LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12580 27.07.2016 Datum des Originals: 26.07.2016/Ausgegeben: 01.08.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4892 vom 20. Juni 2016 des Abgeordneten Henning Höne FDP Drucksache 16/12306 „Noch kein Mittel gegen Unkraut auf Friedhöfen“ - Gelangen Friedhöfe in Nordrhein- Westfalen wegen des Glyphosat-Verbotes vermehrt in einen ungepflegten und unwürdigen Zustand? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage „Noch kein Mittel gegen Unkraut auf Friedhöfen“ titelte die Neuß-Grevenbroicher-Zeitung im Grevenbroicher Lokalteil am 17. Juni 2016. Hintergrund ist der ungepflegte Zustand des Waldfriedhofes im Grevenbroicher Stadtteil Gustorf. Dort wuchert vermehrt Unkraut auf den Gehwegen und ehemaligen Grabstätten. Insgesamt entsteht dort an einigen Stellen ein unwürdiger Zustand für einen Friedhof als Ort des Gedenkens an Verstorbene. Dies sorgt für Verärgerung in der Bevölkerung und hat jüngst den Grevenbroicher Stadtrat beschäftigt. „Die Friedhöfe sind in einem nicht so guten Zustand, das sehe ich genauso“ (Neuß-Grevenbroicher Zeitung, 17. Juni 2016), gibt der zuständige Leiter der des Fachbereichs Bauen, Garten und Umwelt zu. Bislang hatten die für die Pflege des Friedhofes zuständigen Wirtschaftsbetriebe im Rahmen einer Ausnahegenehmigung wirkungsvoll das Herbizid „Roundup“ im Einsatz. Dies ist jetzt nicht mehr erlaubt. Die Stadt Grevenbroich schreibt die nutzungsberechtigten Bürger der Grabstätten auf dem Friedhof vermehrt an und weist zu Recht auf die Pflicht zur Pflege der Grabstätten hin. Doch der Stadt selbst gelingt es offenkundig nicht, die restlichen Flächen des Friedhofs in einem adäquaten Zustand zu halten. Dafür ist die Stadt jedoch zuständig. Dieser Umstand wiederum führt zu einem erhöhten Pflegeaufwand der Grabstätten, weil unmittelbar neben den Grabstätten Gras wuchert und die Samen unmittelbar auf die Gräber fliegen. Es ist jedoch fraglich, ob es den Bürgern zumutbar ist, einen Gärtner zur wöchentlichen Pflege zu beauftragen, weil der Zustand des Friedhofes insgesamt dies erforderlich macht, während dies in der Vergangenheit nicht erforderlich war. Hilflos zeigt sich der Fachbereichsleiter der Stadt Grevenbroich. Denn das bisher verwendete Mittel war effektiv und wirtschaftlich vertretbar: „Dafür gibt es im Grunde keinen Ersatz, der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12580 2 wirklich funktioniert“ (Neuß-Grevenbroicher Zeitung, 17. Juni 2016). Mehrere Alternativen wurden geprüft, zum Beispiel die thermische Unkrautvernichtung mit heißem Wasser. Solche Geräte sind jedoch mit Anschaffungskosten von rund 100.000 Euro teuer. Im Land Nordrhein-Westfalen wurde aus Vorsorgegründen die Verwendung von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln per Erlass im Januar 2014 durch Minister Remmel (Bündnis 90/Die Grünen) untersagt. Ein deutschlandweites Anwendungsverbot existiert bisher nicht. Experten warnen indes auch vor einem totalen Verbot von Glyphosat, da wirksame Alternativen noch nicht ausgereift sind: „Deren Entwicklung voranzutreiben sei aber auf jeden Fall wichtig, betont Prof. Dr. Neumann. `Doch mechanische Verfahren zur Unkrautbekämpfung, etwa mit Messerwalzen, oder Neuentwicklungen wie der ‚Elektroherb‘ zur Unkrautbekämpfung mit Strom müssen erst noch ihre Wirtschaftlichkeit unter Beweis stellen.‘ Ein Glyphosatverbot könne daher vom Regen in die Traufe führen: `Das würde wohl zunächst eher die Verwendung anderer herbizider Wirkstoffe begünstigen, die oft deutlich weniger untersucht und gegebenenfalls sogar problematischer sind als Glyphosat.‘“ (Deter, Alfons, 15. Juni 2016: Glyphosat: Agrarwissenschaftler für gezielteren Einsatz statt Verbot, www.topagrar.com). Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4892 mit Schreiben vom 26. Juli 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. 1. Wie bewertet die Landesregierung die Situation, dass Friedhöfe aufgrund der Nichtzulässigkeit von praxiserprobten, effizienten Pflanzenschutzmitteln in einem ungepflegten Zustand geraten und die Bürger dadurch einem erhöhten Pflegeaufwand gegenüberstehen? Die Landesregierung kann keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Pflegezustand von Friedhofswegen und dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erkennen. Gleiches gilt für den Pflegezustand der Friedhöfe und den Verzicht auf den Wirkstoff Glyphosat im Rahmen von Genehmigungsverfahren nach § 12 Abs. 2 Pflanzenschutzgesetz für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf Nichtkulturland. Ausnahmegenehmigungen für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf Friedhofswegen wurden im Jahr 2013 vor dem Verzicht auf Glyphosat nur für ca. 10% aller Friedhöfe in Nordrhein-Westfalen erbeten. Hieraus kann geschlussfolgert werden, dass es in der Mehrzahl der Fälle zur Erlangung eines ausreichenden Pflegezustandes nicht erforderlich ist, auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zurück zu greifen, sondern andere Maßnahmen i.d.R. als ausreichend wirksam betrachtet werden können . 