LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12582 27.07.2016 Datum des Originals: 26.07.2016/Ausgegeben: 01.08.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4906 vom 28. Juni 2016 der Abgeordneten Ulla Thönnissen CDU Drucksache 16/12395 Landesregierung muss sich der Klage gegen das belgische Atomwerk Tihange anschließen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die belgischen Atommeiler machen seit Jahren immer wieder durch erhebliche Mängel und Pannen auf sich aufmerksam. In dem Gebiet, das von einem Störfall betroffen wäre, leben rund 9 Millionen Menschen. Das Thema Tihange führt daher in der Stadt Aachen zu großer Besorgnis und Verunsicherung bei den Bürgerinnen und Bürgern. Die Landesregierung und das Umweltministerium müssen bezüglich dieser Befürchtungen in die Pflicht genommen werden, sich deutlich gegen die Gefährdung der Menschen in der Euregio-Maas-Rhein zu positionieren. Denn kein Thema bewegt die Menschen in Stadt und Städteregion so außerordentlich, wie das Thema Tihange und die möglichen Folgen. Jeder Einzelne fühlt sich unmittelbar betroffen. Die Städteregion Aachen zieht gegen das belgische Atomkraftwerk vor Gericht. Das hat der Städteregionsausschuss in einer Sondersitzung einstimmig beschlossen. Das nordrheinwestfälische Umweltministerium hat am 12.04.2016 erklärt, sich der Klage der Städteregion Aachen anzuschließen. Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4906 mit Schreiben vom 26. Juli 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk und dem Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien und Chef der Staatskanzlei beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12582 2 Vorbemerkung der Landesregierung Belgien betreibt insgesamt sieben Atomreaktoren. Zu unterscheiden sind die ältesten Reaktoren Tihange 1 sowie Doel 1 und 2, die 1975 in Betrieb gingen, die wiederholt wegen verschiedener technischer Probleme abgeschalteten Reaktoren Tihange 2 und Doel 3, die 1982 ans Netz gingen, und die Reaktoren Tihange 3 und Doel 4, die 1985 in Betrieb genommen wurden. Der Reaktorblock Tihange 2 mit einer Leistung von ca. 1.000 Megawatt ging 1983 in den Leistungsbetrieb und soll nach gegenwärtigem Stand bis 2023 laufen. Bei einer Inspektion im Jahr 2012 zeigten sich Risse im Reaktordruckbehälter. Der Reaktorblock Tihange 2 wurde daraufhin stillgelegt. Eine weitere Inspektion im Jahr 2014 zeigte erheblich vergrößerte Rissbefunde, die allerdings auch auf ein verbessertes Untersuchungsverfahren zurückzuführen sein könnten. Die Ursache der Rissbildung ist nicht genau bekannt. Die belgische Atomaufsichtsbehörde FANC entschied im November 2015, dem Betreiber das Wiederanfahren des Reaktorblocks Tihange 2 zu erlauben. Der Reaktor wurde am 14. Dezember 2015 wieder hochgefahren. Der Reaktor liegt nur ca. 65 km von Aachen entfernt, dementsprechend wäre im Fall eines Reaktorunglücks bei der typischen Südwestwindlage mit einer erheblichen Verstrahlung von Teilen Nordrhein-Westfalens zu rechnen. Schon im Jahr 2012 hatte ich vor dem Hintergrund der Katastrophe in Fukushima und der Berichte über technische Probleme in den Reaktoren Tihange 2 und Doel 3 mit einem gemeinsamen Schreiben mit Herrn Minister Duin den damaligen Bundesumweltminister Altmaier gebeten, die Bundesregierung möge sich dafür einsetzen, dass die grenznahen Atomkraftwerke so schnell wie möglich vom Netz genommen werden oder zumindest von Laufzeitverlängerungen Abstand genommen werde. Ich habe nach Bekanntwerden der erneuten Inbetriebnahme der beiden Reaktoren Ende 2015 umgehend die belgische Regierung dazu aufgefordert, der Sicherheitsvorsorge Vorrang einzuräumen und die Atomkraftwerke endgültig abzuschalten. Im Januar 2016 hat sich Frau Ministerpräsidentin Kraft gemeinsam mit der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin mit einem Schreiben sowohl an den belgischen Premierminister Michel als auch an Bundesumweltministerin Hendricks gewandt und ihnen die Sicherheitsrisiken des Atomkraftwerks und die daraus resultierenden Besorgnisse der Bevölkerung dargestellt und darauf hingewiesen, dass diese nur durch die Abschaltung der mit Rissbildung befallenen Reaktoren auszuräumen seien. In Bezug auf die Laufzeitveränderungen der Atomreaktoren Tihange 1 sowie Doel 1 und 2 hat das Land Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit dem Land Rheinland-Pfalz Beschwerde bei der Europäischen Kommission sowie beim ESPOO-Sekretariat eingelegt. Auf Initiative Nordrhein- Westfalens hat sich die 86. Umweltministerkonferenz am 17. Juni dieses Jahres in Berlin mit den Risiken grenznaher ausländischer Atomkraftwerke befasst. Anfang April 2016 hat die Landesregierung nach Prüfung der Rechtslage beschlossen, der Klage der StädteRegion Aachen gegen die Erlaubnis der belgischen Atomaufsichtsbehörde FANC zur Wiederinbetriebnahme des Reaktorblocks Tihange 2 beizutreten. Die StädteRegion Aachen hat im Februar – vertreten durch eine belgische Anwaltskanzlei – vor dem belgischen Staatsrat Klage gegen die Genehmigung zur Wiederinbetriebnahme des Reaktorblocks eingereicht. Diese Klage wird auf eine Reihe von formalen Argumenten, unter anderem das Fehlen eines notwendigen königlichen Dekrets, gestützt. 1. Wann ist das Land Nordrhein-Westfalen der Klage der Städteregion Aachen gegen Tihange beigetreten (bitte konkretes Datum nennen)? Der Antrag auf Beitritt zu der gegen den Staat Belgien sowie gegen die belgische Atomaufsichtsbehörde FANC gerichteten Klage der StädteRegion Aachen vor dem höchsten LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12582 3 belgischen Verwaltungsgericht, dem Staatsrat (Raad van State), die sich gegen die Wiederinbetriebnahme des Atomreaktorblocks Tihange 2 wendet, wurde am 22. Juni 2016 im Namen des Landes Nordrhein-Westfalen gegenüber dem belgischen Staatsrat erklärt. 2. Welche Sozietät vertritt das Land Nordrhein-Westfalen bei der Klage? Das Land Nordrhein-Westfalen wird im Rahmen des Beitritts zur Klage der StädteRegion Aachen vor dem belgischen Staatsrat durch die Sozietät (Advocatenkantoor) Vandebroeck De Rieck Verstraeten mit Sitz in Leuven (Belgien) vertreten. 3. Wann wird dem Parlament die Abschrift der Klageschrift zur Verfügung gestellt? Die StädteRegion Aachen hat eine deutsche Übersetzung ihrer Klageschrift gegen die Wiederinbetriebnahme des Atomreaktorblocks Tihange 2 vor dem belgischen Staatsrat erstellen lassen, die dem Landtag bereits mit Schreiben vom 18. Juli 2016 (Vorlage 16/4125) durch das MKULNV zur Verfügung gestellt wurde. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12582