LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12317 24.06.2016 Datum des Originals: 24.06.2016/Ausgegeben: 29.06.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4777 vom 11. Mai 2016 des Abgeordneten Gregor Golland CDU Drucksache 16/12005 Härtere Bestrafung von Gewalt gegen Einsatzkräfte Wortlaut der Kleinen Anfrage Gewalt und Widerstand gegen Rettungskräfte und gegen die Polizei nehmen seit Jahren zu. Ein aktueller Vorfall in Essen, bei dem am 5. Mai 2016 ein Reifen eines Notarztwagens zerstochen wurde, hat möglicherweise dazu geführt, dass ein Patient nicht schnell genug in die Klinik gelangte und verstarb (vgl. Rheinische Post und WAZ, 7.5.2016, jew. S. 3). Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich vor kurzem in Hückelhoven, wo ein Rettungswagen absichtlich mit einem Auto zugeparkt wurde. Vorfälle, bei denen Rettungskräfte im Einsatz immer brutaler attackiert werden, mehren sich. Wie der Feuerwehrverband NRW gegenüber der „Rheinischen Post“ angab, haben viele Einsatzkräfte Angst vor Attacken. Laut einer Studie der Ruhr-Universität Bochum erlebten 98 Prozent der Rettungskräfte in NRW schon einmal Beleidigungen und Drohungen im Einsatz. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, im Dienst bereits angegriffen worden zu sein. Gleichzeitig steigt die Zahl der Attacken gegen Polizisten. Erst am 4.5.2016 eskalierte ein Streit um einen Strafzettel in Essen: Bis zu 30 Personen bedrängten zwei Beamte und ließen erst ab, als diese den Schlagstock einsetzten (WAZ, 7.5.2016, S. 3). Nach Berechnungen der GdP wird in NRW alle 67 Minuten ein Polizist angegriffen. Die CDU-Landtagsfraktion hat in der aktuellen Wahlperiode bereits zahlreiche Anträge und Gesetzesentwürfe vorgelegt, um diese Entwicklung zu bekämpfen, zum Beispiel Mindeststrafen für die Täter gefordert. Bis heute wurden alle Vorschläge abgelehnt, gleichzeitig hat die Landesregierung selbst nichts gegen die zunehmende Gewalt unternommen. Auch Fachgewerkschaften wie die Komba sprechen sich für härtere Bestrafungen von Personen aus, die Einsatzkräfte attackieren. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12317 2 In der Antwort auf meine Kleine Anfrage (Drucksache 16/11621) listete die Landesregierung bereits Delikte gegen Einsatzkräfte aus 2015 auf. Sowohl Polizisten als auch Rettungskräfte wie Feuerwehrleute oder Sanitäter sind seit Jahren landesweit von stetig zunehmender Gewaltbereitschaft betroffen. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4777 mit Schreiben vom 24. Juni 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister und der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter beantwortet. 1. Nachdem die Gewalt gegen Einsatzkräfte in NRW auch 2015 zugenommen hat: Wie viele Opfer gab es im ersten Quartal 2016 (Bitte unterscheiden nach Polizeibeamten , Feuerwehrleuten, Rettungssanitätern und Mitarbeitern des Katastrophenschutzes sowie nach Delikten wie Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung usw.) Datenquelle zur Beantwortung der Frage ist die Polizeiliche Kriminalstatistik Nordrhein-Westfalen (PKS). In der PKS werden in der Opferspezifik „Polizeivollzugsbeamte“, „Feuerwehr“ und „sonstige Rettungsdienste“ unterschieden. Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter des Katastrophenschutzes werden in der PKS nicht gesondert ausgewiesen. Die PKS ist eine Jahresstatistik. Sogenannte unterjährige Teilauswertungen sind insoweit statistisch nicht valide, da diese im Verlauf der folgenden Monate durch Nacherfassungen und Korrekturen noch Veränderungen unterliegen können. Im ersten Quartal 2016 wurden 4047 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte (PVB), 52 Mitarbeiterinnen /Mitarbeiter der Feuerwehr, sowie 42 Personen sonstiger Rettungsdienste Opfer einer Gewaltstraftat. Die detaillierte Aufschlüsselung nach Delikten ist in der Anlage 1 dargestellt . Bei der Anzahl der Straftaten erfolgt in dieser „Opferstatistik“ keine Differenzierung zwischen Vollendung und Versuch. 2. Wie viele Fälle gab es im ersten Quartal 2016 (Bitte unterscheiden nach Polizeibeamten , Feuerwehrleuten, Rettungssanitätern und Mitarbeitern des Katastrophenschutzes sowie nach Delikten wie Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung usw.) Die der Anlage 2 zu entnehmende „Fallstatistik“ weist die Anzahl der Versuche aus. Im ersten Quartal 2016 gab es 2174 Fälle (davon 165 Versuche) von Gewalt gegenüber PVB, 40 Fälle (davon 8 Versuche) von Gewalt gegenüber Bediensteten der Feuerwehr sowie 31 Fälle (davon 5 Versuche) von Gewalt gegenüber Personen sonstiger Rettungsdienste. Die detaillierte Aufschlüsselung der Fallzahlen zu den einzelnen Delikten, aufgegliedert nach Personengruppen für das erste Quartal 2016, ist in der Anlage 2 dargestellt. Sofern von einer strafbaren Handlung sowohl PVB als auch Angehörige der Feuerwehr und/oder sonstigen Rettungsdienste betroffen sind, wird dieser Fall in der Spalte „insgesamt“ nur einmal gezählt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12317 3 3. Spricht sich die Landesregierung für schärfere Mindeststrafen bei Tätigkeiten und Angriffen gegen Einsatzkräfte aus? (Bitte auch schildern, wie sie diese ggf. erreichen will oder ausführlich erklären, warum keine Initiative erfolgt.) Derzeit befindet sich der Antrag „Nordrhein-Westfalen muss hessische Bundesratsinitiative zur Schaffung eines neuen Straftatbestandes für tätliche Angriffe auf Polizeibeamte und andere Einsatzkräfte unterstützen!