LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12657 09.08.2016 Datum des Originals: 08.08.2016/Ausgegeben: 12.08.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4926 vom 5. Juli 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/12444 EASY-Gap-Fälle in Nordrhein-Westfalen – Müssen Kommunen nun die Versäumnisse des Landes ausbaden? Wortlaut der Kleinen Anfrage Aktuell befinden sich 109.000 Asylsuchende bereits in den Kommunen, ohne jedoch erkennungsdienstlich behandelt worden zu sein oder einen Asylantrag gestellt zu haben. Um für die Betroffenen wie auch für die Kommunen, in denen diese Menschen untergebracht sind, Klarheit zu erreichen und die Asylverfahren starten zu lassen, hat das Innenministerium mit dem BAMF ein Konzept „Zuführung von Asylsuchenden zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zum Zwecke der ED-Behandlung und Asylantragstellung“ entwickelt. Ziel ist, dass alle Menschen bis September 2016 einen Asylantrag gestellt haben und erkennungsdienstlich erfasst sind. Dabei erfolgt die Zuführung laut Innenministerium in Abstimmung mit dem BAMF, den Bezirksregierungen und den Kommunen. Das Konzept sieht vor, dass die Asylsuchenden in den Kommunen, die bisher keinen Asylantrag beim BAMF stellen konnten, von den Ausländerbehörden gemeldet werden. Die Asylsuchenden sollen dann erkennungsdienstlich erfasst werden und anschließend die Anträge dann in den Ankunftszentren des BAMF bearbeitet werden. Konkret sollen An- und Abfahrt zum BAMF durch die Bezirksregierung Arnsberg und die kommunalen Ausländerbehörden organisiert werden. Untergebracht werden die Menschen vorübergehend in Landeseinrichtungen. Die Kosten trägt das Land. In einfach gelagerten Fällen soll im Ankunftszentrum neben der Antragstellung direkt die Anhörung und Entscheidung über den Asylantrag innerhalb von 48 Stunden erfolgen. Die übrigen Fälle werden zur weiteren Bearbeitung an die Außenstellen des Bundesamtes abgegeben. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12657 2 Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4926 mit Schreiben vom 8. August 2016 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie viele ED-Behandlungen von Asylsuchenden wurden jeweils in den Monaten dieses Jahres vorgenommen? Zunächst ist zwischen der reinen erkennungsdienstlichen Behandlung und der Zuführung zum Bundesamt zu unterscheiden. Von Dezember 2015 bis März 2016 führte das Land ca. 14.000 Asylsuchende den Mitarbeitern des Bundesamtes zur erkennungsdienstlichen Behandlung und Voraktenanlage zu. Parallel hierzu wurden auf Betreiben des Landes in NRW mobile Teams des Bundesamtes zur Registrierung von Asylsuchenden in den Kommunen eingesetzt. Mit Einführung der sogenannten Personalinfrastrukturkomponenten (PIK) des Bundes war es den Aufnahmeeinrichtungen und Registrierstellen des Landes erstmals möglich, selbst erkennungsdienstliche Behandlung durchzuführen. Das Land NRW war eines der ersten Länder, das im Rahmen eines Pilotprojekts bereits ab Januar 2016 die Einführung der PIK getestet hat. Auf Betreiben der Landesregierung war NRW zudem eines der ersten Flächenländer, das Mitte März 2016 das neue PIK-System flächendeckend eingeführt hat und seither die erkennungsdienstliche Behandlung der Asylsuchenden und die Ausstellung der Ankunftsnachweise (AKN) zu großen Teilen in Eigenregie durchführt. Durch das Land wurden seit Beginn der Erprobung des PIK-Systems im Januar 2016 folgende Registrierungen (inkl. ED-Behandlung) vorgenommen: Monat Registrierungen Ort 01/16 (28. + 29.01.2016) ca. 10 Registrierstelle Herford (Beginn Erprobungsphase) 02/16 ca. 1.600 Registrierstelle Herford 03/16 ca. 5.700 Registrierstelle Herford, Münster (ab 15.03.), Niederaußem (ab 16.03.) 