LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12646 08.08.2016 Datum des Originals: 08.08.2016/Ausgegeben: 11.08.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4943 vom 8. Juli 2016 des Abgeordneten Dirk Wedel FDP Drucksache 16/12478 Zukunft des Justizzentrums Köln Wortlaut der Kleinen Anfrage Am 23.11.2012 berichtete der Kölner Stadt-Anzeiger, der Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) habe dem Finanz- und Justizministerium wegen zu hoher Sanierungskosten empfohlen, auf eine grundlegende Sanierung des 30 Jahre alten Justizzentrums zu verzichten und einen Neubau zu errichten. In dem Artikel wird BLB-Sprecher Hartmut Gustmann wie folgt zitiert: „Wir könnten an der Luxemburger Straße nur unter laufendem Betrieb etagenweise sanieren. Das würde rund zehn Jahre dauern.“ Der Justizpalast müsste von Grund auf erneuert werden: Dach, Fassade, Elektro-Installationen, Brandschutz und Aufzüge. „Man müsste immer drei Etagen gleichzeitig leer ziehen, in einer könnte man arbeiten, die anderen müsste man als Lärmpuffer nutzen." Weiter wird berichtet, der BLB habe nach eigenen Angaben mit den Justizbehörden gesprochen. „Die Meinung ist eindeutig. Alle wollen einen Neubau.“ Laut Kölner Stadt-Anzeiger vom 22.12.2013 hält der Präsident des Amtsgerichts Köln, Henning Banke, eine Sanierung des Hochhauses an der Luxemburger Straße bei laufendem Betrieb für unrealistisch. Aufgrund der Bauweise seien beispielsweise Bohrarbeiten im Erdgeschoss bis in die oberen Stockwerke zu hören, sage ein Experte. In der 24. Sitzung des Rechtsausschusses vom 12.02.2014 gab Justizminister Kutschaty die Absicht bekannt, in Köln ein neues Justizgebäude zu errichten. Die bisherige Unterbringung sei nicht zufriedenstellend. Nach Kalkulationen des BLB könne eine Sanierung mit den nötigen Brandschutzmaßnahmen nicht im laufenden Betrieb durchgeführt werden und erreiche zudem einen Kostenrahmen, angesichts dessen ein Neubau wirtschaftlicher sei. Aus diesem Grund schlügen der Finanzminister und er die Errichtung eines Neubaus vor. Der Stadt Köln seien zwei aus Landessicht geeignete Standorte vorgeschlagen worden mit der Bitte, möglichst kurzfristig eine Standortentscheidung herbeizuführen (APr 16/468, Seite 35). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12646 2 Am 16.04.2015 berichtete die Kölnische Rundschau, der BLB überprüfe nun auch, einen Teilneubau und eine Sanierung am bestehenden Standort durchzuführen. Der flache Trakt mit den Gerichtssälen solle gegebenenfalls abgerissen und Ersatzbauten an gleicher Stelle errichtet werden. Das Hochhaus solle dann Stück für Stück saniert werden. Eine Entscheidung werde frühestens Ende des Jahres getroffen. Offenbar hätten Kostengründe zu dieser Überlegung geführt. Auf die Kleine Anfrage 3387 hat die Landesregierung am 01.06.2015 mitgeteilt, der BLB sei zu keinem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass es nicht möglich sei, die Sanierung sowie die notwendigen Brandschutzmaßnahmen im laufenden Betrieb durchzuführen, auch wenn dies mit erheblichen Beeinträchtigungen des Betriebs verbunden wäre. Insbesondere hat die Landesregierung bestätigt, dass dies eine der Optionen sei, die derzeit (wieder) geprüft wird, obwohl dies zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gerichtsbetriebs und Belastungen der Mitarbeiter führen würde (Drs. 16/8805, Seite 2). In der 18. Sitzung des Unterausschusses Landesbetriebe und Sondervermögen vom 10.06.2015 erklärte das Finanzministerium, mit einer Entscheidung sei erst Ende des Jahres zu rechnen (APr 16/921, Seite 2). Zwischenzeitlich wurde bekannt, dass im Rahmen der Sanierung von Brandschutzmängeln sowohl in den nicht öffentlich zugänglichen Versorgungsschächten an Schottungen sowie in Putz- und Spachtelmassen auf Wand- und Deckenflächen im gesamten Gebäude Asbestbelastungen festgestellt wurden (Drs. 16/9748, Seite 1). Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 4943 mit Schreiben vom 8. August 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister beantwortet. 1. Welche konkreten Alternativen eines Neubaus bzw. einer Sanierung des Justizzentrums wurden bisher geprüft (bitte unter Angabe der jeweils im Rahmen der einzelnen Alternativen erforderlichen Baumaßnahmen)? Gegenstand der Prüfung waren bislang drei Alternativen. Neben einer Kernsanierung des derzeit genutzten Gebäudes stehen die Unterbringung in einer Immobilie eines Drittinvestors (Bestandsgebäude oder Auftragsneubau) sowie ein Neubau durch den BLB NRW im Zentrum der Betrachtung. Die Kernsanierung des Hochhauses würde von der Errichtung eines neuen Saaltrakts und einem Anbau an das Gebäude der Staatsanwaltschaft flankiert werden, die im Vorfeld der Sanierungsmaßnahmen errichtet werden müssten; nach Abschluss der Arbeiten wäre der Abriss des bisherigen Saaltraktes vorgesehen. Die erforderlichen Baumaßnahmen bei Anmietung einer externen Immobilie lassen sich nicht losgelöst von einem konkreten Objekt beantworten. Ein Neubau des Justizzentrums wäre mit der Errichtung einer vollständigen Gerichtsinfrastruktur - Gerichtsgebäude, Saaltrakt und Parkhaus - verbunden. 