LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12461 07.07.2016 Datum des Originals: 07.07.2016/Ausgegeben: 12.07.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4828 vom 3. Juni 2016 der Abgeordneten Susanne Schneider FDP Drucksache 16/12159 Empfehlungen der Stadt Essen zur Homöopathischen Reiseapotheke – Zu welcher Bewertung kommt die Landesregierung? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Homöopathie ist als eine der sogenannten alternativmedizinischen Behandlungsmethoden äußert umstritten. So hält die Mehrzahl der Wissenschaftler die Homöopathie als wissenschaftlich widerlegt. Die häufig zitierte Metaanalyse von Aijing Shang, Prof. Matthias Egger et al (2005) stellte zum Beispiel bei der Überprüfung von 110 Homöopathie-Studien fest, dass kein Unterschied zwischen einer Behandlung mit Placebos und einer Globuli-Therapie festzustellen sei. Auch wird in homöopathischen Mitteln die Wirksubstanz so stark verdünnt, dass sie chemisch häufig nicht mehr nachweisbar ist. Gleichwohl hat die Homöopathie viele Unterstützer und Anhänger, die trotz häufig fehlender Evidenz auf die Wirksamkeit von Globuli pochen. Auch NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens stellte bei der Eröffnung des Deutschen Homöopathiekongresses 2011 fest, dass die Homöopathie einen „festen Platz in unseren Gesundheitssystem haben“ müsse und sie selbst von der Homöopathie überzeugt sei. Erst vor wenigen Tagen kommentierte ein emeritierter Professor für Alternativmedizin in der FAZ die Diskussion um die Wirksamkeit der Homöopathie mit den Worten: „Das ist in eine Art Glaubenskrieg ausgeartet, der mit Medizin nicht mehr viel zu tun hat.“ Hintergrund ist der in Bremen stattfindende Homöopathen-Kongress. Einen Tag später, am 31.05.2016, veröffentliche die Stadt Essen auf ihrer offiziellen Homepage den Artikel „Top 10 Homöopathische Reiseapotheke“ mit dem Untertitel „Diese Mittel sollten mit!“, der den Essenern für die anstehende Reisezeit einen Überblick über die wichtigsten Mittel bei „Reiseerkrankungen“ oder „Verletzungen“ geben soll. Einige Medien wie die „Ruhrbarone“ oder die WAZ vom 03.06.2016 haben dies aufgegriffen. So wird bei einer „Lebensmittelvergiftung“ Okoubaka D3 empfohlen, bei „wässrigem Durchfall und Erbrechen“ Arsen (Arsenicum album D12), bei „Insektenstichen und LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12461 2 Entzündungsprozessen“ Apis mellifica D12, bei „Prellungen, Quetschungen, Blutergüssen, Schürfwunden, Muskelkater, Sportverletzungen, Zahnschmerzen, Entzündungen. Mögliche Ursachen sind Stürze oder stumpfe Stöße, Operationen, Überanstrengung, Infektionen“ Bergwohlverleih (Arnica montana C30) oder bei „entzündlichen Erkrankungen“ Sturmhut (Aconitum D12). Zu den oben genannten Globuli wird auf der Seite eigens eine Dosierungsanleitung angegeben. So sollen im „akuten Krankheitsfall“ sofort „5 Globuli oder Tropfen der ausgewählten Arznei direkt genommen und vor dem Herunterschlucken etwa eine Minute im Mund hin und her bewegt“ bewegt werden. Sollte keine Besserung eintreten, wird empfohlen einen Therapeuten aufzusuchen. Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 4828 mit Schreiben vom 7. Juli namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die gesundheitliche Versorgung hat sich an den individuellen Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten zu orientieren und den Menschen vorbehaltlos in den Mittelpunkt der medizinischen Versorgung zu rücken. Dabei stellen alternative Behandlungsmethoden einen ergänzenden Baustein zur schulmedizinischen Versorgung dar und es gibt Bereiche, in denen Patientinnen und Patienten von abgestimmten integrativen oder komplementär-medizinischen Angeboten profitieren können. Vielfalt in der Herangehensweise und im Zugang zu Patientinnen und Patienten kann nur hilfreich sein. In diesem Sinne können auch bei der Zusammenstellung einer Reiseapotheke homöopathische Arzneimittel eine individuelle Ergänzung neben klassischen Arznei- und Verbandsmitteln zur akuten Versorgung darstellen. 1. Wie bewertet die Landesregierung die Empfehlungen der Stadt Essen im Hinblick auf die tatsächliche Wirksamkeit der Top 10 der Homöopathischen Reiseapotheke im Falle von „Reiseerkrankungen“ oder „Verletzungen“? 5. Hält die Landesregierung die empfohlene Reise-Apotheke auf der Seite der Stadt Essen für ausreichend oder würde sie diese um weitere homöopathische Mittel erweitern? Aus Gründen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 und 5 gemeinsam beantwortet. Es obliegt nicht der Landesregierung, die im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung veröffentlichte Pressemeldung der Stadt Essen im Hinblick auf die tatsächliche Wirksamkeit und Vollständigkeit der Liste der Homöopathika fachlich zu bewerten. 2. Wie bewertet die Landesregierung die Empfehlung im Falle einer ausbleibenden Besserung einen Therapeuten - statt einen Hausarzt - aufzusuchen? Nach den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes ist bei fortdauernden Krankheitssymptomen während der Anwendung eines homöopathischen Arzneimittels medizinischer Rat einzuholen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12461 3 3. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass es im Gegensatz zu Mitteln aus der klassischen Schulmedizin bei der Zulassung von homöopathischen Mitteln keine genauen Vorgaben gibt, wie die Studiendesigns auszusehen haben? Das Recht der Arzneien ist nach Artikel 74 des Grundgesetzes Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Im Arzneimittelgesetz ist keine Zulassung für homöopathische Arzneimittel vorgesehen. 4. Wie bewertet die Landesregierung die Auswirkungen des Verzehrs von Globuli bzw. Streukügelchen mit dem fast ausschließlichen Bestandteil Rohrzucker auf die Zahngesundheit? Homöopathische Arzneimittel werden nach dem Arzneimittelgesetz nur dann registriert, wenn sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Über die Registrierung entscheidet die zuständige Bundesoberbehörde. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12461