LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12464 07.07.2016 Datum des Originals: 07.07.2016/Ausgegeben: 12.07.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4836 vom 7. Juni 2016 des Abgeordneten Peter Biesenbach CDU Drucksache 16/12213 16-jähriger marokkanischer Intensivstraftäter mehr als 30 Mal polizeilich in Erscheinung getreten und immer noch auf freiem Fuß? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Wie der Express am 06.06.2016 berichtete, soll eine zehnköpfige Gruppe Nordafrikaner am vergangenen Sonntagabend in unmittelbarer Nähe des Polizeipräsidiums Köln fünf Passanten überfallen haben. Mit Holzlatten, Messern und Pfefferspray bewaffnet hätten die Männer Handys, Geldbörsen und einem Opfer sogar schon die Schuhe geraubt. Bei den drei mutmaßlichen Tätern handele es sich um polizeibekannte Marokkaner im Alter von 16 bis 19 Jahren. Der 16-jährige Haupttatverdächtige sei erst in der Nacht zuvor von Polizisten in der Innenstadt festgenommen worden, weil er mit zwei Komplizen versucht habe, einen Mann auszurauben. Ein Ermittler wird dazu mit den Worten zitiert: „Der Junge ist erst seit Oktober 2015 in Deutschland, bei uns aber mehr als stolze 30 Mal in Erscheinung getreten.“ Der jugendliche Intensivstraftäter soll in einer Flüchtlingsunterkunft im Rhein-Erft-Kreis gemeldet sein und leben. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4836 mit Schreiben vom 7. Juli 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet. 1. Welche Informationen liegen der Landesregierung zu dem o.g. Raubüberfall in der Nähe des Polizeipräsidiums Köln vor? Am Sonntag, dem 05.06.2016, gegen 23:05, Uhr meldeten sich mehrere Zeugen fernmündlich bei der Polizei und machten Angaben über Streitigkeiten und körperliche LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12464 2 Auseinandersetzungen im Bereich des Bürger-parks Köln-Kalk. Die eingesetzten Beamten wurden vor Ort von den Geschädigten auf eine flüchtige, aber noch in Tatortnähe befindliche Personengruppe hingewiesen. Aus der Gruppe heraus war auf die Geschädigten mit Holzlatten eingeschlagen worden, ein Geschädigter wurde mit einem Messer verletzt. Im Rahmen der Tatbegehung wurden ferner einzelne Gegenstände entwendet (Mobiltelefon, Schuhe, Ausweis). Im Rahmen der Tatortbereichsfahndung wurden drei Tatverdächtige vorläufig festgenommen, unter anderem ein 16-jähriger Intensivtäter marokkanischer Nationalität. Auf dem Fluchtweg wurde eine Holzlatte als vermutliches Tatwerkzeug aufgefunden und sichergestellt. Die Geschädigten und weitere Personen wurden als Zeugen vernommen. Nach Erhebung des objektiven und subjektiven Tatbefundes konnte gegen die Festgenommenen ein dringender Tatverdacht nicht begründet werden. Auf mündliche Weisung des Haftstaatsanwalts wurden alle Festgenommenen entlassen. Die Ermittlungen in der Sache dauern an. 2. Welche Informationen liegen der Landesregierung zu den Tatverdächtigen vor? (Bitte für jeden Tatverdächtigen insbesondere Alter, Nationalität, bisherige polizeiliche Erkenntnisse, Vorstrafen und aufenthaltsrechtlichen Status angeben.) Bei dem Haupttatverdächtigten handelt es sich um einen 16 Jahre alten Jugendlichen mit marokkanischer Staatsangehörigkeit. Er ist am 01.10.2015 als unbegleiteter Minderjähriger unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist. Er wurde am 03.05.2016 von der Polizei Köln als Intensivtäter eingestuft und unterliegt seitdem einer besonderen, personenorientierten Befassung. Zu polizeilichen Erkenntnissen der Person wird auf die Antwort zu Frage 3 hingewiesen. Bei den beiden anderen Tatverdächtigen handelt es sich um einen 19-jährigen marokkanischen sowie einen 20-jährigen algerischen Staatsangehörigen. Beide Personen haben einen Asylantrag gestellt. Der 19-Jährige ist in der Vergangenheit wegen Ladendiebstahls, Beförderungserschleichung, Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz sowie mittelbare Falschbeurkundung kriminalpolizeilich relevant in Erscheinung getreten. Der 20-jährige ist in der Vergangenheit wegen drei Eigentums- und einem Körperverletzungsdelikt kriminalpolizeilich auffällig geworden. 