2. Welche alternativen Strategien schlägt die Landesregierung den Kommunen vor, mit denen sie Unkraut vor dem Hintergrund der oftmals angespannten Haushaltslagen kostengünstig bekämpfen können? Die Wildkrautbeseitigung beginnt bestenfalls bereits durch Vorbeugung. Durch den regelmäßigen Einsatz von Kehrmaschinen können mit dem Feinmaterial das Saatbett für neue Wildkräuter und zumindest kleine Wildkräuter beseitigt werden. Derzeit gängige Methoden zur Be- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12580 3 seitigung ungewollter Vegetation auf Nichtkulturland basieren auf mechanischen und thermischen Verfahren. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Abflamm- oder Infrarotgeräte, Heißdampf- und Heißschaumgeräte sowie Bürsten- und Rotorgeräte. Umfangreiche Informationen über alternative Strategien zur Wildkrautbekämpfung sind auf der Homepage der Landwirtschaftskammer sowohl für kommunale als auch für Haus- und Kleingarten -Anwendungen zu finden: http://www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/pflanzenschutz/genehmigungen/unkrautohnechemie /index.htm. Weitere Informationen finden sich auf der Homepage des Julius-Kühn-Instituts: http://www.jki.bund.de/fileadmin/dam_uploads/_veroeff/faltblaetter/Unkraeuter_auf_Wegen _und_Plaetzen.pdf Kommunen, die nach Verfahren für eine Vegetationskontrolle ohne Einsatz von Pflanzenschutzmitteln suchen wird zudem die Teilnahme an der Fachtagung des Julius-Kühn-Instituts am 12./13.10.2016 „Vegetationsmanagement auf Wegen und Plätzen – neue Konzepte sind gefragt“ in Braunschweig empfohlen. 3. Inwiefern sind der Landesregierung vergleichbare Situationen seit dem NRW-Verbot von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln in nordrhein-westfälischen Kommunen bekannt geworden? (Bitte differenziert nach Städten und Gemeinden angeben .) Der Landesregierung sind keine vergleichbaren Situationen bekannt geworden. 4. Wie bewertet die Landesregierung den Vorwurf von Experten, dass ein solches Verbot nicht zielführend sei, da auf Ausweichmittel zurückgegriffen werden könne, die unter Umständen problematischer und weniger untersucht seien? Pflanzenschutzmittel müssen vor ihrer Zulassung ein aufwändiges Verfahren mit hohen Datenanforderungen auf EU-Ebene und nationaler Ebene durchlaufen. Insofern gilt grundsätzlich , dass alle zugelassenen Wirkstoffe und Pflanzenschutzmittel umfassend untersucht sind. Die Wirkstoffe und fertig formulierten Pflanzenschutzmittel unterscheiden sich in ihren Eigenschaften , so dass sie tatsächlich – je nach Betrachtungsweise und Schutzgut – jeweils als unterschiedlich vorzüglich anzusehen sind. So könnten etwa Mittel mit vergleichsweise geringer Humantoxizität ungünstigere Eigenschaften hinsichtlich ihrer Versickerungsneigung oder ihrer Eigenschaften auf Nicht-Zielorganismen wie etwa Bestäuber-Insekten haben. Eine umfassende Qualifizierung der Eignung eines Pflanzenschutzmittels für einen bestimmten Anwendungsfall ist daher von vielen Randbedingungen abhängig und nicht allgemein möglich. Die für die Anwendung auf wassergebundenen Friedhofswegen zugelassenen und im Rahmen von Genehmigungsverfahren für Nichtkulturland in NRW genehmigten Pflanzenschutzmittel erfüllen die Anforderungen des § 17 Pflanzenschutzgesetz für Pflanzenschutzmittel zur Anwendung auf Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind. Sie sind damit u.a. als Pflanzenschutzmittel mit „geringem Risiko“ (nach Artikel 47 der EU-Zulassungsverordnung 1107/2009) zugelassen. Dem Pflanzenschutzdienst beim Direktor der Landwirtschaftskammer NRW als Landesbeauftragtem liegen bisher keine Hinweise vor, dass auf Friedhöfen ein Ausweichen auf eine (illegale ) Anwendung von Biozid-Produkten als Ersatz für Glyphosat-Genehmigungen stattfindet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12580 4 5. Mit welchen konkreten Mitteln und Maßnahmen fördert die Landesregierung die Forschung hinsichtlich wirksamer Alternativen, sodass diese schnell zum Einsatz gelangen können? Die einschlägigen Programme des Landes zur Forschungsförderung stehen grundsätzlich auch für Projekte offen, die die Entwicklung von Alternativen zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder zur zielgerichteteren, sparsamen Applikation derselben zum Inhalt haben. So wurden in jüngster Zeit Projekte zur Unkrautbekämpfung mit heißen Ölen aus nachwachsenden Rohstoffen (Universität Bonn), Verfahren zur automatisierten mechanischen Unkrautbekämpfung in Reihenkulturen (Universität Bonn) sowie die Entwicklung einer Dosiereinheit zur bedarfsgerechten Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln durch Direkteinspeisung (Fachhochschule Düsseldorf) gefördert. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12580