erkennbar. Die weitere Entwicklung bleibt hier abzuwarten. 5. Wie bewertet die Landesregierung das Risiko von Kommunalratings, falls sich Banken aus der Kommunalfinanzierung zurückziehen und alternative Finanzinstrumente weiter an Bedeutung gewinnen? Es liegen keine Anzeichen dafür vor, dass sich Banken flächendeckend und dauerhaft aus der Kommunalfinanzierung zurückziehen würden. Die Landesregierung sieht deshalb keine Veranlassung darüber zu spekulieren, welche Bedeutung Kommunalratings in einer Situation erlangen könnten, für deren Eintritt zurzeit nichts spricht. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12277