04/16 ca. 4.250 Registrierstelle Herford, Münster , Niederaußem 05/16 ca. 3.400 Registrierstellen / Erstaufnahmeeinrichtungen (ab 09.05.2016) 06/16 ca. 10.000 Registrierstellen / Erstaufnahmeeinrichtungen 07/16 (bis 08.07.2016) ca. 4.500 Registrierstellen / Erstaufnahmeeinrichtungen gesamt ca. 29.460 - Der Rückgang der Registrierungen in den Monaten April und Mai erklärt sich mit den geringeren Zugangszahlen. Die Landesregierung hat sich das Ziel gesetzt, keinen Asylsuchenden mehr in die Kommunen zuzuweisen, ohne diesen zuvor erkennungsdienstlich behandelt und mit einem AKN ausgestattet zu haben. Dieses Ziel hat die Landesregierung erreicht. Um möglichst zeitnah das sog. „Easy-Gap“ zu reduzieren und zügige erkennungsdienstliche Behandlungen sowie die Asylantragstellung kommunal zugewiesener Flüchtlinge zu ermöglichen , wurde auf Initiative des Landes in Abstimmung mit dem BAMF im Mai 2016 das sogenannte „Zuführungskonzept“ entwickelt. Ein Baustein dieses Konzepts ist die Zuführung von LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12657 3 Asylsuchenden aus Kommunen zu den Registrierstellen des Landes zur Ausstellung von AKN sowie zur erkennungsdienstlichen Behandlung. Im Rahmen der Umsetzung dieses Konzepts wurde im Juni mit der systematischen Zuführung zu den Registrierstellen des Landes zur Durchführung erkennungsdienstlicher Behandlungen begonnen. Der "Zwischenschritt" der ED-Behandlung in den Registrierstellen des Landes (ohne Asylantragstellung) wurde den Kommunen anheimgestellt, da die sukzessive BAMF-Zuführung sich voraussichtlich bis Ende September 2016 hinziehen wird. Um den Asylsuchenden bereits vor Antragstellung beim Bundesamt einen AKN auszuhändigen und auch um dem sicherheitspolitischen Anspruch einer möglichst umfassenden ED-Behandlung der in NRW aufhältigen Asylsuchenden Rechnung zu tragen, bot die Landesregierung die Kapazitäten in den Registrierstellen auf freiwilliger Basis den Kommunen an. Rund 14.000 kommunal zugewiesene Asylsuchende wurden seither in den Registrierstellen des Landes erkennungsdienstlich behandelt und mit einem AKN ausgestattet . Zeitgleich werden Asylsuchende, entsprechend den Kapazitäten des Bundesamtes, den Ankunftszentren und Außenstellen zur vollständigen Asylantragstellung zugeführt. 2. Wie bewertet die Landesregierung den logistischen Aufwand für die kommunalen Ausländerbehörden zur Umsetzung des Konzepts „Zuführung von Asylsuchenden zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zum Zwecke der ED-Behandlung und Asylantragstellung“? Die Zuführung der Asylsuchenden, die vor Asylantragstellung in die Kommunen zugewiesen wurden, zum Bundesamt ist nicht die Aufgabe des Landes. Die Landesregierung unterstützt vielmehr freiwillig die Kommunen bei der Bewältigung des sog. "EASY-Gap", welches insbesondere aufgrund fehlender Kapazitäten des Bundesamtes im vergangenen Jahr entstanden ist. Die Landesregierung hat jedoch entschieden, die Kommunen mit dieser Situation nicht allein zu lassen. Die Organisation der Zuführung von über 100.000 Personen stellt für alle beteiligten Behörden eine Herausforderung dar. Das Land ist dabei bemüht den Aufwand für die kommunalen Behörden möglichst gering zu halten. So übernimmt das Land ohne eine rechtliche Verpflichtung u.a. die Abstimmungen mit dem Bundesamt hinsichtlich der verfügbaren Bearbeitungskapazitäten und teilt den kommunalen Ausländerbehörden mit, an welchen Tagen eine Zuführung zu welcher Dienststelle des BAMF vorgesehen ist. Das Land bietet zudem die Möglichkeit, Asylsuchende für den Prozess der Asylantragstellung und ggf. Anhörung in Einrichtungen des Landes unterzubringen und den Transport aus den Einrichtungen zum Bundesamt zu übernehmen. 