LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12596 29.07.2016 Datum des Originals: 29.07.2016/Ausgegeben: 03.08.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4905 vom 30. Juni 2016 des Abgeordneten Torsten Sommer PIRATEN Drucksache 16/12393 Whistleblowing beim Thema Vorruhestand und Vertrauensschutz Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Hintergrund Wie diversen Medienberichten zu entnehmen war, hat sich die landeseigene Westspiel beim Personalabbau sehr kreativ darin gezeigt, die Bundesagentur für Arbeit an den Kosten des Rentenübergangs ihrer, jetzt ehemaligen, Mitarbeiter zu beteiligen. Ähnlich kreativ haben sich anscheinend auch Teile der Metall verarbeitenden Industrie in Nordrhein-Westfalen gezeigt, als es zwischen 1996 und Ende 2000 durch Änderungen am Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) und entsprechenden Übergangsregelungen Möglichkeiten gab, Personal über ähnliche Methoden wie jetzt bei Westspiel abzubauen. Wie uns anonyme Quellen mitgeteilt haben, wurde den betroffenen Arbeitnehmern dabei zusätzlich, trotz besseren Wissens der jeweiligen Geschäftsführung, nicht mitgeteilt, dass durch die o. g. Änderungen verschiedene Übergangszeiten entstanden, die sich für den Einzelnen bereits vor Eintritt in die Rente als nicht mehr Renten steigernd auswirkten. Manche Unternehmen verboten sogar ausdrücklich die Unterrichtung der potenziellen Ruheständler bzgl. der Änderung des Wachstumsförderungsgesetzes, dass die Rente bei fehlendem Arbeitslosenhilfebezug nicht mehr zu Entgeltpunkten führe. Diese fehlende Unterrichtung soll sich noch nicht in den ersten fünf Jahren zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr ausgewirkt haben, sondern erst beim Rentenbezug. Es soll hinzugekommen sein, dass die Betriebe die Privilegierung der Arbeitgeberleistungen erreichten und damit die eigenen Zuschüsse mindern konnten, indem die Aufhebungsverträge rückdatiert wurden. Ferner sollen Betriebsleistungen dadurch erspart worden sein, dass Montanleistungen erschlichen wurden, indem die Mitarbeiter kurz vor Ende des LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12596 2 Arbeitsverhältnisses von einem Werk zum anderen Werk, teilweise auch von einem Arbeitgeber zum anderen, formell „überstellt“ wurden, obwohl sie nie dort tätig waren. In Konsequenz dessen kam dann hinzu, dass die Mitarbeiter eine Vertrauensschutzbescheinigung erhielten, um den Rentenabschlag von 18 % nicht hinnehmen zu müssen. Als Wechselwirkung zu Letzterem sollen die Mitarbeiter dadurch Schaden erlitten haben, dass sie, aufgrund des Ausscheidens beim „falschen“ Werk, Schwierigkeiten bei der Betriebsrentenerhöhung haben. Einzelnen Mitarbeitern soll es verboten worden sein, über die Situation aufzuklären und es wurden Repressionen angekündigt für den Fall, dass das Verhalten der Geschäftsführung publik gemacht würde. Der Minister für Arbeit, Integration und Soziales hat die Kleine Anfrage 4905 mit Schreiben vom 29. Juli 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin sowie allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Verbesserung gesetzlicher Regelungen zum Schutz von Hinweisgebern ist in Deutschland bereits seit längerem in der rechtspolitischen Diskussion. Auch die Landesregierung hält klare Regeln zum Schutz von Whistleblowern für sinnvoll. Die größte Schwierigkeit besteht dabei darin, die schützenswerten, aber zum Teil divergierenden Interessen (z. B. Verschwiegenheitspflichten, Schutz betrieblicher, behördlicher und personenbezogener Daten sowie des Whistleblowers