LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12297 20.06.2016 Datum des Originals: 20.06.2016/Ausgegeben: 23.06.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4799 vom 23. Mai 2016 des Abgeordneten André Kuper CDZ Drucksache 16/12065 Leerstände und unnötige Ausgaben für Landesunterkünfte für Asylsuchende, bei gleichzeitiger kommunaler Unterbringung von 15.000 Menschen aus sicheren Herkunftsländern Wortlaut der Kleinen Anfrage In den vergangenen Wochen ist die Zahl der Direktzugänge von Asylsuchenden sowie von EASY-Zuweisungen in die nordrhein-westfälischen Aufnahmeeinrichtungen von bis zu 17.000 im November letzten Jahres auf deutlich unter 1.000 pro Woche zurückgegangen. Der starke Rückgang der Flüchtlingszahlen hat auch Folgen für die Belegung der insgesamt 205 Landeseinrichtungen . Derzeit verfügt Nordrhein-Westfalen über 20.880 reguläre Erstaufnahmeplätze, von denen mit 10.549 Plätzen lediglich die Hälfte belegt ist. Darüber hinaus verfügt das Land weiterhin über fast 50.000 Notunterbringungsplätze in 168 Unterkünften, die nur mit 17.000 Menschen belegt sind. So stehen aktuell mehr als 40.000 der 71.814 Unterbringungsplätze leer (Stand 13.04.2016). Gleichzeitig geht die Landesregierung davon aus, dass sich zum 31.3.2016 rund 15.000 Asylsuchende aus sicheren Herkunftsländern trotz anhängiger Verfahren bereits in den Kommunen aufhalten. Hinzu kommt eine der Landesregierung unbekannte Anzahl an Asylsuchenden aus sicheren Herkunftsländern in den Kommunen, die sogar noch gar keinen Asylantrag gestellt haben. Die neue Rhein-Zeitung berichtet am 20. Mai über den Umgang mit dem Leerstand in den Landesunterkünften für Asylsuchende. Demnach teilte die Bezirksregierung Düsseldorf mit, dass die Landesnotunterkunft in Kamp-Lintfort, die Platz für 1000 Menschen bietet, vorläufig nicht für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt wird. Grund seien die rückläufigen Flüchtlingszahlen . Der Leichtbauhallenkomplex soll aber "als Notreserve“ dienen, falls kurzfristig doch wieder mehr Flüchtlinge nach NRW kommen. Ein Rückbau sei deshalb keine Option aus Sicht der Bezirksregierung. Wie teuer der Unterhalt der leerstehenden Hallen ist, haben weder Bezirksregierung noch Innenministerium benennen können. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12297 2 „Derwesten.de“ berichtet, dass ein Sprecher der Bezirksregierung zum Leerstand in der Unterkunft in Bad Laasphe folgendes erklärte: „Wir haben das Verfahren der Zuweisung in die Kommunen derzeit etwas verlangsamt, weil wir in den Unterkünften sonst extreme Leerstände hätten. ... Damit wolle das Land NRW verhindern, dass ihre Unterkünfte komplett leerlaufen – und Arbeitsplätze dort gefährdet werden.“ Zeitgleich zum Leerstand in den Landesaufnahmeeinrichtungen befinden sich tausende Asylsuchende aus sicheren Herkunftsländern – 15.000 laut Vorlage des Innenministeriums – bereits in kommunaler Unterbringung. Aktuell sind zwar auch 1.254 Asylsuchende in den vier Landeseinrichtungen für das beschleunigte Verfahren des Aktionsplans Westbalkan untergebracht . Laut Aussage des MIK wurden bisher auch in 2.616 Fällen ablehnende Entscheidungen in durchschnittlich 2,1 Arbeitstagen entschieden (Stand 20.04.2016). Aber: Das BAMF hat allein in den ersten 4 Monaten des Jahres 2016 insgesamt 9.940 ablehnende Entscheidungen über Asylbegehren aus den sechs Ländern (Albanien, Bosnien, Mazedonien, Kosovo, Serbien, Georgien) getroffen. Damit wurde nur rund ein Viertel aller möglichen Fälle von beschleunigten Verfahren in den Einrichtungen getroffen. Allein im April wurden 1.352 Asylanträge (11 Prozent ) von asylsuchenden vom Balkan gestellt, abgelehnt wurden rund 2.000 Asylbegehren aus dem West-Balkan. