LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12508 14.07.2016 Datum des Originals: 13.07.2016/Ausgegeben: 19.07.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4895 vom 20. Juni 2016 der Abgeordneten Ralf Witzel und Dirk Wedel FDP Drucksache 16/12309 Haushaltspolitischer Verschiebebahnhof Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW – Wieviel zusätzliches Geld kostet die Haushaltskosmetik des Finanzministers den nordrhein -westfälischen Steuerzahler? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB NRW) ist ein teilrechtfähiges Sondervermögen des Landes. Nach § 2 Abs. 1 Bau- und Liegenschaftsbetriebsgesetz (BLBG) hat der BLB NRW unter anderem die Aufgabe, Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte für Zwecke des Landes nach kaufmännischen Grundsätzen zu erwerben, zu bewirtschaften, zu entwickeln und zu verwerten und dabei zugleich die baupolitischen Ziele des Landes zu beachten. Gemäß § 10 BLBG verfügt der BLB NRW über eine eigene Kreditermächtigung. Der BLB NRW bewirtschaftet für das Land Nordrhein-Westfalen ein Immobilienportfolio mit insgesamt 4.604 Gebäuden, einer Mietfläche von rund 10,5 Millionen qm, einem Mietumsatz von etwa 1,25 Milliarden Euro (2014) und einem jährlichen Bauvolumen von rund einer Milliarde Euro (Angaben gemäß Presseinformation des Finanzministeriums vom 17. Juni 2015). Zwischen dem BLB NRW und dem Kernhaushalt des Landes bestehen unterschiedliche Wechselwirkungen. So erscheinen zwar vom BLB NRW getätigte Baukosten nicht direkt im Landeshaushalt, jedoch stellt der BLB NRW dem Land Mietkosten für die genutzten Immobilien in Rechnung. Der BLB NRW und das Land stehen sich aber nicht nur in den Rollen als Vermieter und Mieter, sondern zusätzlich als Gläubiger und Schuldner gegenüber. Mit der Gründung des BLB NRW wurde diesem vom Land Nordrhein-Westfalen ein festverzinsliches Darlehen gewährt. Seit dem 1. Januar 2007 beträgt der Zinssatz für dieses Darlehen 4,1 Prozent , mit einer Annuität von 537,3 Millionen Euro. Mit Einbringung des Haushaltsgesetzes 2016 sowie der Mittelfristigen Finanzplanung stellte die Landesregierung einen veränderten Zins- und Tilgungsplan vor: In den Jahren 2016 und 2017 sollen die Tilgungsraten um rund 400 bzw. 300 Millionen Euro erhöht werden. Dieses Darlehen wäre damit bereits im Jahr 2019 getilgt. Der BLB NRW sollte somit im Jahr 2016 ursprünglich 858 Millionen Euro an das Land überweisen, um dieses Darlehen abzutragen. Außerdem leistet er rund 80 Millionen Euro an Zinszahlungen. Bereits zu diesem Zeitpunkt ist LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12508 2 klar gewesen, dass der BLB NRW diese Mittel nicht aus erwirtschafteten Überschüssen begleichen kann, sondern auf unterschiedliche Finanzierungselemente zurückgreifen muss. Im Wesentlichen schuldet der BLB NRW seinen Kredit vom Land also einfach um. Unter anderem plante der BLB NRW, seine im Haushaltsgesetz 2016 genehmigte Kreditermächtigung von 408 Millionen Euro voll auszuschöpfen und darüber hinaus 198 Millionen Euro an weiteren Krediten aus fortgeltenden Kreditermächtigungen aufzunehmen. Ferner plante der BLB NRW, liquide Mittel von 155,2 Millionen Euro in diesem Jahr abzubauen, die er wiederum durch eine Aufstockung seines Finanzmittelbestandes um 171,9 Millionen Euro im Jahr 2015 aufbaute (vgl. LT-Vorlage 16/3412 sowie Beilage 2 zum Einzelplan 12 des Haushaltsplans 2016). Doch diese Planungen sind mit der Einbringung des zweiten Nachtragshaushaltes für das Jahr 2016 längst überholt: Der Finanzminister teilte mit, dass der BLB NRW im Jahr 2016 weitere 185 Millionen Euro an das Land überweisen wird. Die Gesamtleistung des BLB NRW an das Land Nordrhein-Westfalen stellt sich fürs Jahr 2016 somit wie folgt dar (in Mio. Euro): Tilgung