LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12404 30.06.2016 Datum des Originals: 30.06.2016/Ausgegeben: 05.07.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4810 vom 25. Mai 2016 der Abgeordneten Susanne Schneider FDP Drucksache 16/12078 Übermittlung sensibler Patientendaten an Krankenkassen und MDK – erfüllt die Praxis den Datenschutz? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Zur Prüfung einer Arbeitsunfähigkeit sind oft sensible Patientendaten wie Arztbriefe, Behandlungspläne, Befunde durch mitbehandelnde Ärzte, Berichte von Rehabiltationsmaßnahmen, etc. heranzuziehen. In der Ärzteschaft bestehen dabei Bedenken, diese Daten nicht direkt an den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) zu übermitteln, sondern auch Sachbearbeitern der Krankenkassen zugänglich zu machen. Krankenkassen dürfen gemäß § 284 Abs. 1 Nr. 4 SGB V Sozialdaten für Zwecke der Krankenversicherung erheben und speichern, soweit diese für die Prüfung der Leistungspflicht und der Erbringung von Leistungen an Versicherte erforderlich sind. Gemäß § 284 Abs. 1 Nr. 7 SGB V dürfen sie Sozialdaten ebenfalls erheben und speichern, soweit diese für die Beteiligung des MDK erforderlich sind. Im Falle einer Arbeitsunfähigkeit kann die Krankenkasse demnach Patientendaten anfordern, um entweder selber die Leistungspflicht zu prüfen oder eine Begutachtung durch den MDK in die Wege zu leiten. Nach § 275 Abs. 1 Nr. 3 SGB V sind die Krankenkassen verpflichtet, eine gutachterliche Stellungnahme durch den MDK einzuholen, um den Behandlungserfolg zu sichern, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder um Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit zu beseitigen. § 4 Abs. 3 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie regelt die Anforderung weiterer Informationen zur Arbeitsunfähigkeit durch die Krankenkasse, die in der Regel frühestens nach einer kumulativen Zeitdauer der Arbeitsunfähigkeit von 21 Tagen zulässig ist. § 6 Abs. 1 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie regelt die Anforderung der erforderlichen krankheitsspezifischen Unterlagen zur Begutachtung durch den MDK. Dabei sollen jeweils vereinbarte Vordrucke verwendet werden. Nach § 276 Abs. 2 SGB V sind die für eine Begutachtung durch den MDK LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12404 2 erforderlichen Unterlagen von den Leistungserbringern unmittelbar an den MDK zu übermitteln. Die Krankenkasse soll keine Kenntnis von den nur für den MDK bestimmten Daten erhalten. Insofern ist bei der Anforderung von Patientenunterlagen zu unterscheiden, ob die Krankenkasse selber weitere Informationen zur Prüfung der Leistungspflicht benötigt, oder ob eine Begutachtung durch den MDK eingeleitet werden soll, wobei die Unterlagen direkt an den MDK zu übermitteln sind. In der Regel wird die Krankenkasse von einer Begutachtung absehen, wenn sich die Voraussetzungen einer Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben. Allerdings sollte sich aus der Anfrage bzw. dem begleitenden Anschreiben eindeutig erkennen lassen, ob die Unterlagen zu einer Prüfung durch die Krankenkasse oder zur Einleitung einer Begutachtung durch den MDK dienen sollen. In der Praxis werden nach Berichten aus der Ärzteschaft hingegen von Krankenkassen teilweise Schreiben verwendet, die eine unmittelbare Weiterleitung an den MDK vorgeben, obwohl eine Einleitung einer Begutachtung nicht ersichtlich ist. Es ist nicht auszuschließen, dass zunächst umfangreiche Unterlagen von der Krankenkasse angefordert werden und von Sachbearbeitern daraufhin geprüft werden, ob eine Begutachtung durch den MDK eingeleitet werden soll. Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 4810 mit Schreiben vom 30. Juni 2016 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie beurteilt die Landesregierung die bestehende Praxis zur Anforderung von Patientenunterlagen zur Arbeitsunfähigkeit im Hinblick auf den Datenschutz? Der Datenschutz für die Patientenunterlagen gemäß § 276 Absatz 2 SGB V ist gewährleistet. Die Anforderungen der Kassen an die Ärztinnen und Ärzte sind mit dem Hinweis verbunden, die Unterlagen, die für den Medizinischen Dienst (MDK) bestimmt sind, in einem gesonderten, verschlossenen Umschlag (sog. Umschlagsverfahren) an den MDK weiterzuleiten. Teilweise wird der Anforderung bereits ein Umschlag des MDK beigefügt, sodass die Unterlagen direkt in den an den MDK adressierten Umschlag eingelegt werden können. Dadurch ist gewährleistet, dass die Daten unmittelbar an den MDK übermittelt werden. Auch der MDK Nordrhein und der MDK Westfalen-Lippe beurteilen die Anforderung von Patientenunterlagen bei Arbeitsunfähigkeit aus datenschutzrechtlicher Sicht als datenschutzkonform. Sie bestätigen, dass