2. Welche Kosten sind für die einzelnen Alternativen jeweils ermittelt (bitte unter Angabe der einzelnen Kostengruppen nach DIN 276)? Die Kalkulation von Baukosten durchläuft mehrere Stadien. Insbesondere in einem frühen Planungsstadium basieren derartige Kalkulationen oftmals auf einer planerisch und ingenieurtechnisch nicht vertieften Schätzung. Weitere Umstände, wie allgemeine Preissteigerungen und Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen, relativieren derartige Schätzungen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12646 3 im Laufe der Zeit zusätzlich. Allerdings sind die Schätzungen für verschiedene Alternativen von diesen Faktoren im gleichen Maße betroffen. Für eine Kernsanierung mit Teilneubau sind nach derzeitiger grober Schätzung des BLB NRW - ohne die Kostengruppe 100 - Kosten im unteren dreistelligen Millionenbereich in Ansatz zu bringen. Die Kosten für einen vollständigen Neubau kalkuliert der BLB NRW - ebenfalls ohne die Kostengruppe 100 - mit rund 85 Prozent der vorgenannten Kosten. In beiden Fällen besteht jedoch nach Einschätzung des BLB NRW ein auf der rudimentären Datengrundlage - Gutachten , Studien und Vergleichsobjekte - beruhendes, nicht unerhebliches Kostenrisiko. Die Kosten für eine externe Anmietung hängen maßgeblich von dem jeweiligen Angebot des Drittanbieters ab; diese sollen im Rahmen eines Markterkundungsverfahrens ermittelt werden. Im Hinblick auf die nunmehr vorgesehene Durchführung dieses Verfahrens wird zum Zwecke der Vermeidung einer Beeinflussung des Ergebnisses auch von der Nennung konkreterer Zahlen bezüglich der beiden anderen Alternativen Abstand genommen. 3. Welche Vor- und Nachteile sind für die einzelnen Alternativen jeweils ermittelt worden ? Eine Kernsanierung mit Teilneubau hätte den Vorteil, dass der repräsentative, dem rechtssuchenden Publikum vertraute Standort langfristig gesichert werden könnte. Zudem könnten die vor der Sanierungsphase errichteten Neubauten auch nach Abschluss der Maßnahme justizseitig genutzt werden. Einen großen Nachteil würde die prognostizierte Umsetzungsdauer von mehr als zehn Jahren bedeuten. Hinzu käme die während dieses Zeitraums zu erwartende Lärmbelästigung, denen die Beschäftigten in den Nachbargebäuden voraussichtlich ausgesetzt wären. Ferner müsste eine Vielzahl an Beschäftigten während der Sanierungsphase extern untergebracht werden, was mit erheblichen Kosten und einem hohen logistischen Aufwand verbunden sein dürfte und zwei Umzüge erforderlich machte. Auch steht das für den Neubau vorgesehene Grundstück nicht im Eigentum des Landes und müsste dementsprechend erst erworben werden. Im Übrigen fehlt es bislang an einem Bebauungsplan für dieses Grundstück, dessen Aufstellung zunächst abgewartet werden müsste. Eine externe Anmietung hätte den Vorteil der Risikominimierung für das Land Nordrhein-Westfalen bei der Umsetzung der Maßnahme. Zudem wäre eine Kernsanierung des Justizgebäudes entbehrlich, die Immobilie könnte vielmehr veräußert werden. Auch wäre lediglich ein Umzug erforderlich. Mit Blick auf den Zustand des Bestandsgebäudes könnte sich allerdings die Verwertung der Immobilie als schwierig erweisen. Auch das Ausschreibungsverfahren für die externe Anmietung ist mit Risiken behaftet. Ein Neubau an der Hans-Carl-Nipperdey-Straße machte ebenfalls die Kernsanierung des bisherigen Gebäudes entbehrlich und ermöglichte eine Veräußerung. Auch bei dieser Alternative bedürfte es nur eines Umzuges der Mitarbeiter. Als nachteilig wären dagegen die voraussichtliche Umsetzungsdauer von mehr als zehn Jahren und die wenig repräsentative Lage zwischen dem Bestandsgebäude und dem Bahndamm anzusehen. Hinzu kämen die Kosten, die für den Erwerb der Grundstücksflächen anfielen. Auch bei dieser Alternative müsste zudem die Aufstellung eines Bebauungsplanes abgewartet werden. Ferner bestünde ein Verwertungsrisiko für das Bestandsgebäude. 4. Welche Entscheidung hat die Landesregierung in Bezug auf den Neubau bzw. die Sanierung des Justizzentrums getroffen (bitte unter Angabe des Datums)? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12646 4 5. Aus welchen Gründen ist bisher gegebenenfalls keine Entscheidung in Bezug auf den Neubau bzw. die Sanierung des Justizzentrums getroffen worden? Es existiert noch keine Entscheidung der Landesregierung, welche der verschiedenen Alternativen zur Umsetzung gelangen soll. Üblicherweise entscheidet die Landesregierung über ein Bauvorhaben dieser Größenordnung erst nach Kenntnis der voraussichtlichen Mietkosten. Dies erfordert jedoch ein konkretes Mietangebot, welches zum gegenwärtigen Planungszeitpunkt noch nicht vorliegt. Dies wiederum ist dem Umstand geschuldet, dass es sich um eine äußerst komplexe Planungsaufgabe handelt, bei der neben der Gewährleistung einer funktionierenden Justiz auch städtebauliche Interessen und der schwierige Grundstücksmarkt in Köln zu berücksichtigen sowie die sich bietenden Optionen aus baulicher, planungsrechtlicher, organisatorischer und funktionaler Sicht zu bewerten und einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zu unterziehen sind. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12646