LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12411 30.06.2016 Datum des Originals: 30.06.2016/Ausgegeben: 05.07.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4822 vom 1. Juni 2016 der Abgeordneten Holger Ellerbrock und Henning Höne FDP Drucksache 16/12147 Ein Jahr Mietpreisbremse – Erfolg oder Flop für den nordrhein-westfälischen Wohnungsmarkt? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit der Einführung der Mietpreisbremse durch die Große Koalition in Berlin ist ein weiterer großer Schritt zur Deformation der sozialen Marktwirtschaft gegangen worden. Die regierungstragenden Fraktionen aus CDU/CSU und SPD in Berlin greifen durch die regulierende Wirkung der Mietpreisbremse massiv in das Zusammenspiel aus Angebot und Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt ein. Dabei suggerieren sie den Wählerinnen und Wählern, dass die Politik durch regulative Vorgaben die Mieten de facto begrenzen könne und somit Wohnraum insbesondere auch für die untersten Einkommensklassen in jeder Wohnlage zur Verfügung stehen könnte. In Folge dessen hat die Rot-Grüne Landesregierung am 1. Juli 2015 mit der Mietpreisbegrenzungsverordnung 22 Kommunen im Land Nordrhein-Westfalen zu Städten mit angespannten Wohnungsmärkten erklärt und damit dort die Mietpreisbremse eingeführt. In diesen Städten dürfen die erhobenen Mietpreise bei Wiedervermietungen von Bestandswohnungen maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Ausnahmen bilden die Vermietung von Neubauten, die Vermietung nach umfassenden Modernisierungsmaßnahmen, schon vorherige Mietpreise oberhalb der seit einem Jahr regulativ vorgegebenen und politisch gewünschten Preisen der Miete sowie Vermietungen nach aufwändigen Modernisierungsmaßnahmen vor Mietbeginn. Wohnungsbauminister Michael Groschek erklärte am 23. Juni 2015 zum Beschluss des Kabinetts zur Einführung der NRW-Mietpreisbremse in 22 Städten: „Wir wollen so verhindern, dass weniger einkommensstarke Mieter aus Städten wie Köln oder Düsseldorf verdrängt werden und wir Quartiere nur für Besserverdienende bekommen.“ Heute kommt eine Studie des DIW Berlin zu dem Ergebnis: „Die Mietpreisbremse hat bisher die Hoffnung nicht erfüllt, den Anstieg in angespannten Wohnungsmärkten zu verlangsamen und so den Zugang von BezieherInnen kleiner und mittlerer Einkommen zum Wohnungsmarkt zu verbessern“ (Pressemitteilung des DIW vom 1. Juni 2016). Weiter heißt es: “Die Ergebnisse zeigen, dass die Entwicklung der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12411 2 Mieten von der Regulierung nahezu unbeeinflusst blieb. Im gesamten Untersuchungszeitraum sind die Angebotsmieten in allen untersuchten Regionen jährlich um etwa 2,6 Prozent gestiegen . Die Einführung der Mietpreisbremse hat diesen Trend in den meisten Regionen kurzfristig deutlich beschleunigt“ (Pressemitteilung des DIW vom 1. Juni 2016). Die Freien Demokraten haben schon die Einführung der Mietpreisbremse kritisiert. Sie ist mit ihrer planwirtschaftlichen Ausrichtung klar das falsche Instrument. Es versucht an den Symptomen einer verfehlten Wohnungsmarktpolitik herumzudoktern statt die tatsächlichen Ursachen der Probleme des Wohnungsmarktes effektiv zu bekämpfen. Ein Jahr nach Einführung der Mietpreisbremse tritt nun wissenschaftlich untersucht ein, was Kritiker schon vorher prognostizierten: Diese Mietpreisbremse bremst die Mieten nicht. Im Gegenteil : In Ballungsgebieten, in denen sie eigentlich Mietpreise drosseln sollte, steigen die Mieten ungebremst weiter an. Nach Berechnungen des Immobiliendienstleisters JLL sind die angebotenen Mietpreise im zweiten Quartal 2015 allein in