LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12493 13.07.2016 Datum des Originals: 13.07.2016/Ausgegeben: 18.07.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4832 vom 6. Juni 2016 der Abgeordneten Henning Höne und Dr. Joachim Stamp FDP Drucksache 16/12186 Katastrophenalarm im Bonner Stadtteil Bad Godesberg – Will die Landesregierung konkrete, unbürokratische Hilfe leisten? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Bei den jüngsten Starkregenereignissen in der Bundesstadt Bonn haben sich am vergangenen Samstag (4. Juni 2016) der Mehlemer Bach und der Godesberger Bach zu reißenden Strömen entwickelt und dabei enorme Schäden angerichtet. Innerhalb von nur zwei Stunden fielen bis zu 100 Liter Regen pro Quadratmeter. Es wurde der Katastrophenalarm ausgelöst. Dabei zeigten sich dramatische Szenen. So wurden große Bereiche der Bad Godesberger Innenstadt total überschwemmt, zahlreiche Keller und Tiefgaragen wurden überflutet. Gewerbetreibende erlitten massive Schäden an ihren Waren, die sich in den Geschäftsräumen befanden. Weiterhin wurde eine komplette Brücke an der Hauptstraße nach Pech in Wachtberg niedergerissen. Teilweise mussten Wohnungen im Ortsteil Mehlem evakuiert werden. Zahlreiche Sicherheitskräfte von Feuerwehr, DLRG und THW waren permanent im Einsatz, um Menschen in Sicherheit zu bringen und Schäden abzumildern. Zusätzliche Sicherheitskräfte aus den umliegenden Kreisen mussten angefordert werden. Ausschlaggebend für diese Naturkatastrophe waren nicht große Flüsse, wie etwa der naheliegende Rhein, sondern kleinere Bäche. Es ist deshalb zu hinterfragen, inwieweit das Hochwasserschutzkonzept des Landes Nordrhein-Westfalen auch die potenziellen Gefahren von kleinen Bächen hinreichend berücksichtigt und ob alle Möglichkeiten der Beteiligung des Bundes für die Bewältigung dieser Naturkatastrophe effektiv berücksichtigt und entsprechend abgerufen werden. Die Länder Baden-Württemberg und Bayern, welche unlängst ebenso von vergleichbaren Naturkatastrophen eingeholt wurden, haben ihren Bürgerinnen und Bürgern unbürokratische Hilfen zugesagt. Das Land Baden-Württemberg leistet bis zu 2500 Euro Soforthilfe je Haushalt (vgl. Pressemitteilung des Staatsministeriums Stuttgart vom 3. Juni 2016) und auch das Land LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12493 2 Bayern will flexible Sofortmaßnahmen von 1500 Euro leisten (vgl. SPIEGEL ONLINE vom 2. Juni 2016). Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4832 mit Schreiben vom 13. Juli 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister, dem Minister für Inneres und Kommunales und dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr beantwortet. Wie bewertet die Landesregierung das Ausmaß der Starkregenereignisse am vergangenen Samstag in der Bundesstadt Bonn? Am 4. Juni wurden der Bonner Süden (Bereich Mehlem) sowie die Gemeinde Wachtberg von Starkregen von bis zu 116 Liter pro m² betroffen. Dadurch trat der Mehlemer Bach über die Ufer und es kam zu erheblichen Zerstörungen. Das Ausmaß der Zerstörungen ist aufgrund des Zusammentreffens von Starkregen und Überflutung aus dem Bachlauf außergewöhnlich. Inwieweit will die Landesregierung den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern bzw. den Kommunen vor Ort konkrete, unbürokratische Hilfen leisten? Die Landesregierung hat am 14. Juni 2016 beschlossen, den von Schäden infolge von Starkregenereignissen im Zeitraum vom 31. Mai bis 8. Juni 2016 Betroffenen in der Stadt Bonn sowie den Kreisen Borken, Kleve, Rhein-Sieg und Wesel unbürokratisch Soforthilfen zur Verfügung zu stellen. Soforthilfeberechtigte sind Privathaushalte, kleine Gewerbebetriebe sowie landwirtschaftliche Betriebe. Bei Privathaushalten ist Voraussetzung, dass der an Gebäuden / Räumen oder im Bereich Haushalt / Hausrat entstandene Gesamtschaden mindestens 5.000 EUR beträgt und der Abschluss einer entsprechenden Versicherung (Elementarschadenversicherung) nicht möglich war. Die Höhe der Soforthilfe beläuft sich pro Haushalt mindestens auf 1.000 EUR (Ein- und Zwei-Personen-Haushalte) und erhöht sich für jede weitere dem Haushalt zugehörige Person um jeweils 500 EUR bis auf maximal 2.500 EUR pro Haushalt. Bei Gewerbebetrieben mit bis zu zehn Beschäftigten sowie bei landwirtschaftlichen Betrieben mit bis zu zehn Beschäftigten ist Voraussetzung, dass ein Gesamtschaden von mindestens 10.000 EUR entstanden ist und die Versicherung des Schadensfalles (Abschluss einer Elementarschadenversicherung) nicht möglich war. Die Soforthilfe für das Unternehmen beläuft sich auf 5.000 EUR. Kommunen können zur Überwindung finanzieller Belastungssituationen eine Bedarfszuweisung gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 