LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1230 26.10.2012 Datum des Originals: 25.10.2012/Ausgegeben: 31.10.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 504 vom 20. September 2012 des Abgeordneten Jens Kamieth CDU Drucksache 16/1003 Was tut die Landesregierung für die Sicherheit der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher in Nordrhein-Westfalen? Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 504 mit Schreiben vom 25. Oktober 2012 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher geraten im Rahmen ihrer Vollstreckungsaufgaben immer häufiger in Situationen, in denen sie sich im schlimmsten Falle körperlichen Angriffen seitens der Schuldner ausgesetzt sehen. Im Juli 2012 endete eine ebensolche Vollstreckungssituation in Karlsruhe tödlich, als ein 53- jähriger Mann wegen einer ihm drohenden Zwangsräumung neben dem Gerichtsvollzieher drei weitere Beteiligte und schließlich sich selbst erschoss. Immer wieder werden in körperliche Gewalt eskalierende Vollstreckungen, wie der am 5. September 2012 in Olpe erfolgte Angriff auf einen Gerichtsvollzieher bekannt. Dort soll ein Schuldner bei einer Räumung Pfefferspray in hohen Mengen gegen einen Gerichtsvollzieher und einen Mitarbeiter des Ordnungsamtes eingesetzt und beiden erhebliche Verletzungen an den Augen beigebracht haben. Das Aggressionspotential oder eine mögliche Gegenwehr der Schuldner ist für die – in dieser Hinsicht kaum geschulten – Beamten meist nur schwer einzuschätzen oder vorherzusehen. So begleitet die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher in ihrem Dienst das tagtägliche Risiko plötzlich aufkommenden, gefahrenträchtigen Situationen nicht gewachsen zu sein. Aus diesem Grunde kommt der Steigerung der eigenen Sicherheit eine hohe Relevanz zu. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1230 2 1. Ist der Landesregierung der Vorfall aus Olpe vom 05.09.2012 bekannt? Die Landesregierung ist durch Bericht des Präsidenten des Oberlandesgerichts Hamm ausführlich unterrichtet worden. 2. Wie stellt sich der Vorfall aus Olpe vom 05.09.2012 aus Sicht der Landesregie- rung dar? Der bei dem Vorfall angegriffene Gerichtsvollzieher befand sich zur Durchführung einer Räumungsvollstreckung in der Wohnung des Schuldners. Der Schuldner hatte dem Gerichtsvollzieher den Zugang zur Wohnung ohne Widerstand eingeräumt, die Situation war nach den Bekundungen des Gerichtsvollziehers ruhig und unauffällig. Der Schuldner setzte sodann plötzlich und nicht vorhersehbar Pfefferspray gegen den Gerichtsvollzieher und weitere bei der Räumung Anwesende ein. Während der Schuldner in der Wohnung verblieb, gelang es den anderen Personen, die Wohnung zu verlassen und die Polizei zu informieren, die den Schuldner verhaftete. Gegen den Schuldner ist Anzeige erstattet worden. 3. Welchen Umfang nimmt das Thema Eigensicherung im Rahmen der Gerichts- vollzieherausbildung ein? (Bitte Anteil der Stunden an der gesamten Ausbildungsdauer angeben) Im Rahmen der fachtheoretischen Ausbildung der Nachwuchskräfte des Gerichtsvollzieherdienstes - Lehrgänge I und II - werden 20 Unterrichtseinheiten (UE) zu den Themenkomplexen „Eigensicherung“ und „Deeskalation“ durchgeführt. Insgesamt besteht der fachtheoretische Unterricht nach der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für die Laufbahn des Gerichtsvollzieherdienstes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 14. März 2005 (SGV.NRW. 203011) aus 821 UE. Von 10 UE für die Eigensicherung sind 6 UE Pflichtfach, 2 UE zum Thema „Waffenkunde und Waffenrecht“ sowie 2 weitere UE „Eigensicherung“ sind ein freiwilliges Unterrichtsangebot , an dem der weit überwiegende Teil der Gerichtsvollzieheranwärter teilnimmt. Von 10 UE für die Deeskalation sind 6 UE „Theorie und praktische Übungen“ durch eine Psychologin Pflichtfach, 4 UE zum Thema „Kommunikation“ sind ein freiwilliges Unterrichtangebot , das von über 90 % der Gerichtsvollzieheranwärter wahrgenommen wird. 4. Sind diese Teile im Rahmen der Ausbildung verbindlich? Siehe Antwort zu Frage 3. 5. Beabsichtigt die Landesregierung die Aus- und Fortbildung der Gerichtsvollzie- her auch in Bezug auf die eigene Sicherheit zu erweitern, etwa durch die Einführung von Ausbildungsfächern wie Psychologie, Deeskalation, Stresserkennung, Eigensicherung und Mediation? Die Landesregierung hat bereits nach dem Vorfall von Karlsruhe am 4. Juli 2012 eine breit aufgestellte Arbeitsgruppe eingesetzt mit dem Auftrag, die in Nordrhein-Westfalen bereits bestehenden Angebote und Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und Optimierungspotenziale zu ermitteln. Durch Bericht vom 20. September 2012 hat die Landesregie- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1230 3 rung den Landtag zum Thema „Geeignete Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit der über 1.100 Gerichtsvollzieher/innen bei ihrer Arbeit" informiert. Die Arbeitsgruppe hat sich am 19. Oktober 2012 zu einer ersten Sitzung getroffen. Sie hat sich darauf verständigt, eine Erhöhung der Zahl der UE in den Fächern Eigensicherung und Deeskalation sowohl im Rahmen der fachtheoretischen als auch der fachpraktischen Ausbildung zu prüfen. Ebenso soll eine Ergänzung des Fortbildungsprogramms - unter Einbeziehung der Erfahrungen aus der Polizei- und der Steuerverwaltung - in den Blick genommen werden. Die Arbeitsgruppe strebt an, bis Ende dieses Jahres einen Bericht mit konkreten Vorschlägen zu den angesprochenen Themen vorzulegen.