selbst) in Einklang zu bringen. Umfassend anwendbare Vorschriften, die den rechtlichen Rahmen des Whistleblowing festlegen, gibt es gegenwärtig nicht. Vereinzelte Be-stimmungen existieren u. a. in den Bereichen des Arbeitsrechts, des Beamtenrechts und des Strafrechts. Internationale Vorgaben ergeben sich u. a. aus Erklärungen und Vereinbarungen der OECD, der G 20 und des Europarates zum Schutz von Whistleblowern. Die Landesregierung ist sich der gesellschaftlichen Bedeutung von frühzeitigen Hinweisen auf Missstände und rechtswidrige Praktiken in Unternehmen, Behörden und Organisationen bewusst. Allerdings können eventuell erforderliche Regelungen zu den grundlegenden Rahmenbedingungen für Whistleblowing in zweckmäßiger Weise nur auf Bundesebene getroffen werden. Daher haben die Justizministerinnen und Justizminister auf ihrer 87. Konferenz am 1. und 2. Juni 2016 die Bundesregierung um Prüfung gebeten, ob der Schutz von Hinweisgebern einer gesetzlichen Regelung bedarf. Das Ergebnis dieser Prüfung bleibt abzuwarten. 1. Ist der Landesregierung oben stehender Sachverhalt bekannt? Soweit sich die Frage auf WestSpiel bezieht, wird auf die Antwort auf die Kleine Anfrage 4856 (LT-Drs. 16/12549) verwiesen. Soweit sich die Frage auf Vorgänge in der Metall verarbeitenden Industrie bezieht, liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12596 3 2. Unter der Maßgabe, dass sich die Verdachtsfälle erhärten: Welche Konsequenzen gedenkt die Landesregierung daraus zu ziehen? Da die Landesregierung keine Erkenntnisse über die beschriebenen Vorfälle in der Metall verarbeitenden Industrie hat, wäre eine Antwort rein spekulativ. Daher wird von einer Stellungnahme abgesehen. 3. Sollte bei Berufsgenossenschaften und der Arbeitsverwaltung, wo auch die Möglichkeit der anonymen Hinweisgabe schon besteht, auch die Möglichkeit für oben genannte Rechtsverstöße aufgenommen werden? Eine generelle Möglichkeit zur Meldung eventueller Missstände an Stellen bei der Arbeitsverwaltung oder den Berufsgenossenschaften wird nicht als zweckmäßig erachtet, da dies über deren originäre sachliche Zuständigkeiten hinausgehen würde. 4. Falls Frage 3 verneint werden sollte: Wie stellt die Landesregierung sicher, dass Whistleblower auf andere Weise ihr Wissen sicher übermitteln können? Hinweise zu Straftaten und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nimmt die Polizei uneingeschränkt und jederzeit entgegen. Zur Korruptionsbekämpfung hat das Landeskriminalamt NRW eine spezifische „Korruptionshotline“ eingerichtet. Hierüber können Bürgerinnen und Bürger - gegebenenfalls auch anonym - Hinweise zu korruptionsverdächtigen Sachverhalten geben. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. 5. Hält die Landesregierung es für sinnvoll, eine zentrale Stelle für Whistleblowing selbst zu betreiben? Zentrale Lösungen, um das Wissen von Whistleblowern abzuschöpfen, werden von der Landesregierung nicht als zweckmäßig angesehen, da sich die Rechtslage je nach Gegenstand des Whistleblowing - etwa wegen des Bestehens spezieller Verschwiegenheitspflichten - sehr differenziert darstellen kann. Insofern wird der Aufbau einer zentralen Anlaufstelle für Whistleblower nicht angestrebt. Vielmehr wird jede Verwaltung nach ihren spezifischen Bedürfnissen und Bedingungen beurteilen und festlegen müssen, ob sie Bedarf an derartigen Informationsquellen hat, wie sie sie am besten erschließen kann und ob und welche Maßnahmen zum Schutz von Hinweisgebern notwendig und geeignet sein könnten. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12596