3. Welche Strukturen bestehen in den kommunalen Ausländerbehörden hierzu, diese Aufgabe zu übernehmen (Beauftragung/Rahmenvertrag Busunternehmen, Ablauf/ Abstimmung mit Unterbringungseinrichtungen)? Zu den innerbehördlichen Strukturen der kommunalen Ausländerbehörden können keine Angaben gemacht werden. Der Ablauf bzw. die Abstimmung bei Unterbringung im Rahmen der Zuführung in einer Landeseinrichtung erfolgt wie folgt. Die jeweilige Landesunterkunft erhält fünf Arbeitstage im Voraus die notwendigen Informationen , d.h. personenscharfe Listen der Flüchtlinge aus der jeweiligen Kommune für den entspre- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12657 4 chenden Termin zur Asylantragstellung in den Standorten des BAMF. Die Unterbringung erfolgt in Landeseinrichtungen in der Nähe zu den Standorten des Bundesamtes. Die Landeseinrichtung stellt die Unterbringung für bis zu zwei Übernachtungen sowie die Verpflegung der Asylsuchenden sicher. Die Einrichtung sorgt für die ordnungsgemäße Zuführung der Flüchtlinge zu den Standorten des BAMF (ggf. tägliche mehrfache Zuführung zu den Standorten des BAMF). Nach Abschluss des Antragsverfahrens und ggf. der Anhörung erfolgt der Rücktransfer je nach Absprache mit der zuständigen Ausländerbehörde. 4. Wird im Rahmen des Konzepts sichergestellt, dass Asylsuchende ohne Bleibeperspektive anschließend in die Landeseinrichtungen kommen und dass Asylsuchende mit Bleibeperspektive wieder in die bisherige Kommune zurückgebracht werden? Asylsuchende, die bereits Kommunen zugewiesen wurden und im Rahmen des Zuführungskonzepts dem Bundesamt zur Asylantragstellung zugeführt werden, kehren unabhängig von der Bleibeperspektive in die bisherige Kommune zurück. Diese Personen verfügen über gültige Zuweisungsverfügungen und können insoweit nicht wieder zur Wohnsitznahme in einer Landeseinrichtung verpflichtet werden. Hierzu müsste in jedem Einzelfall die Möglichkeit eines Widerrufs der Zuweisungsentscheidung geprüft werden. Ein solcher Widerruf ermöglicht dem Asylsuchenden die Möglichkeit des Rechtsschutzes, was zu einer Verlängerung der Verfahren führen könnte. 5. Wie ist das konkrete Verfahren, wenn sich Personen der Zuführung und dem Transport widersetzen? Das Vorgehen, wie mit Personen zu verfahren ist, die sich der Registrierung oder Antragstellung verweigern, wurde mit Erlass des MIK vom 07.04.2016 geregelt. Bei Personen, die sich der Registrierung verweigern, kann dies als konkludente Erklärung gewertet werden, dass keine Absicht besteht, das Asylverfahren zu betreiben. Die Person gilt dann bis auf weiteres als unerlaubt eingereist. Bei Personen, die sich der Antragstellung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verweigern , erlischt die Aufenthaltsgestattung und der weitere Aufenthalt ist unerlaubt. In beiden Fällen wird wie folgt vorgegangen: 1. Die Personen werden über ihre Mitwirkungspflicht im Rahmen des Asylverfahrens belehrt und darauf hingewiesen, dass bei Verweigerung der Registrierung bzw. der Antragstellung der Verdacht einer strafbaren Handlung nach dem Aufenthaltsgesetz (unerlaubte Einreise bzw. unerlaubter Aufenthalt) vorliegt. Bleibt der Ausländer bei seiner Weigerungshaltung, ist die örtlich zuständige Ausländerbehörde unmittelbar zu informieren. 2. Die Ausländerbehörde unterrichtet die örtlich zuständigen Kreispolizeibehörde (KPB). Die jeweils örtlich zuständige KPB gewährleistet sodann die Einleitung eines Strafermittlungsverfahrens und die Durchführung identitätssichernder Maßnahmen bei dieser Person. Eine vollumfängliche erkennungsdienstliche Behandlung ist durchzuführen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12657 5 3. Die örtliche Ausländerbehörde prüft die Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr sowie die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen einschließlich der Beantragung von Abschiebungshaft . Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12657