Zinsen an Land Sondertilgung I Sondertilgung II Summe 2016 458 79 400 185 1.122 Durch die zusätzlichen Tilgungsleistungen (Sondertilgung I und II) des BLB NRW an das Land reduziert sich spiegelbildlich der Bedarf des Landes, im Kernhaushalt Kredite in Höhe von 585 Millionen Euro im Jahr 2016 aufzunehmen. Im Jahr 2017 reduziert sich der Kreditbedarf nach jetzigem Stand um weitere beachtliche 300 Millionen Euro. Der Finanzminister hat diese Haushaltskosmetik in der Plenardebatte am 9. Juni 2016 ausweislich des Plenarprotokolls 16/115 wie folgt wörtlich beschrieben: „Wir werden auch – das ist im Vorfeld schon kritisiert worden – durch Umschichtung zwischen den Haushaltsjahren dazu beitragen, dass wir den Weg zur Nullkreditaufnahme nicht in einem unnötigen und sinnlosen Zickzack gehen, wo eine klare Linie möglich und sinnvoll ist. Das erreichen wir durch eine vorgezogene Rückzahlungsrate des BLB in Höhe von 185 Millionen Euro so, wie der Bundesfinanzminister das mit seinen Instrumenten – mit Sondervermögen, mit ähnlichen Dingen – in dem Bundeshaushalt auch macht.“ Neben diesem kosmetischen Effekt für den Kernhaushalt ergeben sich zwei Wirkungszusammenhänge : Erstens der betriebswirtschaftliche Effekt für den BLB NRW, der positiv ist, wenn der Refinanzierungszinssatz des BLB NRW kleiner ist als 4,1 Prozent – dem Zinssatz des inneren Darlehens. Dies dürfte vor dem Hintergrund der Niedrigzinsphase zutreffen, wobei die Höhe des geplanten Refinanzierungszinssatzes des BLB NRW für die Jahre 2016 und 2017 noch unklar ist. Im Jahr 2015 erfolgten die Kreditaufnahmen des BLB NRW laut Vorlage 16/3412 zu einem Durchschnittszinssatz von 1,61 Prozent. Zweitens ergibt sich ein Effekt für das Land Nordrhein-Westfalen insgesamt – also bei Gesamtbetrachtung von BLB NRW und Kernhaushalt des Landes: Der BLB NRW – für dessen Verbindlichkeiten das Land gemäß § 3 Abs. 3 BLBG haftet – könnte auf eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 585 (300) Millionen Euro im Jahr 2016 (2017) verzichten, wenn er nicht die Tilgungszahlungen an das Land erhöhen würde. Das Land müsste wiederrum 585 (300) Millionen Euro mehr an Krediten am Kapitalmarkt aufnehmen, um den Landeshaushalt auszugleichen . Ist die Kreditaufnahme für das Land Nordrhein-Westfalen günstiger als für den BLB NRW, entstünden insgesamt höhere Zinskosten, unabhängig davon, ob diese Entscheidung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12508 3 aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten für den BLB NRW sinnvoll ist. Refinanziert sich der BLB NRW günstiger als das Land NRW, wäre der Effekt hingegen insgesamt positiv. Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 4895 mit Schreiben vom 13. Juli 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Sondertilgung des inneren Darlehens ermöglicht dem BLB NRW eine betriebswirtschaftlich vorteilhafte Umschuldung. Bei einer Kreditaufnahme am Kapitalmarkt kann der BLB derzeit Finanzierungskonditionen erzielen, die günstiger sind als beim inneren Darlehen. Aus diesem Grund räumt das Land dem BLB NRW die Möglichkeit ein, das innere Darlehen früher zu tilgen als ursprünglich geplant. Für das Land führen die Sondertilgungen insgesamt zu geringeren Zinseinnahmen, denen allerdings beim BLB NRW Zinsentlastungen in weit höherem Maß gegenüber stehen. 