den NRW-Metropolen Düsseldorf und Köln zwischen vier und fünf Prozent in Bezug auf den Vergleichszeitraum des Vorjahres ungehindert angestiegen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nach Angaben der Beratungsfirma, F+B Forschung und Beratung für Wohnen, insbesondere in kleineren Gemeinden vielfach kein Mietspiegel vorliegt und auch die vorhandenen Mietspiegel keiner einheitlichen Definition unterliegen. Die Aussagefähigkeit und Vergleichbarkeit der vorhandenen Mietspiegel ist somit nicht einheitlich gewährleistet . Ursächlich für die nicht flächendeckende Existenz von Mietspiegeln in den Kommunen ist unter anderem die Tatsache, dass die Gemeinden selbst für die kostenintensive Erstellung eines Mietspiegels aufkommen müssen (vgl. Handelsblatt, 29. Mai 2016). Auf angespannten Wohnungsmärkten helfen nur neue Wohnungen den Mieterinnen und Mietern , günstig Wohnraum anmieten zu können. Die Mietpreisbremse zeigt sich in der jetzigen Ausgestaltung als Investitionsverhinderungsinstrument und damit als echte Baubremse. Sie ist deshalb kontraproduktiv und alles andere als förderlich, um neue Wohnungen am Markt entstehen zu lassen. Es müssen deshalb wirkungsvolle Anreize für Investitionen in den Wohnungsbau gesetzt werden. Vor allem müssen daher mehr Bauflächen in den nordrhein-westfälischen Städten und Gemeinden geschaffen werden sowie Planungs- und Erstellungsprozesse von Bauprojekten beschleunigt werden. Dazu gehört auch, die steuerliche Abschreibungsmöglichkeit von Neubauten für den Mietwohnungsmarkt zu verbessern. Dieser Ansatz wurde in Berlin verfolgt, jedoch in der entscheidenden Sitzung des zuständigen Ausschusses im Bundestag, auf unbestimmt vertagt. Auf die dringende Notwendigkeit zur besseren steuerlichen Absetzbarkeit weist auch der Städte- und Gemeindebund NRW in seinem aktuellen Positionspapier: „Kommunale Forderungen zur Verbesserung der Wohnungsbauentwicklung“ hin. Statt einzusehen, dass die Mietpreisbremse nicht wirkt und sie wieder abzuschaffen, arbeiten SPD und CDU/CSU in Berlin indes an weiteren Verschärfungen des Mietwohnrechts. So soll beispielsweise der relevante Mietspiegel von vier auf acht Jahre verdoppelt werden. Durch diesen statistischen Kniff will die Große Koalition Mieten künstlich einfrieren. Kosten für die Modernisierung einer Wohnung sollen künftig nicht mehr zu elf Prozent sondern nur noch zu acht Prozent auf die Mieten umgelegt werden dürfen. Dies sind nur zwei Beispiele der weiteren Vorschläge aus dem Bundesjustizministerium, die verdeutlichen, dass die Große Koalition neue, massive staatliche Eingriffe in das privatwirtschaftliche Zusammenspiel auf dem Wohnungsmarkt vorantreibt. Es steht dabei insgesamt zu befürchten, dass der Mietwohnungsbau für Kleininvestoren aus dem Mitte der Gesellschaft immer unattraktiver wird und am Ende wenige Großunternehmen im Markt eine dominante Stellung einnehmen können und sich so eine angebotsoligopolistische Struktur im Wohnungsbau etabliert. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12411 3 Der Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr hat die Kleine Anfrage 4822 mit Schreiben vom 30. Juni 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk und dem Justizminister beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz des Bundes vom 21.04.2015 wurde durch § 556d Absatz 1 BGB die Möglichkeit geschaffen, den Anstieg der Mieten bei der Wiedervermietung von Bestandswohnungen auf die ortsübliche Vergleichsmiete zuzüglich 10 Prozent zu begrenzen. Die Landesregierung hat die Ermächtigungsgrundlage zeitnah umgesetzt und durch Verordnung Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten gemäß § 556d Absatz 2 Satz 1 BGB bestimmt . Die Verordnung vom 23.06.2015 ist am 01.07.2015 in Kraft getreten und umfasst 22 Kommunen . 