LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12325 27.06.2016 Datum des Originals: 24.06.2016/Ausgegeben: 30.06.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4816 vom 31. Mai 2016 des Abgeordneten Marcel Hafke FDP Drucksache 16/12128 Wie begründet die Landesregierung die sich deutlich abzeichnenden schlechteren Förderbedingungen für Kinder mit Behinderungen an der Christian-Morgenstern-Schule in Wuppertal? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Christian-Morgenstern-Schule in Wuppertal ist eine Freie Waldorfschule für Erziehungshilfe und fördert Kinder in den zwei sonderpädagogischen Förderschwerpunkten Emotionale und soziale Entwicklung sowie Lernen. Die rot-grüne Landesregierung hat vor einiger Zeit durch Anpassungen im Rahmen der Ersatzschulfinanzierung eine „wirkungsgleiche“ Übertragung nach den für vergleichbare öffentliche Schulen geltenden Bedarfsparametern vorgenommen . Hierbei wurde eine Einheitsrelation bei der Schüler-Lehrer-Relation von 9,92 für die Förderschwerpunkte Lernen, Emotionale und soziale Entwicklung sowie Sprache beim Grundstellenbedarf gebildet. Diese „wirkungsgleiche“ Übertragung hat für die Schule wie auch für viele entsprechende öffentliche Schulen letztlich deutliche Verschlechterungen bei der Lehrkräfteversorgung zur Folge. Laut vorliegenden Informationen verliert die Schule demnach mehr als 7 Stellen. Die Landesregierung hat nun bereits bei Nachfragen zu anderen Schulen erklärt, dass darüber hinaus Stellen für Mehrbedarfe bereitgestellt würden. Mehrbedarfe I stehen demnach z.B. zur Verfügung, um „Übergangsprozesse zu gestalten“ oder auch „Brüche in der Unterrichtsversorgung im Vergleich zur Bedarfsberechnung auf der Basis der bisherigen Schüler/-Lehrer-Relationen im Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen in Bezug zum 9. Schulrechtsänderungsgesetz zu vermeiden“ (siehe z.B. Drucksache 16/11934). De facto sagt die Landesregierung damit nichts anderes, als dass die von Rot-Grün herbeigeführten Verschlechterungen bei der Stellenversorgung für die Kinder übergangsweise leicht abgefedert werden sollen. Allerdings sollen bei der Christian-Morgenstern-Schule laut Rückmeldungen im Schuljahr 2016/2017 nur 2/3 dieser Stellen(-anteile) genehmigt werden. Ab dem Schuljahr 2017/2018 soll dieser Mehrbedarf I ganz wegfallen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12325 2 Mit den Stellen des sog. Mehrbedarfs II werden laut Schulministerium Schulen gestärkt, die „besondere Maßnahmen zur Unterstützung von Schülerinnen und Schülern mit intensivpädagogischen Bedarfen an sonderpädagogischer Unterstützung im Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung entwickelt haben und praktizieren“ (vgl. ebenfalls Drucksache 16/11934). Laut vorliegender Informationen soll auch der Mehrbedarf II an der genannten Schule ab dem Schuljahr 2016/2017 gekürzt werden oder ganz wegfallen. Letztlich bedeutet insbesondere die gegenwärtige und sich abzeichnend weiter verschlechternde Stellensituation für die Schule deutlich beeinträchtigte Förderbedingungen für Kinder mit Behinderung, die durch die Umsetzung der Inklusion durch die rot-grüne Landesregierung herbeigeführt werden. Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 4816 mit Schreiben vom 24. Juni 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Bei der Christian-Morgenstern-Schule in Wuppertal handelt es sich um eine Freie Waldorfschule (Ersatzschule). Sie wird als Förderschule mit den Förderschwerpunkten Emotionale und soziale Entwicklung sowie Lernen geführt. Genehmigte Ersatzschulen erhalten in Nordrhein-Westfalen (NRW) einen Zuschuss, der sich in der Regel nach den tatsächlichen Ausgaben bemisst (§ 105 Schulgesetz NRW). Diese Ausgaben dürfen bis zur Höhe der Aufwendungen für vergleichbare öffentliche Schulen bezuschusst werden. Nach § 3a Absatz 7 Ersatzschulfinanzierungsverordnung (FESchVO) bemisst sich der Grundstellenbedarf von Förderschulen mit den Förderschwerpunkten Lernen, Emotionale und soziale Entwicklung oder Sprache nach der für diese Förderschwerpunkte in der Verordnung zur Ausführung des § 93 Abs. 2 Schulgesetz NRW (VO zu § 93 Abs. 2 SchulG) festgelegten Relation „Schüler je Stelle“. Förderschulen im Bereich der Förderschwerpunkte Lernen, Emotionale und soziale Entwicklung sowie Sprache bekommen danach den Grundstellenbedarf auf der Grundlage der für diese Förderschwerpunkte festgelegten Schüler/Lehrer-Relation von 9,92 (vgl. § 8 Absatz 1 Nr. 8 der VO zu § 93 Abs. 2 SchulG) refinanziert, sofern für die Schülerinnen und Schüler nach der Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung (AO-SF) ein sonderpädagogischer Unterstützungsbedarf im Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen (LES) festgestellt worden ist. Die für vergleichbare öffentliche Förderschulen in § 9 Absatz 2 Nr. 7 der VO zu § 93 Abs. 2 SchulG vorgesehenen