1. Zu welchem durchschnittlichen Zinssatz haben einerseits das Land Nordrhein- Westfalen und andererseits der BLB NRW jeweils jährlich in den Jahren 2010 bis 2015 Kredite am Kapitalmarkt aufgenommen? Die durchschnittlichen Zinssätze der vom Land NRW und vom BLB NRW aufgenommenen Kredite am Kapitalmarkt zeigen in den Jahren 2010 bis 2015 folgendes Bild: Jahr Land NRW BLB NRW 2010 2,26% 2,51 % 2011 2,47% 2,38 % 2012 1,38% 2,12 % 2013 1,44% 2,80 % 2014 1,25% 2,85 % 2015 1 0,45% 2,09 % Aufgrund der aktuellen Liquiditätslage des BLB NRW ist eine Kreditaufnahme am Kapitalmarkt zum Zwecke der Ablösung des Landesdarlehens nur in einem geringen Umfang erforderlich. Die unterschiedlichen Zinssätze zwischen BLB NRW und Land NRW folgen den unterschiedlichen gesetzlichen, tätigkeits- und kreditmarkt-bezogenen Rahmenbedingungen und in der Folge unterschiedlich ausgerichteten Kreditportfolios (z. B. Laufzeiten der Kredite). So erfolgen Kreditaufnahmen des BLB NRW angesichts des Kalkulations-zeitraums und zur Vermeidung von Zinsänderungsrisiken grundsätzlich langfristig. 1 Der in der Vorlage 16/3412 vom 20.10.2015 auf Seite 10 für das Jahr 2015 ausgewiesene Durchschnittszinssatz des BLB NRW von 1,61 % beinhaltet Fördermittel der EIB und der NRW-Bank. Weitere Förderkriterien konnten im Jahr 2015 nicht genutzt werden, so dass sich insgesamt der in der Tabelle dargestellte durchschnittliche Zinssatz für Kreditaufnahmen des Jahres 2015 ergibt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12508 4 Auch das Land legt im Niedrigzinsumfeld einen Schwerpunkt auf langfristige Kreditaufnahme. Bei einer jährlichen Neuaufnahme von rund 20 Milliarden Euro ist es jedoch nicht möglich, den gesamten Kreditbedarf im Bereich sehr lange Laufzeiten zu decken. Im Interesse einer möglichst breiten Investorenbasis setzt das Land in stärkerem Maße als der BLB NRW auch kürzere Kreditlaufzeiten ein. Die sehr niedrigen (zum Teil negativen) Effektivzinssätze im Bereich der kürzeren Laufzeiten tragen erheblich zu der niedrigen Durchschnittsverzinsung bei. 2. Mit welchem durchschnittlichen Zinssatz planen einerseits das Land Nordrhein- Westfalen und andererseits der BLB NRW, jeweils in den Jahren 2016 und 2017 Kredite am Kapitalmarkt aufzunehmen? Bei den Ansätzen der aktuell gültigen Mittelfristigen Finanzplanung des Landes NRW (2015 bis 2019) wurde für im Jahr 2016 neu aufzunehmende Kredite ein durchschnittlicher Zinssatz von 1,25 % und für im Jahr 2017 neu aufzunehmende Kredite ein durchschnittlicher Zinssatz von 2,00 % unterstellt. Aufgrund des bereits anhaltend sehr niedrigen Zinsniveaus werden die entsprechenden Annahmen in der Mittelfristigen Finanzplanung des Landes NRW 2016 bis 2020, die derzeit aufgestellt wird, niedriger sein. Für die in den Jahren 2016 und 2017 beim BLB NRW aufzunehmenden Kredite wurde ein durchschnittlicher Zinssatz von 3,5 % unterstellt. Diese Annahme wird aus heutiger Sicht deutlich unterschritten. Bezüglich der unterschiedlichen Zinssätze zwischen BLB NRW und Land NRW verweise ich auf die Ausführungen unter Frage 1. 3. In welcher Höhe wird der BLB NRW allein deshalb weitere Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen, um die Operation Sondertilgung in Höhe von 185 Millionen Euro erfüllen zu können? Aufgrund der fortgeschriebenen Liquiditätsplanung wird derzeit kein höherer Kapitalmarktbedarf für 2016, als Anfang des Jahres 2016 vorgesehen, erwartet. 4. Welchen ökonomischen Sachgrund sieht die Landesregierung für den Aufbau des Finanzmittelbestands des BLB NRW im Jahr 2015? Die Ausrichtung des Finanzmittelbestands des BLB NRW im Jahr 2015 folgte den Liquiditätserfordernissen , die sich durch das operative Immobiliengeschäft und die Zins- und Tilgungsleistungen des BLB NRW ergeben. 5. Welche Zinsminderausgaben hätten sich auf Seiten des BLB NRW ergeben, wenn auf den Aufbau der liquiden Mittel im Jahre 2015 verzichtet worden wäre? Da der BLB NRW sich langfristig refinanziert, war neben der Frage möglicher zusätzlicher Zinsausgaben das Zinsentwicklungsrisiko zu berücksichtigen und das oben erkennbare niedrige Zinsniveau im Jahr 2015 langfristig auszunutzen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12508