LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12659 09.08.2016 Datum des Originals: 09.08.2016/Ausgegeben: 12.08.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4949 vom 12. Juli 2016 des Abgeordneten Ernst-Ulrich Alda FDP Drucksache 16/12484 Gewalt gegen Beschäftigte in Jobcentern, Arbeitsagenturen und kommunalen Sozialämtern sowie in der Arbeitsschutzverwaltung in NRW Wortlaut der Kleinen Anfrge Ein Anstieg von verbalen und tätlichen Übergriffen gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst sowie der Behinderung von Amtsträgern ist zu verzeichnen. Ein aktuelles Beispiel spielte sich am 9. Juni 2016 im Amtsgericht Arnsberg ab, wo ein „plötzlich tobender Angeklagter“ auf die Richterin eingeprügelt und die Frau erheblich verletzt hat (vgl. Presseberichterstattung u.a. WAZ). Neben der Justiz sind vor allem Beschäftigte von Polizei, Feuerwehren, Rettungsdiensten, Ordnungsämtern, Jobcentern und Arbeitsagenturen, Sozialämtern, Jugendämtern sowie weitere Bereiche kommunaler Verwaltungen betroffen. Mitarbeiter der genannten öffentlichen Einrichtungen werden Opfer eines breiten Spektrums gewalttätiger Übergriffe, welches z.B. Beleidigungen , Anspucken, Werfen von Gegenständen, die Abwehr von Zwangsmaßnahmen durch Attacken wie Schlagen oder Treten, Bedrohungen durch diverse Waffen sowie körperliche Gewaltausübung umfasst. In der Praxis fehlen häufig Notfallsysteme oder sie funktionieren nicht in gewünschter Weise bzw. ihre Anwendung ist den Mitarbeitern nicht ausreichend bekannt. Dies gilt auch für andere Möglichkeiten des Selbstschutzes. Hingegen sieht das so genannte „Aachener Modell zur Reduzierung von Bedrohungen und Übergriffen am Arbeitsplatz“ eine strukturierte Bewertung von kritischen Arbeitsplätzen, Gefährdungslagen und technischen bzw. organisatorischen Gegenmaßnahmen vor. Ein Angriff auf Amtsträger und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes ist ein Angriff auf die Gesellschaft und nicht hinnehmbar. Personen, die sich in ihrem Berufsleben dem Dienst für unsere Gesellschaft verschrieben haben, sollen und müssen Wertschätzung und Schutz aus allen Schichten der Gesellschaft erfahren und sich diesem sicher sein können. Gespräche mit LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12659 2 Gewerkschaften und auch Presseberichte zeigen jedoch, dass den Beschäftigten im öffentlichen Dienst diese Unterstützung häufig fehlt. Die Problematik gewalttätiger Übergriffe bedarf insofern höherer Aufmerksamkeit der Landesregierung. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 4949 mit Schreiben vom 9. August 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales und dem Justizminister beantwortet. 1. Welche Übergriffe auf Beschäftigte in Jobcentern, Arbeits-agenturen und kommunalen Sozialämtern sowie in der Arbeitsschutzverwaltung in Nordrhein-Westfalen sind der Landesregierung seit 2013 bekannt geworden? (Bitte detaillierte Angabe von Ort, Datum und Art des jeweiligen Übergriffes.) Quelle für statistische Daten ist die Polizeiliche Kriminalstatistik NRW (PKS). In der PKS werden nach bundesweit abgestimmten Richtlinien für die Führung der Polizeilichen Kriminalstatistik Opferdaten beim überwiegenden Teil der Straftaten gegen das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung, die persönliche Freiheit sowie bei Rohheitsdelikten erfasst. Hinzu kommt die Erfassung von Opferdaten bei den Delikten „Wider-stand gegen Polizeivollzugsbeamte , Vollstreckungsbeamte und Vollstreckungsbeamten gleichstehende Personen“. In der PKS werden Erfassungsfelder für „Polizeivollzugsbeamte“, „Feuerwehr“ und „sonstige Rettungsdienste“ geführt. Datenfelder für „Beschäftigte im öffentlichen Dienst“ existieren in der PKS nicht. Ebenso wenig ist ein Lagebild „Gewalt gegen Bedienstete des öffentlichen Dienstes “ vorhanden. Ganz allgemein lässt sich jedoch feststellen, dass der Respekt gegen-über hoheitlich tätigen Aufsichtspersonen deutlich abgenommen hat und verbale Angriffe wie Beleidigungen bzw. Anfeindungen zugenommen haben. 2. Wie werden Beschäftigte in Jobcentern, Arbeitsagenturen und kommunalen Sozialämtern sowie in der Arbeitsschutzverwaltung auf solche Situationen vorbereitet ? 