erforderliche medizinische Unterlagen zur ausschließlichen Einsicht durch den MDK zur Durchführung einer Begutachtung im verschlossenen Umschlag angeboten werden. Die Umschlagsanforderungen bei den Ärztinnen und Ärzten sind gekennzeichnet mit dem Hinweis, dass dieser Brief nur vom MDK geöffnet werden darf. 2. Wie bewertet die Landesregierung in diesem Sinne die von der Landesaufsicht unterliegenden Krankenkassen verwendeten Anfragenvordrucke bzw. Anschreiben? Die Anfragevordrucke entsprechen den Vorgaben für das Umschlagsverfahren und sind nicht zu beanstanden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12404 3 Die Unterlagenanforderung erfolgt zur Sachverhaltsbeurteilung durch den MDK mit dem Hinweis, dass die Unterlagen in einem gesonderten Umschlag zu versenden sind, der gekennzeichnet ist durch den Hinweis „Nur vom MDK zu öffnen“. Dieser Umschlag wird in einem zweiten Umschlag versandt, der an die Krankenkasse adressiert ist. Dieses spezielle Verfahren wird, wie bereits in Frage 1 erläutert, „Umschlagsverfahren“ genannt. 3. Wie könnte nach Einschätzung der Landesregierung eine eindeutige Differenzierung einer Anforderung von Unterlagen zur Prüfung durch die Krankenkasse und einer Anforderung von Unterlagen zur Begutachtung durch den MDK erreicht werden? Eine Differenzierung findet in der Praxis statt und ergibt sich aus verschieden formulierten Anschreiben. Für die Unterlagenanforderung für den MDK findet das in den Antworten zu den Fragen 1 und 2 beschriebene „Umschlagsverfahren“ Anwendung. Für die Anforderung von Unterlagen für eigene Zwecke verwenden die Krankenkassen in der Regel gemäß der Begutachtungsanleitung „Arbeitsunfähigkeit“ eine aktuelle, mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) abgestimmte Arztanfrage („Muster 52: Bericht für die Krankenkasse bei Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit“). Das Formular wird gemäß Begutachtungsanleitung frühestens nach kumulativer Dauer von 21 Tagen Arbeitsunfähigkeit eingesetzt. Die Vertragsärztin/der Vertragsarzt erteilt der Krankenkasse in der Regel innerhalb von drei Werktagen weitere Informationen auf dem vereinbarten Vordruck. Bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist das Formular mit Ausfüllanleitung durch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte über einen Link abrufbar. 4. Inwiefern ist die Landesregierung gegenüber den ihrer Aufsicht unterliegenden Krankenkassen bereits aktiv geworden, um den Datenschutz und die Verfahren zur Übermittlung von Patientendaten zu verbessern? Mit den Verbänden der Krankenkassen auf Bundesebene und der MDK-Gemeinschaft wurde kürzlich im Einvernehmen mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) und der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) ein neues elektronisches Mitteilungsverfahren (MiMa) abgestimmt. Mit dem MiMa wird das Ziel verfolgt, die Umstellung des bestehenden „Umschlagsverfahren“ durch automatisierte Arbeitsschritte dahingehend zu unterstützen, dass der MDK automatisiert eine Mitteilung erhält, wenn die Krankenkasse medizinische Unterlagen anfordert. Diese Mitteilung führt auf Seiten des MDK dazu, dass eingehende Unterlagen eindeutig zugeordnet werden können. Aus diesem Verfahren heraus erfolgt eine Mitteilung an die Krankenkasse, wenn die angeforderten Unterlagen eingegangen sind. Die Implementierung dieser automatisierten Arbeitsschritte erfolgt durch die Einbettung in das bisher bereits bestehende bundeseinheitliche Datenaustauschverfahren zwischen den Krankenkassen und den MDKs. Die konzeptionelle Entwicklung des Datenaustauschverfahrens erfolgte unter Federführung des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) in Zusammenarbeit mit den Verbänden der Krankenkassen auf Bundesebene und dem Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS). Die Beratungen sind bereits so weit fortgeschritten, dass ab April 2016 mit der Test- und Pilotierungsphase begonnen werden konnte. Die bundesweite LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12404 4 Einführung des Datenaustausches erfolgt zum 01.01.2017. Die hierzu abgestimmten Dokumente werden über die Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene veröffentlicht. Dadurch bleibt auch nach dem 01.01.2017 bei Anforderung von ärztlichen Unterlagen durch die Krankenkassen und einer Direktübermittlung der Unterlagen an den MDK die unmittelbare Abstimmung zwischen MDK und Krankenkassen sichergestellt. Das bisher praktizierte Umschlagsverfahren wird zum 31.12.2016 endgültig abgelöst Die Landesregierung wird die Einhaltung des neuen Verfahrens überwachen und im weiteren Verlauf Erkenntnisse und Erfahrungen bei der Umsetzung erfassen und evaluieren. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12404