1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über die Entwicklung der Mieten in den 22 Städten in Nordrhein-Westfalen im letzten Jahr nach Einführung der Mietpreisbremse vor? (Bitte kommunenscharf und detailliert angeben.) Die gesetzliche Regelung zur Begrenzung der Miete bei Wiedervermietungen von Wohnraum wirkt ausschließlich zivilrechtlich im Verhältnis Mieter/Vermieter. Mit dem Gesetz ist keine Bericht - oder Erhebungspflicht verbunden. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat angekündigt, die Regelungen zu evaluieren. Eine fundierte Evaluierung setzt voraus, dass die Regelung eine gewisse Zeit in Kraft ist und ausreichende Erfahrungen aus der Praxis gegeben sind. 2. Inwieweit bewertet die Landesregierung die Mietpreisbremse ein Jahr nach ihrer Einführung als erfolgreiches und damit zielführendes Instrument, um die Mieten in Nordrhein-Westfalen entsprechend zu bremsen? Für eine belastbare Einschätzung zur Wirksamkeit der Mietpreisbremse in den in der Verordnung genannten Städten ist es ein Jahr nach Einführung der Mietpreisbremse zu früh. Das Bauministerium steht mit den Eigentümer- und Mieterverbänden sowie mit der Wohnungsmarktbeobachtung der NRW.Bank im Austausch. Die Evaluierung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ist abzuwarten. 3. In welchen nordrhein-westfälischen Städten, in denen die Mietpreisbremse gilt, liegt ein qualifizierter Mietpreisspiegel nach § 558d BGB vor? (Bitte alle Kommunen namentlich aufzählen.) In den Städten Bielefeld, Bonn, Münster und Troisdorf liegt ein qualifizierter Mietspiegel vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12411 4 4. Wie bewertet die Landesregierung die konkreten Vorschläge des Bundesjustizministeriums für eine weitere Mietrechtsreform vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass dringend einer wirkungsvollen Wohnungsbauoffensive der Weg bereitet werden muss? (Bitte jeweils eine Bewertung für jede der vorgeschlagenen Maßnahmen abgeben und diese ausführlich begründen.) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat bislang lediglich im November 2015 ein Grundlinienpapier veröffentlicht. Sobald ein auf Bundesebene abgestimmter Referentenentwurf vorliegt, wird sich die Landesregierung im Rahmen der Länderanhörung zu den vorgeschlagenen Reformpunkten verhalten. 5. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass der nordrhein-westfälische Wohnungsmarkt auch für Kleininvestoren als attraktiv wahrgenommen wird und sich dadurch keine angebotsoligopolistische Struktur am Markt verfestigen kann? In NRW ist eine angebotsoligopolistische Struktur am Wohnungsmarkt nicht zu erkennen. Laut Wohnungsmarktbericht der NRW.Bank 2015 (S. 36) gliedert sich die Eigentümerstruktur des Wohnungsbaus wie folgt: 60 % private Eigentümer, 17 % Unternehmen, 23 % Eigentumswohnungen. Die Interessen der Kleininvestoren und vor allem auch die Frage, wie diese unterstützt werden können, hat die Landesregierung zusammen mit den Interessenverbänden im Bündnis für Wohnen stets im Blick. Anfang November 2015 hat das Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr (MBWSV) mit dem (Landes)Bündnis für Wohnen eine neue Wohnungsbauoffensive gestartet. Bausteine der Offensive sind Maßnahmen wie Bauland- und Leerstandsmobilisierung, Bauerleichterungen, die Forderung nach steuerlichen Vergünstigungen sowie verbesserte Absprachen mit allen Beteiligten. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12411