LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12644 08.08.2016 Datum des Originals: 08.08.2016/Ausgegeben: 11.08.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4956 vom 13. Juli 2016 der Abgeordneten Holger Ellerbrock, Henning Höne, Thomas Nückel, Ralf Witzel, Dietmar Brockes und Ralph Bombis FDP Drucksache 16/12495 Quo vadis Stellplatzablösebeträge in den nordrhein-westfälischen Kommunen? Wortlaut der Kleinen Anfrage In Folge der Novellierung der Landesbauordnung 1995 wurde es den Bauaufsichtsbehörden übertragen, den individuellen Bedarf an Stellplätzen für PKW und Fahrräder (fakultativ für Fahrräder bis zur Novelle der Landesbauordnung 2000, danach verpflichtend für PKW und Fahrräder) bei der Errichtung von baulichen Anlagen festzustellen und dabei die Erreichbarkeit der Bauten mit dem öffentlichen Personenverkehr besonders zu berücksichtigen. Der Gesetzentwurf der rot-grünen Landesregierung für eine neue Landesbauordnung (Drs. 16/12119) sieht nun vor, den Gemeinden die Befugnis zu erteilen, die Anzahl und Ausstattung der erforderlichen Stellplätze von Personenkraftwagen sowie auch von Fahrrädern individuell per Satzung festzusetzen. Auch über die Notwendigkeit der Erhebung und über die Höhe der Stellplatzablösebeträge entscheidet zukünftig das jeweilige Kommunalparlament eigenständig . Nach § 51 (5) der gültigen Landesbauordnung „kann die Bauaufsichtsbehörde unter Bestimmung der Zahl der notwendigen Stellplätze im Einvernehmen mit der Gemeinde auf die Herstellung von Stellplätzen verzichten, wenn die zur Herstellung Verpflichteten an die Gemeinde einen Geldbetrag nach Maßgabe einer Satzung zahlen“. Dieser Geldbetrag darf maximal 80 vom Hundert der durchschnittlichen Herstellungskosten von Parkeinrichtungen nach Absatz 6 Buchstabe a der Landesbauordnung NRW betragen. Die durch Stellplatzablösebeträge eingenommenen Geldbeträge dürfen die Kommunen ausschließlich für die Herstellung zusätzlicher Parkeinrichtungen im Gemeindegebiet, für investive Maßnahmen zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs oder für investive Maßnahmen zur Verbesserung des Fahrradverkehrs verwenden (vgl. § 51 (6) Landesbauordnung NRW). In der heute gültigen Landesbauordnung wird der zulässige Verwendungsrahmen der Stellplatzablösebeträge klar de- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12644 2 finiert. Von diesen Vorgaben weicht der Entwurf der Landesregierung nun ab. Er verweist lediglich auf die in der „Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die gruppennützige Verwendung von Sonderabgaben, so dass eine missbräuchliche Verwendung der Beträge nicht zu erwarten sein dürfte“ (Drs. 16/12119, S. 124). Mit dieser Herangehensweise riskiert die Landesregierung ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit über die Verwendung der Einnahmen der Stellplatzablösebeträge in den Kommunen. Denn durch die jetzt bevorstehende Aufgabenübertragung an die Kommunalparlamente sind mehrere Szenarien denkbar. So ist möglich, dass die Kommunen eine hohe Anzahl von Stellplätzen in einer Satzung beschließen, um so möglichst hohe Einnahmen durch die Generierung von Stellplatzablösebeiträgen zu erzielen. Es ist aber auch vorstellbar, dass die Kommunen keine Stellplätze mehr für erforderlich halten und so Parkraum in den Kommunen perspektivisch deutlich reduziert werden wird. Demnach können Kommunalpolitiker künftig verstärkten Einfluss auf die Wahl von Verkehrsmitteln der Bürger ihrer Stadt nehmen und das Nutzerverhalten durch punktuelle Schwerpunktsetzungen in der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen beeinflussen, sodass der eigene Personenkraftwagen für viele Bürger als immer unattraktiver wahrgenommen wird. So wäre eine echte Wahlfreiheit der Verkehrsmittel für die Bürger nicht mehr gewährleistet. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4956 mit Schreiben vom 8. August 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr beantwortet. 1. Wie häufig kam es in den letzten fünf Jahren in den nordrhein-westfälischen Kommunen zur Zahlung des Stellplatzablösebetrages? (Bitte nach Fallzahlen in den einzelnen Kommunen und Jahren gegliedert angeben.) 2. Wie hoch sind die Stellplatzablösebeträge aktuell in den nordrhein-westfälischen Kommunen? (Bitte nach einzelnen Kommunen in Eurobeträgen gegliedert angeben .) 3. Welche Geldbeträge haben die nordrhein-westfälischen Kommunen in den letzten fünf Jahren jährlich durch Stellplatzablösebeiträge eingenommen? (Bitte nach einzelnen Kommunen und Jahren gegliedert angeben.) Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 bis 3 zusammen beantwortet. Erträge bzw. Einzahlungen aus der Zahlung von Stellplatzablösebeträgen werden in der Finanzstatistik nicht separat erfasst. Die erbetenen Informationen liegen daher weder einzelgemeindlich noch summarisch vor. 4. Inwiefern überprüft die Landesregierung, ob die durch Stellplatzablösebeträge eingenommenen Geldmittel in den Kommunen tatsächlich dem Zweck entsprechend verwendet werden und nicht im allgemeinen Haushalt der Kommune verbleiben ? Eine Überprüfung der zweckentsprechenden Einnahmenverwendung durch die Kommunen findet seitens des Landes nicht statt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12644 3 5. Warum streicht die Landesregierung die in der aktuellen Landesbauordnung kodifizierten und klar definierten zulässigen Verwendungszwecke für die Stellplatzablösebeträge aus dem Gesetzesentwurf für eine neue Landesbauordnung heraus und nimmt die damit einhergehenden Rechtsunsicherheiten in Kauf? Über notwendige Stellplätze und Fahrradabstellplätze sollen künftig ausschließlich die Kommunen durch Satzung entscheiden, weil die Frage, wie viele Stellplätze und Fahrradabstellplätze für ein Gebäude notwendig sind, maßgeblich von der städtebaulichen Konzeption und der örtlichen Verkehrsplanung sowie der ÖPNV-Infrastruktur beeinflusst wird. Aus diesem Grund hatten die Verbände der Wohnungswirtschaft und der Bauindustrie, aber auch die Architektenkammer , der BDB und der Mieterbund sich dafür ausgesprochen, die gesetzliche Stellplatzregelung abzuschaffen bzw. sie in das kommunale Satzungsrecht zu überführen. Auch die gegenwärtig durch § 51 Abs. 1 geforderte, auf das jeweilige Bauvorhaben auszurichtende Ermittlung der Stellplatzzahl ist ohne Kenntnis oder Berücksichtigung der kommunalen Stadt- und Verkehrsplanung und der Ziele der Quartierspolitik und der Wirtschaftsförderung nicht möglich. Mit dieser Aufgabe sind die Bauaufsichtsbehörden oft überfordert und greifen deshalb auf noch bekannte Richtzahlen zurück, die der Situation häufig nicht in der gebotenen Weise gerecht werden. Die Entscheidung über die Unterbringung des ruhenden Verkehrs soll daher künftig besser mit den innerhalb der Kommune ohnehin zu treffenden Planungsentscheidungen verzahnt werden . Eine vermehrte Rechtsunsicherheit ist damit – auch wegen der beabsichtigten langen Übergangsfrist – nach Auffassung der Landesregierung nicht verbunden. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12644