3. Wegen welcher Vorfälle ist der 16-jährige Haupttatverdächtige bislang polizeilich in Erscheinung getreten? (Bitte sämtliche Vorfälle in chronologischer Reihenfolge einzeln auflisten.) Gegen den 16-jährigen Intensivtäter wurden bzw. werden bei der Staatsanwaltschaft Köln die folgend aufgelisteten Ermittlungsverfahren geführt: Aktenzeichen Vorwurf Tatzeit Sachstand 163 Js 1754/15 § 95 Abs. 1 AufenthG 01.10.2015 Einstellung gemäß § 45 Abs. 1 JGG 171 Js 583/16 (vormals: 163 Js 7/16) § 242 StGB 23.10.2015 Anklage beim Amtsgericht - Jugendrichter - Kerpen 171 Js 752/16 (vormals: 163 1688/15) § 263 StGB 27.10.2015 Vorläufige Einstellung gemäß § 154 Abs. 1 StGB 171 Js 558/16 § 243 StGB 01.11.2015 Anklage beim Amtsgericht - Jugendrichter - Kerpen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12464 3 171 Js 707/16 (vormals: 163 Js 327/16) §§ 265a, 263 StGB 27.11.2015 Anklage beim Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Kerpen 182 Js 111/15 § 29 BtMG 04.12.2015 Einstellung gemäß § 31a Abs. 1 BtMG 161 Js 534/16 § 242 StGB 04.12.2015 Ermittlungen dauern an 163 Js 207/16 § 224 StGB 06.12.2015 Ermittlungen dauern an 163 Js 189/16 § 242 StGB 27.12.2015 Einstellung gemäß § 45 Abs. 1 JGG 103 Js 51/16 § 249 StGB 01.01.2016 Ermittlungen dauern an 163 Js 391/16 § 242 StGB 11.01.2016 Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO 163 Js 154/16 § 123 StGB 19.01.2016 Ermittlungen dauern an 171 Js 443/16 § 242 StGB 21.01.2016 Vorläufige Einstellung gemäß § 154 Abs. 1 StPO 171 Js 263/16 (vormals: 172 Js 172/16) § 242 StGB 22.01.2016 Einstellung gemäß § 45 Abs. 1 JGG 171 Js 228/16 § 265a StGB 28.01.2016 Einstellung gemäß § 45 Abs. 1 JGG 163 Js 392/16 § 242 StGB 29.01.2016 Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO 171 Js 238/16 § 242 StGB 14.02.2016 Anklage beim Amtsgericht - Jugendrichter - Kerpen 163 Js 688/16 § 242 StGB 18.02.2016 Ermittlungen dauern an 171 Js 708/16 § 242 StGB 19.02.2016 Anklage beim Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Kerpen 171 Js 657/16 § 243 StGB 14.03.2016 Anklage beim Amtsgericht - Jugendrichter - Kerpen 171 Js 748/16 (vormals: 163 Js 663/16 und 171 Js 753/16) § 250 StGB 15.03.2016 Anklage beim Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Kerpen 171 Js 705/16 (vormals: 163 Js 552/16) § 303 StGB 22.03.2016 Vorläufige Einstellung gemäß § 154 Abs. 1 StPO 171 Js 754/16 (vormals: 163 Js 478/16) § 242 StGB 30.03.2016 Ermittlungen dauern an 171 Js 706/16 (vormals: 163 Js 680/16) § 242 StGB 31.03.2016 Vorläufige Einstellung gemäß § 154 Abs. 1 StGB 171 Js 570/16 § 242 StGB 04.04.2016 Anklage beim Amtsgericht - Jugendrichter - Kerpen 171 Js 624/16 § 243 StGB 05.04.2016 Anklage beim Amtsgericht - Jugendrichter - Kerpen 171 Js 588/16 § 242 StGB 19.04.2016 Anklage beim Amtsgericht - Jugendrichter - Kerpen 171 Js 634/16 § 242 StGB 22.04.2016 Anklage beim Amtsgericht - Jugendrichter - Kerpen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12464 4 Darüber hinaus befinden sich neben den beiden Straftaten vom 5.6.2016 in Köln-Kalk noch drei weitere Verfahren bei anderen Kreispolizeibehörden in Bearbeitung (Diebstahl in/aus Kiosk, räuberischer Diebstahl, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz). 