LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1231 26.10.2012 Datum des Originals: 25.10.2012/Ausgegeben: 31.10.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 527 vom 2. Oktober 2012 der Abgeordneten Yvonne Gebauer FDP Drucksache 16/1042 Welche Maßnahmen hat die Landesregierung zur verbesserten Umsetzung des verkürzten gymnasialen Bildungsgangs ergriffen und welche will sie zukünftig noch ergreifen ? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 527 mit Schreiben vom 25. Oktober 2012 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 15. Dezember 2010 hat die Landesregierung einen Maßnahmenkatalog mit sieben Handlungsfeldern vorgestellt, um die Umsetzung des verkürzten gymnasialen Bildungsgangs zu optimieren. Die sieben Handlungsfelder wurden von Seiten der Landesregierung wie folgt benannt: 1) Das neue Gleichgewicht zwischen Hausaufgaben und Schulaufgaben 2) Die eigenverantwortliche Umsetzung der Kernlehrpläne 3) Die flexible Nutzung von Ergänzungsstunden zur individuellen Förderung 4) Die differenzierende Implementierung der zweiten Fremdsprache 5) Die Flexibilisierung der Schulorganisation 6) Die Weiterentwicklung von Ganztag und pädagogischer Übermittagsbetreuung 7) Die nachhaltige Unterstützung und Qualifizierung der Lehrkräfte LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1231 2 Die rot-grüne Landesregierung hatte erklärt, dass die Umsetzungen der genannten Maßnahmen Geduld und Ausdauer verlangen würden. Nachdem diese Handlungsfelder vor rund zwei Jahren benannt worden sind, ist es nunmehr wichtig zu erfahren, welche einzelnen Maßnahmen von Seiten des Landes ergriffen worden sind, um die Umsetzung des verkürzten gymnasialen Bildungsgangs zu optimieren. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob noch weitere Maßnahmen ergriffen werden können und sollten, um für die Schülerinnen und Schüler die Umsetzung des verkürzten gymnasialen Bildungsgangs zu erleichtern. Hierzu zählt z.B. eine noch weitgehendere Verschlankung der Lehrpläne oder auch der stärkere Ausbau des Ganztags an Gymnasien. Vorbemerkung der Landesregierung Die Verkürzung der Schulzeit war zunächst ein Anliegen weitestgehend aller Parteien und gesellschaftlichen Gruppen. Es war geplant, die bisher dreijährige Schulzeit in der gymnasialen Oberstufe auf zwei Jahre zu konzentrieren (10+2 Modell). Die im Jahre 2005 angetretene CDU/FDP-Landesregierung änderte die Planungsgrundlage und verlagerte die Verkürzung der Schulzeit von der gymnasialen Oberstufe in die Sekundarstufe I. Das neue 9+3 Modell löste gegen Bedenken von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie etlicher am Schulleben beteiligten Verbände das 10+2 Modell ab. Diese Form der Verkürzung und vor allem ihre überhastete Einführung wurde von vielen kritisiert. Für die seit Juli 2010 amtierende Landesregierung aus SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN war klar, dass die Gymnasien für den von vielen Schulen bereits mit hohem Engagement und Eigeninitiative begonnenen Prozess der Umsteuerung eine intensivere Begleitung benötigten , als dies bisher der Fall war. Mit Vertreterinnen und Vertretern von Eltern- und Lehrerverbänden, Schulleitungen, betroffenen Eltern und Mitgliedern der Schülervertretung wurden Handlungsfelder identifiziert, die nach Einschätzung der am Schulleben unmittelbar Beteiligten besondere Herausforderungen bei der Umsetzung der Schulzeitverkürzung darstellen. Es kristallisierten sich insbesondere sieben Handlungsfelder heraus, in denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Gesprächsrunde Gymnasien besonderen Unterstützungsbedarf sahen. Dies waren 1. Das neue Gleichgewicht zwischen Hausaufgaben und Schulaufgaben 2. Die eigenverantwortliche Umsetzung der Kernlehrpläne 3. Die flexible Nutzung von Ergänzungsstunden zur individuellen Förderung 4. Die differenzierende Implementierung der zweiten Fremdsprache 5. Die Flexibilisierung der Schulorganisation 6. Die Weiterentwicklung von Ganztag und pädagogischer Mittagsbetreuung 7. Die nachhaltige Unterstützung der Lehrkräfte 1. Welche Maßnahmen sind im Rahmen der genannten sieben Handlungsfelder in den letzten zwei Jahren konkret ergriffen worden (bitte jeweils nach einzelnem Handlungsfeld aufschlüsseln und darstellen)? Die genannten sieben Handlungsfelder können nicht isoliert betrachtet werden, sondern sind im komplexen Gefüge eines schulischen Entwicklungsprozesses miteinander verwoben, weil LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1231 