Unterrichtsmehrbedarfe (Mehrbedarfe I und II) werden nach Ermessen der Schulaufsicht zur Verfügung gestellt. Bei den Ersatzschulen werden die Grundstellen- und Mehrbedarfe für die Refinanzierung „wirkungsgleich“ gewährt. Mehrbedarfe I stehen zur Verfügung, um Übergangsprozesse zu gestalten, speziellen Herausforderungen einzelner Schulen zu begegnen und Brüche in der Unterrichtsversorgung im Vergleich zur Be-darfsberechnung auf der Basis der bisherigen Schüler/Lehrer-Relationen im Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen in Bezug zum 9. Schulrechtsänderungsgesetz zu vermeiden. Mit den Stellen des Mehrbedarfs II werden die Schulen gestärkt, die besondere Maßnahmen zur Unterstützung von Schülerinnen und Schülern mit intensivpädagogischen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12325 3 Bedarfen an sonderpädagogischer Unterstützung im Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung entwickelt haben und praktizieren. Diese Mehrbedarfe werden allerdings nicht nach pauschalen Annahmen gewährt, sondern – nach schulfachlichem Votum - unter Berücksichtigung der konkreten Situation der einzelnen Ersatzförderschule (schulfachliche Einzelfallentscheidung) und der geltenden Bewirtschaftungspraxis im Regierungsbezirk – vergleichbar den öffentlichen Schulen. Auch erfolgen die Stellenzuweisungen auf der Grundlage der Mehrbedarfe II zukünftig nicht mehr als Individualzuweisung , d. h. sie sind nicht mehr an einzelne Schülerinnen und Schüler gekoppelt, die zuvor im Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung als schwerstbehindert identifiziert und ausgewiesen wurden. Die Schule weist Art und Umfang ihrer intensivpädagogischen Maßnahmen nach. Ein Vertrauensschutz, dass Mehrbedarf I und Mehrbedarf II unbegrenzt und uneingeschränkt für die Zukunft gewährt werden, ist hierbei nicht vorgesehen. Ein Anspruch des Ersatzschulträgers auf Anerkennung eines gleichbleibenden Mehrbedarfs besteht nicht. Der Mehrbedarf ist – das gilt sowohl für öffentliche als auch für private Förderschulen – keine fixe Größe. Die Grundstellenbedarfe sowie die Mehrbedarfe dürfen gemäß der VO zu § 93 Absatz 2 SchulG immer nur für ein Schuljahr bestimmt werden (vgl. § 93 Absatz 3 Schulgesetz NRW), da die Verordnung dem Haushalt folgt. Infolgedessen ist es schon aus rechtsgrundsätzlichen Erwägungen nicht zulässig, die jeweils nur auf ein Schuljahr bezogenen Mehrbedarfe über mehrere Schuljahre hinweg zu gewähren. Damit wäre der Primat des Haushalts unterlaufen. Der Ersatzschulträger hat somit jährlich einen Antrag zu stellen, wenn er Unterrichtsmehrbedarfe geltend machen will. Sollten infolge dieser vorgenannten Bewirtschaftungspraxis gleichwohl Brüche in der Unterrichtsversorgung nicht vermieden werden können, kann darüber hinaus im Einzelfall unter Anlegung eines strengen Bewertungsmaßstabs die Refinanzierung weiterer Stellenkontingente gemäß § 106 Absatz 10 Schulgesetz NRW gewährt werden. 1. Ist es zutreffend, dass die genannte Schule durch die von Rot-Grün vorgenommenen Änderungen mehr als 7 Lehrerstellen verlieren wird? Nein. Dem Ersatzschulträger sind auf seinen Antrag hin für das Schuljahr 2014/15 Stellen für die Mehrbedarfe I und II im Umfang von 7,15 Stellen und für das Schuljahr 2015/16 im Umfang von 7,37 Stellen zur Refinanzierung zugesagt worden. Für 2016 liegt noch kein Antrag vor. Damit ist dem Träger keine Refinanzierungslücke entstanden; der Minderung des Grundbedarfs infolge der Relationsänderungen steht eine Gewährung der Mehrbedarfe I und II in demselben Umfang gegenüber. 2. Ist es zutreffend, dass der genannten Schule im Schuljahr 2016/2017 lediglich 2/3 der beantragten Stellen des Mehrbedarfs I genehmigt werden? Nein. Für das Haushaltsjahr 2016/17 liegt der zuständigen Bezirksregierung noch kein Antrag vor. Im Übrigen wird auf die Ausführungen in der Vorbemerkung verwiesen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12325 4 3. Ist es zutreffend, dass der genannten Schule ab dem Schuljahr 2017/2018 gar keine Stellenunterstützung mehr im Bereich des Mehrbedarfs I genehmigt wird? 4. Ist es zutreffend, dass an der genannten Schule auch der Mehrbedarf II wegfallen soll (wenn ja oder anteilig, bitte begründen, warum)? Aus Gründen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 3 und 4 gemeinsam beantwortet: Nein. Für öffentliche Förderschulen werden die Mehrbedarfe I und II auch weiterhin gewährt. Dies gilt wirkungsgleich auch für die Förderschulen in freier Trägerschaft (Ersatzschulen). Ein genereller Wegfall der Mehrbedarfe ist nicht geplant. Ob und in welcher Höhe Mehrbedarfe für die Christian-Morgenstern-Schule im Einzelfall refinanziert werden können, richtet sich nach der konkreten Situation an der Förderschule zum Schuljahr 2017/18 auf der Grundlage des für dieses Schuljahr vorgelegten Antrags. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12325