5 Gemeindefinanzierungsgesetz 2016 beantragen, soweit ihnen aus Anlass eines der hier betroffenen Wetterereignisse außergewöhnliche oder unvorhersehbare Auszahlungsverpflichtungen entstanden sind. Inwieweit sieht die Landesregierung die potenziellen Gefahren, ausgehend von kleinen Bächen, im bestehenden Hochwasserschutzkonzept Nordrhein-Westfalen als hinreichend berücksichtigt an? Das Hochwasserschutzkonzept des Landes berücksichtigt, dass Flüsse und Bäche in Nordrhein-Westfalen auf Grund ihrer Länge oder Lage im Berg- oder Flachland eine unterschiedliche Entwicklung von Hochwasserereignissen aufweisen und damit auch die potentiellen Gefahren, die von kleineren Bächen ausgehen können. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12493 3 So wurde im Rahmen der EG-Hochwasserrisikomangement-Richtlinie eine systematische Bewertung der Fließgewässer in NRW durchgeführt, um zu ermitteln, wo deutliche Hochwasserrisiken für die Schutzgüter menschliche Gesundheit, Umwelt, Kulturerbe und wirtschaftliche Tätigkeiten gegeben sind. Bei 448 Gewässern mit einer Fließlänge von 6.067 km wurde dabei ein signifikantes Hochwasserrisiko identifiziert. Für diese Gewässer wurden Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten erstellt und veröffentlicht. Auf Grundlage dieser Karten sind gemeinsam mit allen verantwortlichen Akteuren (z.B. Kommunen, Deichverbände, Wasserverbände) Hochwasserrisikomanagementpläne als integrierte Konzepte zur Minderung von Hochwasserrisiken aufgestellt worden. Für jede Kommune in NRW sind die dort vorgesehenen Maßnahmen – egal von welchem Verantwortlichen – in sogenannten „Kommunensteckbriefen“ nachzulesen (http://www.flussgebiete.nrw.de/index.php/HWRMRL/Steckbriefe). Dies gilt natürlich auch für Bonn und Wachtberg. Der Landtag wurde über die beschriebenen Arbeitsschritte mit den LT-Vorlagen 15/467, 16/2242 und 16/3380 informiert. Welche Möglichkeiten von konkreten Beteiligungen des Bundes für den Hochwasserschutz versucht die Landesregierung abzurufen, um die Bundesstadt Bonn bei der Bewältigung der Starkregenereignisse zu unterstützen? Eine finanzielle Beteiligung des Bundes für den Hochwasserschutz gibt es derzeit nur im Rahmen des Nationalen Hochwasserschutzprogrammes (NHWSP). Das Programm ist prioritär nur für überregional wirkende Maßnahmen vorgesehen (Deichrückverlegungen, Hochwasserrückhalteräume). Welche Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung aus den jüngsten Wetterereignissen, die sich, nicht im selben Umfang, jedoch über das ganze Land Nordrhein-Westfalen hinweg zeigten? Entsprechend der Aussagen des Weltklimarats (IPCC) ist davon auszugehen, dass Starkregenereignisse in Deutschland in Folge des Klimawandels im Laufe der nächsten Jahrzehnte an Häufigkeit und Intensität zunehmen werden. Selbst bei einer Erreichung der Ziele der Klimakonferenz in Paris (COP 21) ist der Klimawandel nicht zu stoppen. Daher gilt es neben der Minderung der CO2-Emissionen im Sinne einer vorsorgenden Umweltpolitik umfassende Maßnahmen zur Vermeidung von Schäden an Mensch und Umwelt zu ergreifen. Die Landesregierung hat daher bereits vielfältige Maßnahmen ergriffen, um einerseits für diese Gefahren zu sensibilisieren und andererseits Kommunen und Bürger dabei zu unterstützen, präventive Maßnahmen zu ergreifen, um Schäden zu vermeiden oder zu mindern. Im Klimaschutzgesetz wurden bereits 2013 Ziele zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen sowie zur Anpassung an den Klimawandel in NRW gesetzlich festgelegt. Mit dem Klimaschutzplan steht ein konkretes Maßnahmenprogramm zur Umsetzung der Ziele zur Verfügung. Mit der Novellierung des Landeswassergesetzes ist in der Regelung des Abwasserbeseitigungskonzepts (ABK) klargestellt, dass bei der Planung der Niederschlagswasserbeseitigung auch deren Entwicklung durch den Klimawandel zu berücksichtigen ist. Dementsprechend nimmt auch die Regelung der umlagefähigen Kosten der Abwasserbeseitigung auf Maßnahmen der Niederschlagswasserbeseitigung zum Schutz vor Überflutung auch zur Klimafolgenanpassung Bezug. Abgesehen davon fordert das LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12493 4 Landeswassergesetz den Schutz wichtiger wasserwirtschaftlicher Infrastruktur, wie Abwasserbeseitigungsanlagen und Trinkwasserversorgungsanlagen, vor Hochwasser. Zusätzlich legt die Landesregierung auch konkrete Förderprogramme zur Maßnahmenfinanzierung auf, wie beispielsweise das Förderprogramm „Ressourceneffiziente Abwasserbeseitigung“ oder die Projektaufrufe „Zukunftsinitiative Wasser in der Stadt von morgen“, „KommunalerKlimaschutz.NRW“ und „GrüneInfrastruktur.NRW“. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12493