4. Welche konkreten Maßnahmen haben Polizei/Staatsanwaltschaft wegen dieser mehr Vorfälle jeweils getroffen? (Bitte für jeden Vorfall einzeln auflisten.) Ermittlungen im Zusammenhang mit Straftaten durch den 16-jährigen marokkanischen Staatsangehörigen wurden zunächst durch unterschiedliche Kriminalkommissariate des Polizeipräsidiums Köln geführt. Hierbei wurden alle erforderlichen und rechtlich zulässigen Maßnahmen der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr getroffen. Aufgrund der Häufung von Delikten erfolgte am 03.05.2016 eine Einstufung des 16-Jährigen als Intensivtäter und damit einher gehend eine deliktsübergreifend personenorientierte Befassung durch eine spezialisierte kriminalpolizeiliche Fachdienststelle. In diesem Kontext wurde der Intensivtäter auch in das Präventionskonzept „klarkommen! Chancen bieten durch Prävention vor Ort“ aufgenommen. Seit dem 11.05.2011 sind durch die Staatsanwaltschaft Köln in elf Verfahren Anklagen gegen den Intensivtäter beim Amtsgericht - Jugendrichter bzw. Jugendschöffengericht - Kerpen erhoben worden. Dazu berichtete die Staatsanwaltschaft Köln, dass mit der letzten Anklage vom 16.06.2016, die in dem Verfahren 171 Js 748/16 letztlich wegen gefährlicher Körperverletzung und Diebstahls im besonders schweren Fall erhoben wurde, die Staatsanwaltschaft beantragt habe, die bei dem Amtsgericht Kerpen anhängigen Verfahren gegen den Angeschuldigten zu verbinden und wegen Wiederholungsgefahr die Untersuchungshaft gemäß §§ 112, 112a StPO anzuordnen. Das Amtsgericht Kerpen habe gegen den Angeschuldigten am 21.06.2016 antragsgemäß Haftbefehl erlassen. Der Haftbefehl konnte am 24.06.2016 durch Beamte des Polizeipräsidiums Köln vollstreckt werden, der Intensivtäter befindet sich derzeit in der Justizvollzugsanstalt Köln. Angesichts des Alters des Angeschuldigten und der damit erhöhten Verhältnismäßigkeitsanforderungen, die an die Anordnung und den Vollzug einer Untersuchungshaft gegen den jugendlichen Angeschuldigten gemäß § 72 Abs. 1 JGG zu stellen seien, sowie den Umstand berücksichtigend, dass die bis dahin gegen den bislang unbestraften Angeschuldigten zur Anklage gebrachten Straftaten nahezu ausnahmslos dem sogenannten Bagatellbereich zuzuordnen seien, hätten in der Gesamtschau zuvor die Voraussetzungen für die Anordnung von Untersuchungshaft nicht vorgelegen. Dies habe umso mehr gegolten, als der Angeschuldigte seinerzeit über einen festen Wohnsitz verfügt habe und nach erfolgten Rücksprachen des Dezernenten der Staatsanwaltschaft Köln mit dem zuständigen Jugendrichter bei dem Amtsgericht Kerpen davon auszugehen gewesen sei, dass eine zügige Terminierung der Verhandlung erfolgen werde. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12464 5 5. Welche aufenthalts- bzw. ausländerrechtlichen Maßnahmen sind bislang gegen den 16-jährigen Haupttatverdächtigen eingeleitet worden? (Bitte jede Maßnahme einzeln auflisten; sofern es sich um abgeschlossene Verfahren handelt bitte auch den Verfahrensausgang angeben.) Aufgrund seiner Minderjährigkeit wurde der 16-Jährige, der ohne Begleitung durch eine personensorgeberechtigte Person am 01.10.2015 in das Bundesgebiet einreiste, durch das Jugendamt in Obhut genommen und in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht. Er verfügt derzeit über keinen gültigen Aufenthaltstitel und ist formal ausreisepflichtig. Vor dem Hintergrund seines wiederholt unbekannten Aufenthaltsortes wurde er insgesamt ca. 50 Mal durch Ausländerbehörde bzw. Polizei zur Aufenthaltsermittlung / Ingewahrsamnahme ausgeschrieben. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12464