“ (LT-Drs. 16/8979) in der parlamentarischen Beratung. Im Februar 2016 hat im federführenden Innenausschuss eine Sachverständigenanhörung stattgefunden. Die Abstimmungen in den beteiligten Ausschüssen stehen noch aus. Vor diesem Hintergrund soll dem noch andauernden Diskussionsprozess nicht vorgegriffen werden. 4. Welche Ursachen liegen der steigenden Gewaltbereitschaft zu Grunde? Ursachen und Bedingungen für die Gewaltbereitschaft gegenüber Amtsträgern im Allgemeinen und der Polizei im Besonderen zu erkennen und positiv zu ändern, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nur in einem langfristigen Prozess, im Zusammenspiel aller gesellschaftlichen Gruppen, nachhaltig erreichbar. 5. Welche Maßnahmen hält die Landesregierung für sinnvoll, um die steigende Gewalt gegen Einsatzkräfte zu bekämpfen? (Bitte auch erwartete Wirkung darstellen .) Mit Blick auf die in der Antwort auf Frage 4. genannte gesamtgesellschaftliche Aufgabe, wird die Landesregierung im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles Sinnvolle unternehmen, um Gewalt gegen unsere Polizeibeamtinnen und -beamten, Feuerwehrleute, das Rettungsdienstpersonal und Einsatzkräfte des Katastrophenschutzes zu verhindern. Die phänomenologischen Entwicklungen werden ständig beobachtet und analysiert, um so die bestehenden Standards zum Schutz der Einsatzkräfte anzupassen und weiter zu entwickeln. Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte und Rettungsdienste in NRW 1. Quartal 2016 - Opfer - S t r a f t a t insgesamt Polizei Feuer- Sonstige wehr Straftaten insgesamt 4 141 4 047 52 42 darunter: Straftaten gegen das Leben 2 2 davon: Totschlag § 212 StGB 2 2 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung 7 7 davon: Exhibitionistische Handlungen § 183 StGB 7 7 Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit 894 822 36 36 davon: Raub, räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer §§ 249- 252, 255, 316a StGB 11 11 Körperverletzung §§ 223-227, 229, 231 StGB 556 501 29 26 Gefährliche und schwere Körperverletzung §§ 224, 226, 231 StGB 245 234 5 6 Vorsätzliche einfache Körperverletzung § 223 StGB 306 264 23 19 Fahrlässige Körperverletzung § 229 StGB 5 3 1 1 Straftaten gegen die persönliche Freiheit gem. §§ 232-233a, 234, 235, 236, 237, 238,239-239b, 240, 241, 316c StGB 327 310 7 10 davon: Freiheitsberaubung § 239 StGB 4 4 Nötigung § 240 StGB 44 42 2 davon: Nötigung im Straßenverkehr gem. § 240 Abs. 1 StGB 15 14 1 Sonstige Nötigung gem. § 240 Abs. 1 und 4 StGB 29 28 1 Bedrohung § 241 StGB 275 261 4 10 Nachstellung (Stalking) § 238 Abs. 1 StGB 4 3 1 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen 3 238 3 216 16 6 Rettungsdienste Anzahl Opfer Anlage 1 zur Antwort auf die Kleinen Anfrage 4777 Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte und Rettungsdienste in NRW 1. Quartal 2016 - Fälle - S t r a f t a t gemeldet Versuche gemeldet Versuche gemeldet Versuche gemeldet Versuche Straftaten insgesamt 2 238 178 2 174 165 40 8 31 5 darunter: Straftaten gegen das Leben 2 2 2 2 davon: Totschlag § 212 StGB 2 2 2 2 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung 5 5 davon: Exhibitionistische Handlungen § 183 StGB 5 5 Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit 582 176 526 163 30 8 27 5 davon: Raub, räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer §§ 249-252, 255, 316a StGB 9 3 9 3 Körperverletzung §§ 223-227, 229, 231 StGB 394 168 351 155 24 8 20 5 Gefährliche und schwere Körperverletzung §§ 224, 226, 231 StGB 182 110 174 105 4 3 4 2 Vorsätzliche einfache Körperverletzung § 223 StGB 207 58 174 50 19 5 15 3 Fahrlässige Körperverletzung § 229 StGB 5 3 1 1 Straftaten gegen die persönliche Freiheit gem. §§ 232- 233a, 234, 235, 236, 237, 238,239-239b, 240, 241, 316c StGB 179 5 166 5 6 7 davon: Freiheitsberaubung § 239 StGB 1 1 1 1 Nötigung § 240 StGB 32 4 30 4 2 davon: Nötigung im Straßenverkehr gem. § 240 Abs. 1 StGB 11 1 10 1 1 Sonstige Nötigung gem. § 240 Abs. 1 und 4 StGB 21 3 20 3 1 Bedrohung § 241 StGB 143 133 3 7 Nachstellung (Stalking) § 238 Abs. 1 StGB 3 2 1 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen 1 649 1 641 10 4 Feuerwehr Sonstige Rettungsdienste Anzahl Fälle insgesamt Polizei Anlage 2 zur Antwort auf die Kleinen Anfrage 4777 Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12317