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4799 mit Schreiben vom 20. Juni 2016 namens der Landeregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Im Jahr 2015 hat Nordrhein-Westfalen rund 330.000 Flüchtlinge erstaufgenommen. Um Aufnahme und Unterbringung sicherzustellen, wurden die Kapazitäten durch das Land mit Unterstützung der Kommunen innerhalb weniger Monate von rund 14.000 Plätzen im Juli 2015 auf rund 85.000 Plätze im Dezember 2015 aufgestockt, davon rund 69.000 in Notunterkünften. Dabei mussten auch viele Provisorien genutzt werden, wie z.B. Sporthallen, um innerhalb kürzester Zeit die unerwartet große Anzahl von Flüchtlingen unterbringen zu können. Das Jahr 2016 steht nun im Zeichen der Konsolidierung des Erfassungs- und Unterbringungssystems . Aufgrund veränderter politischer Rahmenbedingungen, die zu deutlich niedrigeren Zugangszahlen geführt haben, sowie systemischer Veränderungen in den Prozessabläufen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), durch die schnellere Entscheidungen über Asylanträge erreicht werden sollen, befindet sich das Aufnahmesystem in einer Phase der Überplanung. Ziel ist ein regional ausgewogenes und wirtschaftliches System, das sich flexibel auf Veränderungen einstellen kann. Im Zuge dieser Konsolidierung soll die Gesamtkapazität auf 50.000 Plätze reduziert werden. Davon sollen 35.000 aktiv und 10.000 auf Abruf genutzt werden. 5.000 Plätze dienen als stille Reserve, um auf Veränderungen bei den Flüchtlingszahlen schnell und flexibel reagieren zu können. Die vorhandenen Handlungsspielräume durch freie Kapazitäten nutzt das Land bereits seit Ende 2015 zur Entlastung der Kommunen. Nachdem bereits im Zeitraum 23.12.2015 bis 03.01.2016 keine Zuweisungen erfolgt sind, wurden seit Ende Januar 2016 bis auf Weiteres Flüchtlinge nur solchen Kommunen zugewiesen, die ihre Erfüllungsquote nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) deutlich untererfüllt haben. Hinzu kommen Zuweisungen aufgrund von rechtlich gebotenen Familienzusammenführungen und in wenigen Einzelfällen freiwillige Aufnahmen von Flüchtlingen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12297 3 Weiterhin werden bereits seit September 2015 im Rahmen des „Aktionsplans Westbalkan“ durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) beschleunigte Asylverfahren durchgeführt. Hier einbezogen sind aktuell Asylsuchende ohne Bleibeperspektive aus den sicheren Herkunftsstaaten des Westbalkans, neu einreisende Folgeantragsteller aus diesen Staaten sowie Antragsteller aus Georgien, vorbehaltlich der sachlichen Eignung des Einzelfalls . Dafür verbleiben sie in den Landeseinrichtungen und werden nicht den Kommunen zugewiesen . 1. Wie entwickelte sich jeweils in den Monaten seit September 2015 die Anzahl ungenutzter Kapazitäten in den Landesaufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende (bitte differenzierte Angabe nach EAE, ZUE, NUK)? 