3 jede beabsichtigte Maßnahme immer Auswirkungen auf das Gesamtsystem entfaltet. Vor diesem Hintergrund sind die folgenden Ausführungen zu betrachten. Zum Handlungsfeld Hausaufgaben wurden seitens des Ministeriums für Schule und Weiterbildung umfangreiche Materialien bereitgestellt, die hohe Akzeptanz fanden und landesweit auf Schulleiterdienstbesprechungen vorgestellt und praktisch ausnahmslos in allen Gymnasien verwendet wurden, um auf der Grundlage gültiger Erlasse schulinterne Maßnahmen zur Entlastung der Schülerinnen und Schüler einzuleiten. Bereitgestellte Beispiele von guten Organisationsmodellen wurden von vielen Gymnasien genutzt, um durch neue Rhythmisierungen und günstigere Verteilungen der Stunden bei der Stundenplangestaltung weitere Optimierungsmöglichkeiten zu nutzen. In vielen Bezirksregierungen gab es spezielle Tagungen, in denen sich die Schulleitungen über schulorganisatorische Fragen austauschen und gute Beispiele adaptieren konnten. Dies betrifft auch den Austausch über die Verwendung von Ergänzungsstunden für die individuelle Förderung und für die Möglichkeiten, diese Stunden zur Verlagerung von Lernzeiten in den Unterricht zu nutzen . Fachtagungen, die z.B. für die Fremdsprachen und die Naturwissenschaften vom Ministerium für Schule und Weiterbildung angeboten wurden und auf denen Umsetzungshilfen für die Kernlehrpläne gegeben wurden, fanden großen Zuspruch. Zur Einführung der zweiten Fremdsprache wurden zudem unterstützende Materialien im Internet veröffentlicht. Die Weiterentwicklung von Ganztag und pädagogischer Übermittagsbetreuung stellt ein weiteres Handlungsfeld dar, das seitens des MSW mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt wird. Das gebundene Ganztagsmodell ist dabei kein Modell im Sinne einer bloßen Verlängerung der Schulzeit in den Nachmittag hinein, sondern eine konzeptionell gestaltete Schule über den ganzen Tag. Die Zusammenstellung dieser Aktivitäten zeigt, dass Schulleitungen und Lehrkräfte nachhaltig unterstützt und qualifiziert werden. 2. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung im Rahmen der benannten sie- ben Handlungsfelder zukünftig noch zu ergreifen? Schulleitungen, Schulaufsicht und Kollegien arbeiten mit großem Engagement und hohem Arbeitseinsatz an Optimierungsprozessen. Dafür gebührt ihnen besondere Wertschätzung. Naturgemäß können diese Prozesse auf Grund der inhaltlichen Verflechtungen der einzelnen Handlungsfelder noch nicht in jedem Gymnasium als abgeschlossen bezeichnet werden. Deshalb werden optimierende Maßnahmen zur Umsetzung der Schulzeitverkürzung weiterhin bei allen Schulleiterdienstbesprechungen thematisiert und die Gymnasien in allen genannten Handlungsfeldern durch Materialien, Vorstellen gelungener Umsetzungsbeispiele auf regionalen Veranstaltungen in den Bezirken und durch Fachtagungen unterstützt. Die örtliche Schulaufsicht und die Fachaufsicht sind in diesen Prozess eingebunden und können die Gymnasien in ihren Entwicklungsprozessen beraten. Ein besonderer Fokus wird dabei auf Schülerlaufbahnen am Gymnasium und die individuelle Förderung unter den Bedingungen der Schulzeitverkürzung gelegt. In Kooperation mit der Stiftung Mercator wurde zu Beginn des Schuljahrs das Projekt „Lernpotenziale - Individuell fördern am Gymnasium“ auf den Weg gebracht, an dem sich landesweit 142 Gymnasien beteiligen. Die Ergebnisse sollen allen anderen Schulen zugute kommen. Im Rahmen der Fortbildungsinitiative 2012-2015 wird landesweit die Unterstützung einer standard- und kompetenzorientierten Unterrichtsentwicklung gesichert. 125 Schulentwicklungsberater stehen in den Kompetenzteams bereit und können die Gymnasien bei Bedarf unterstützen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1231 4 3. Plant die Landesregierung über die bestehenden Handlungsfelder hinaus weitere Maßnahmen zu ergreifen? Es besteht ein ständiger Austausch zwischen dem Schulministerium, Vertreterinnen und Vertretern von Eltern-, Schüler-, Lehrer- und Schulleiterverbänden sowie der schulfachlichen Dezernate der Bezirksregierungen, so dass im Bedarfsfall eine Ausweitung über die sieben Handlungsfelder hinaus erfolgen könnte. 4. Teilt die Landesregierung die Einschätzung, dass die Lehrpläne über die bereits erfolgte Verschlankung hinaus einer weiteren Verschlankung bedürfen? Die Fachaufsicht der Gymnasien wird weiterhin die schulinternen Lehrpläne überprüfen und bei Bedarf die Fachkonferenzen hinsichtlich weiterer Entlastungsmöglichkeiten beraten.