LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12328 27.06.2016 Datum des Originals: 24.06.2016/Ausgegeben: 30.06.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4796 vom 23. Mai 2016 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/12062 Ungerechtfertigte Strafzahlungen für Barzahler in nordrhein-westfälischen Behörden – Wie bewertet die Landesregierung die Praxis von Verwaltungen, Zusatzgebühren bei bar zahlenden Bürgern abzukassieren? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Digitalisierung schreitet in allen Lebensbereichen schnell voran, so auch innerhalb der öffentlichen Verwaltung: Immer mehr Ämter bieten mittlerweile an, Dienstleistungen mittels E- Government zu erledigen. Grundsätzlich nachvollziehbar ist daher auch, dass Behörden die Entrichtung von Verwaltungsgebühren in den vergangenen Jahren gern zunehmend auf elektronische Verfahren umgestellt haben und sich dadurch eine Effizienzsteigerung bei Verwaltungsvorgängen versprechen. Die Zahlung mit der EC-Karte oder Kreditkarte ist inzwischen eine gängige Bezahlmethode in Bürgerbüros, Standes- und Straßenverkehrsämtern, aber auch in anderen öffentlichen Bereichen , wie beispielsweise bei der Entrichtung von Eintrittsentgelten für Schwimmbäder oder Museen. Die Kartenzahlung wird zunehmend von den daran interessierten Bürgern genutzt. Solange es sich hierbei um eine zusätzliche Option zur Rechnungsbegleichung handelt, bringt dieses Angebot allen Beteiligten Vorteile und findet hohe Akzeptanz. Dennoch ist es ebenso Wunsch und gelebte Praxis zahlreicher Bürger, gebührenpflichtige Verwaltungsvorgänge bei einem Ortstermin in einer Behörde dort weiterhin mittels Bargeld begleichen zu wollen. Dies wird auch dadurch dokumentiert, dass die Behörden in der Regel den überwiegenden Anteil der in den Ämtern zu entrichtenden Gebühren bar einnehmen. Bargeldnutzung bietet nämlich unverändert zahlreiche Vorteile: Es ist das einzige gesetzlich garantierte Zahlungsmittel, es ermöglicht die sofortige rechtssichere Handlung und ist anders als bei digitalen Zahlungsdiensten Dritter üblicherweise nicht mit negativen Konsequenzen für die Verbraucher wie etwa Verschuldungsgefahren, Dispozinsen oder Transaktionskosten des Geldverkehrs verbunden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12328 2 So stößt die aktuelle Praxis der Landeshauptstadt Düsseldorf, Zahlungen mittels Bargeld im öffentlichen Bereich durch die Erhebung einer zusätzlichen Zwangsgebühr zurückzudrängen, auf massiven Widerstand. Dieser Verwaltungsakt ist ein klarer Eingriff in die Wahlfreiheit des Zahlungsmittels. Die Stadt Düsseldorf hat am 4. Mai 2016 mitgeteilt, eine Zusatzgebühr in Höhe von einem Euro ab sofort für die Annahme von Bargeld über zehn Euro zu erheben. Die NRZ berichtet dazu am 11. Mai 2016: „Wer in Düsseldorf Gebühren im Bürgerbüro, dem Standes- oder dem Straßenverkehrsamt von mehr als zehn Euro bar bezahlen möchte, muss seit Anfang Mai als Gebühr noch einen Euro oben drauf legen. Die Stadt möchte damit die "erheblichen Folgearbeiten" der Barzahlungen verringern. Sie schätzt die Aufwandskosten auf jährlich etwa 100.000 Euro. Dazu zählen nach Stadtangaben unter anderem die Personalkosten für mehrere Mitarbeiter, die das Geld zählen, die Kontrolle derer und der Geldtransport. Allerdings: Diese Kosten werden durch weniger hohe Barzahlungen nicht geringer. Auch Beträge unter zehn Euro – sie bleiben gebührenfrei – müssen weiter gezählt, kontrolliert und transportiert werden. Auf Nachfrage stellt die Stadt nun vor allem die Zeitersparnis in den Vordergrund. Durch den "Austausch des städtischen Gebührenkassenverfahrens" könne die Stadt jetzt EC-Karten- Zahlung direkt am Platz anbieten. Im Straßenverkehrsamt hätten Kunden mit ihrem Bargeld früher etwa an einem zentralen Kassenautomaten bezahlen müssen – um danach wieder zum Berater zurückzukehren.“ Das Düsseldorfer Amt für Einwohnerwesen nimmt pro Jahr im übrigen Gebühren in Höhe von rund 14 Millionen Euro überwiegend bar ein, wie die Rheinische Post am 4. Mai 2016 veröffentlicht hat. Da Kassen für die verbliebenen Barzahler unverändert vorgehalten werden müssen , dürfte der tatsächliche Einsparbetrag durch die neuen Barzahlungsbeschränkungen eher gering sein. Auch andere Kommunen versuchen, den Barzahlungsverkehr einzudämmen, und die Bürger dahingehend zu erziehen, nur noch mittels Karte zu zahlen. Dazu gehört auch die Stadt Wesseling , die auf ihrer Internetpräsenz den eindeutigen Hinweis gibt: „Der Zahlungsverkehr findet bargeldlos statt. In Ausnahmefällen wird Bargeld angenommen, wenn dieses passend mitgebracht wird.“ In der Zuständigkeit des Landes gibt es ebenfalls einen großen öffentlichen Bereich, in dem seit über einem Jahrzehnt keine Barzahlung mehr möglich ist: Die nordrhein-westfälische Polizei akzeptiert seit 1. Januar 2004 nur noch EC-/Kreditkarten von Verkehrsteilnehmern, die mobil abkassiert werden. Wer nicht über eine solche verfügt, darf seine Zahlungen nicht vor Ort erledigen, sondern wird mit einem aufwändigen Bußgeldverfahren belegt. Vor diesem Hintergrund ist es für das Parlament von besonderem Interesse, eine fachliche Bewertung der Landesregierung zur Zulässigkeit der dargestellten Praktiken zu erhalten, ob Nordrhein-Westfalen ein Land ist, in dem die Bürger ihre Zahlungsmittel selbst wählen und ohne mögliche Nachteile des elektronischen Verfahrens Gebühren begleichen können. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4796 mit Schreiben vom 24. Juni 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin und allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12328 3 1. Wie bewertet die Landesregierung streng rechtlich betrachtet die formale Zulässigkeit der Praxis von Behörden, Zusatzgebühren bei bar zahlenden Bürgern abzukassieren , die damit öffentliche Zahlungsverpflichtungen an Ort und Stelle erfüllen ? (bitte ausführlich begründete Darlegung) Die Landesregierung hat in der Antwort zu Frage 140 der Großen Anfrage 16 der FDP-Fraktion „Mehr Chancen für jeden statt Regeln für alles – Ausmaß und Auswirkungen der kontinuierlich anwachsenden Regelungsdichte in Nordrhein-Westfalen für Bürger, Unternehmen und öffentliche Haushalte sowie Auswege aus dem Bürokratiedickicht für mehr Freiheit, Effizienz und Wachstum“ (Drs. 16/8761) zu der Frage Stellung genommen, welche elektronischen Zahlungsmöglichkeiten bei Verwaltungsgebühren in Nordrhein-Westfalen zulässig sind. In diesem Zusammenhang wurde dargelegt, dass Zahlungen in einzelnen Bereichen auch bar angenommen werden. Auf die Antwort zu Frage 140 der Großen Anfrage 16 (Drs. 16/10351) wird verwiesen . Elektronische Zahlungsmöglichkeiten und Barzahlung sind im Rechtsverkehr grundsätzlich gleichermaßen zulässige Zahlungsmittel. Eine Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Gebühr für Bareinzahlungen existiert im Gebührengesetz NRW und in der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung nicht. Aus dem kommunalen Bereich ist der Landesregierung lediglich der in der Kleinen Anfrage angesprochene Einzelfall der Stadt Düsseldorf bekannt. Nach Angabe der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde erhebt die Stadt Düsseldorf in ihren Dienststellen des Einwohnerwesens eine Zusatzgebühr von 1,00 € bei Bargeldzahlungen ab 10,00 € auf der Grundlage ihrer Verwaltungsgebührensatzung i.V.m. dem Gebührentarif zur Verwaltungsgebührensatzung, Tarifstelle 9. Dieser Gebührentarif wurde im Jahr 2012 eingefügt, um die durch die Entgegennahme von Bargeld im Amt für Einwohnerwesen entstehenden Kosten teilweise zu kompensieren , und wird in der Praxis seit Mai 2016 angewandt, da vor diesem Zeitpunkt nicht alle Arbeitsplätze im Bereich Einwohnerwesen für eine bargeldlose Bezahlung technisch ausgestattet waren. Rechtsgrundlage für diese Verwaltungsgebührensatzung ist § 7 der Gemeindeordnung für das Land NRW i.V.m. §§ 4 und 5 des Kommunalabgabengesetzes für das Land NRW (KAG). Die Kommunen können danach Gebühren erheben, soweit nicht nach § 1 KAG durch Landesoder Bundesrecht etwas anderes bestimmt ist und es sich um eine Gebühr für eine Amtshandlung oder sonstige Tätigkeit der Verwaltung handelt, die zum Selbstverwaltungsbereich der Kommune gehört. 2. Welche politische Haltung nimmt die Landesregierung ein zur zunehmenden Praxis von Behörden, Zusatzgebühren bei bar zahlenden Bürgern abzukassieren, die so öffentliche Zahlungsverpflichtungen an Ort und Stelle erfüllen? (ausführliche Begründung erbeten) Eine in der Fragestellung unterstellte zunehmende Praxis von Behörden, Zusatzgebühren bei bar zahlenden Bürgern zu erheben, ist der Landesregierung nicht bekannt. Deshalb erübrigt sich eine politische Bewertung. 3. In konkret welchen einzelnen Bereichen unserer Landesverwaltung und der Kommunen in Nordrhein-Westfalen sind Barzahlungen bereits heute nicht mehr möglich oder mit Aufpreis verbunden? In Bezug auf die Landesverwaltung wird auf die Antworten der Landesregierung zu den Fragen 140 und 141 der o.g. Großen Anfrage 16 verwiesen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12328 4 Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, in welchen konkreten Bereichen der Kommunen in NRW Barzahlungen bereits heute nicht mehr möglich oder mit einem Aufpreis verbunden sind. 4. Wie hat sich genau die absolute Höhe der Bargeldeinnahmen von Landesbehörden durch dortige persönliche Einzahlungen differenziert nach den einzelnen Ressorts jeweils jährlich in den Jahren 2010 bis 2015 entwickelt? Die Landesregierung führt keine Statistik im Sinne der Fragestellung. 5. Welche genauen Kosten für den gesamten ein- und ausgehenden Zahlungsverkehr hat die Landesverwaltung jeweils jährlich in den Jahren 2010 bis 2015 aufzubringen gehabt? (vollständige Berücksichtigung aller öffentlichen Kosten differenziert nach Kategorien wie Bankentgelten, Einbehalten von Zahlungsdienstanbietern oder Systementgelten für eine IT-Zahlungsplattform etc. erbeten) Die Landesregierung führt keine Statistik im Sinne der Fragestellung. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12328