2. Wie entwickelte sich jeweils in den Monaten seit September 2015 die Leerstandsquote in den Landesaufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende (bitte differenzierte Angaben nach EAE, ZUE, NUK)? Das Ministerium für Inneres und Kommunales berichtet regelmäßig zu Kapazitäten und Belegung der Landesaufnahmeeinrichtungen an den Innenausschuss des Landtags. Den Berichten können die Angaben zu Kapazitäten und Belegungen an den jeweiligen Stichtagen entnommen werden. Die Anzahl der freien Plätze und deren Quote ergeben sich daraus. Eine Zusammenfassung der entsprechenden Angaben seit September 2015 differenziert nach EAE, ZUE und NU ist als Anlage beigefügt. 3. Welche Kosten fallen pro vorgehaltenem Platz in den Landesaufnahmeeinrichtungen an (bitte differenziert nach Einrichtungen - pro Tag/pro Monat)? Eine differenzierte Darstellung der Kosten für den Betrieb jeder einzelnen Einrichtung ist grundsätzlich nicht möglich. Die Buchungen im Flüchtlingskapitel erfolgen kameral. Daher sind bei den Haushaltsstellen regelmäßig nicht die einzelnen Einrichtungen als Abrechnungsobjekte hinterlegt. Des Weiteren erfolgt lediglich eine pauschalisierte Abrechnung für die Errichtung und den Betrieb der Notunterkünfte, die von den Kommunen für das Land betrieben werden . Auch hier kann daher eine differenzierte Darstellung der Kosten nicht erbracht werden. 4. Aus welchen Gründen werden Asylsuchende aus sicheren Herkunftsländern nicht in die leerstehenden Landesaufnahmeeinrichtungen zurückgeholt und dabei die Möglichkeit genutzt, diese Personen für die Dauer des Asylverfahrens in den Landesaufnahmeeinrichtungen unterzubringen? Neueinreisende Asylsuchende aus den sicheren Herkunftsstaaten des Westbalkans, neu einreisende Folgeantragsteller aus diesen Staaten sowie Antragsteller aus Georgien, werden bereits vorbehaltlich der sachlichen Eignung des Einzelfalls dem mit dem Bund vereinbarten beschleunigten Asylverfahren zugeführt. Dafür verbleiben sie in den Landeseinrichtungen und werden nicht den Kommunen zugewiesen. Zusätzliche sinnvolle Ausweitungsmöglichkeiten des Aktionsplans werden ständig geprüft. Voraussetzung sind aber nicht nur entsprechende kurzfristige Entscheidungsmöglichkeiten des zuständigen BAMF in den Asylverfahren, sondern ebenso kurzfristige Rückführungsmöglichkeiten in das Herkunftsland. Denn nach § 49 Absatz 1 Asylgesetz ist die Verpflichtung, in Aufnahmeeinrichtungen zu wohnen, zu beenden, wenn eine Abschiebungsandrohung vollziehbar und die Abschiebung kurzfristig nicht möglich ist. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12297 4 Um Asylsuchende aus sicheren Herkunftsländern, die bereits in den Kommunen leben und dort auf die Entscheidung über ihren Asylantrag durch das BAMF warten, zurück in die Landeseinrichtungen zu holen, müsste der verwaltungsrechtliche Widerruf tausender Zuweisungsentscheidungen durch die Behörden zunächst in jedem Einzelfall nach Maßgabe von § 49 Abs. 2 VwVfG NRW geprüft und anschließend ggf. noch durch die Gerichte beurteilt werden . Dies würde sowohl für die Kommunen, wie auch für die betroffenen Menschen massive rechtliche Unsicherheiten und eine Verzögerung des Verfahrens bedeuten. Gerade auch im Hinblick auf die Ankündigungen des BAMF, seine Entscheidungszeiten im Asylverfahren weiter verkürzen zu wollen, erscheint ein Verbleib in den Kommunen bis zum Abschluss des Verfahrens als der bessere Weg. Damit die in den Kommunen aufhältigen Asylsuchenden, die bisher keine Gelegenheit zur Antragstellung hatten, beschleunigt in das Asylverfahren kommen , unterstützt das Land das BAMF und organisiert auf seine Kosten den Prozess der Zuführung in Abstimmung mit dem BAMF und den Kommunen. Bei den gegebenenfalls anstehenden Rückführungsmaßnahmen unterstützt die Landesregierung die Kommunen zukünftig verstärkt durch die Zentralen Ausländerbehörden und die Zentrale Rückkehrkoordination Nordrhein-Westfalens. 5. Wie bewertet die Landesregierung die Notwendigkeit eines Asylkostencontrollings angesichts des Leerstands und vor dem Hintergrund der Aussage eines Sprechers der Bezirksregierung, dass das Verfahren der Zuweisung an die Kommunen verlangsamt worden sei, weil sonst extremer Leerstand in den Landeseinrichtungen zu erwarten sei? Bei der Konsolidierung des Aufnahmesystems hat der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit einen besonderen Stellenwert. Im Rahmen der angestrebten regionalen Ausgewogenheit der Verteilung von Landeseinrichtungen in NRW werden die Standorte auch unter Kostengesichtspunkten in den Blick genommen. Dies betrifft insbesondere auch vom Bund kostengünstig bereitgestellte Liegenschaften, die bevorzugt genutzt werden sollen. Wirtschaftliche Aspekte fanden bereits Berücksichtigung, indem bevorzugt auch die Einrichtungen geschlossen wurden , bei denen die Schließung kompatibel war mit dem Auslaufen von Verträgen mit Betreuungsdienstleistern und Sicherheitsdiensten. Anlage Kapazitäten und Belegungen September 2015 bis Mai 2016 zu den Stichtagen der Berichte an den Innenausschuss 21.09.2015: Einrichtungsart Kapazität Belegung Freie Plätze in Prozent EAE 2.130 3.490 -1.360 -63,85% ZUE 10.406 9.765 641 6,16% NU 40.754 34.845 5.909 14,50% Gesamt 53.290 48.100 5.190 9,74% 15.10.2015: Einrichtungsart Kapazität Belegung Freie Plätze in Prozent EAE 2.530 2.985 -455 -17,98% ZUE 10.442 8.940 1.502 14,38% NU 50.768 45.696 5.072 9,99% Gesamt 63.740 57.621 6.119 9,60% 01.11.2015: Einrichtungsart Kapazität Belegung Freie Plätze in Prozent EAE 3.130 2.856 274 8,75% ZUE 10.462 9.773 689 6,59% NU 58.690 44.793 13.897 23,68% Gesamt 72.282 57.422 14.860 20,56% 25.11.2015: Einrichtungsart Kapazität Belegung Freie Plätze in Prozent EAE 3.330 3.027 303 9,10% ZUE 11.826 10.625 1.201 10,16% NU 62.844 36.348 26.496 42,16% Gesamt 78.000 50.000 28.000 35,90% 12.01.2016: Einrichtungsart Kapazität Belegung Freie Plätze in Prozent EAE 3.830 2.602 1.228 32,06% ZUE 12.415 8.367 4.048 32,61% NU 68.948 24.613 44.335 64,30% Gesamt 85.193 35.582 49.611 58,23% 03.02.2016: Einrichtungsart Kapazität Belegung Freie Plätze in Prozent EAE 4.080 1.542 2.538 62,21% ZUE 12.818 8.872 3.946 30,78% NU 64.544 18.740 45.804 70,97% Gesamt 81.442 29.154 52.288 64,20% 25.02.2016: Einrichtungsart Kapazität Belegung Freie Plätze in Prozent EAE 4.724 2.239 2.485 52,60% ZUE 12.919 10.024 2.895 22,41% NU 62.951 21.265 41.686 66,22% Gesamt 80.594 33.528 47.066 58,40% Anlage 23.03.2016: Einrichtungsart Kapazität Belegung Freie Plätze in Prozent EAE 4.724 1.185 3.539 74,92% ZUE 16.605 9.879 6.726 40,51% NU 55.846 19.518 36.328 65,05% Gesamt 77.175 30.582 46.593 60,37% 13.04.2016: Einrichtungsart Kapazität Belegung Freie Plätze in Prozent EAE 4.855 1.235 3.620 74,56% ZUE 16.983 9.314 7.669 45,16% NU 49.976 16.948 33.028 66,09% Gesamt 71.814 27.497 44.317 61,71% 18.05.2016: Einrichtungsart Kapazität Belegung Freie Plätze in Prozent EAE 5.225 1.657 3.568 68,29% ZUE 17.518 8.460 9.058 51,71% NU 43.946 15.285 28.661 65,22% Gesamt 66.689 25.402 41.287 61,91% Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12297