3. Wie unterstützt die Landesregierung eine weitere Verbreitung des genannten „Aachener Modells zur Reduzierung von Bedrohungen und Übergriffen am Arbeitsplatz “? Im Rahmen einer trägerübergreifenden Arbeitsgruppe haben sich Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Aufgabenfeldern der Bundesagentur für Arbeit, Geschäftsführungen der Jobcenter, sowohl gemeinsamer Einrichtungen als auch zugelassener kommunaler Träger, Referatsleiter des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales sowie Mitglieder der Personalvertretungen der Bundesagentur für Arbeit und der Jobcenter intensiv mit der Verbesserung der Sicherheit in den Jobcentern und Agenturen für Arbeit auseinander gesetzt. Die Arbeitsgruppe hat ihre Überlegungen in der Dokumentation „Mit offenen Augen – Überlegungen zur Gewaltprävention“ zusammen-gefasst. Diese Dokumentation sowie das sogenannte „Aachener Modell zur Reduzierung von Bedrohungen und Übergriffen am Arbeitsplatz“ sind Grundlage umfangreicher Konzepte sämtlicher Jobcenter und Agenturen für Arbeit zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und zur Gewaltprävention. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12659 3 Die Konzepte berücksichtigen dabei jeweils die konkreten örtlichen Gegebenheiten und werden regelmäßig auf Anpassungsbedarfe geprüft und weiterentwickelt. Sie enthalten neben vielfältigen technischen und baulichen Maßnahmen (bspw. Alarmierungssoftware, Panikschlösser , sicherheits-fokussierte Möblierung der Büroräume) zahlreiche Empfehlungen, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf eine mögliche Gefährdung vorzubereiten bzw. diese zu einem der Gefährdungssituation angemessenen Verhalten anzuleiten. Dies erfolgt insbesondere durch kontinuierliche Fortbildungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beispielsweise in den Bereichen Gewalt-/Eskalations-prävention und Sicherheit am Arbeitsplatz. Darüber hinaus werden Übergriffe auf Beschäftigte der Jobcenter und Agenturen für Arbeit konsequent durch die Verhängung von Hausverboten und Strafanzeigen geahndet. Im Bereich der Arbeitsschutzverwaltung werden die Fachbeamtinnen und -beamten im Rahmen der Anwärterzeit auf den Außendienst vorbereitet, unter anderem erfolgt ein Kommunikationstraining . Für alle Beschäftigten der Arbeitsschutzverwaltung wird die Fortbildung „Deeskalationstraining für Aufsichtsbeamte im Außendienst“ angeboten. Außerdem werden die Fortbildungen „Die Tätigkeit im Außendienst“ und „Umgang mit schwierigen Gesprächspartnern “ von der Fortbildungs-akademie des Ministeriums für Inneres und Kommunales angeboten . Kritische Außendienste werden zu zweit durchgeführt. Dies gilt insbesondere auch für Außendienste in der Nachtzeit oder für bestimmte Regionen. Falls erforderlich wird die Polizei um Unter-stützung gebeten. Bei Bedrohungslagen brechen die Kolleginnen und Kollegen den Außendienst ab. Durch die Bezirksregierungen werden bei Bedarf Nachsorgeangebote bei erfolgten Übergriffen eröffnet. Im Bereich der Kommunalverwaltungen, wie beispielsweise den Sozial-ämtern, entscheiden die Kommunen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung über Maßnahmen der Prävention und Nachsorge zum Schutz der Beschäftigten. 4. Mit welchen sonstigen Maßnahmen beabsichtigt die Landes-regierung, Beschäftigte im öffentlichen Dienst besser zu schützen? Dem Dienstherrn ist es wichtig, das Leben und die Gesundheit jedes Menschen, der dem Staat dient, sowie auch jedes einzelnen Bürgers zu schützen. Die Landesregierung stellt sicher, dass mit einer Vielzahl von unter-schiedlichen Maßnahmen die Beschäftigten im öffentlichen Dienst geschützt werden. Bereits in der Prävention, aber auch in der Nach-sorge wird ein breites Spektrum von Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten angeboten. Die Fortbildungsakademie des Ministeriums für Inneres und Kommunales bietet für die Beschäftigten aller Laufbahngruppen Seminare unter anderem in den Bereichen der Führungsfortbildung , der persönlichen Entwicklung sowie der Kommunikation an, die Beschäftigte in die Lage versetzen, Krisensituationen (rechtzeitig) zu erkennen und diesen angemessen zu begegnen . So werden Beschäftigte mit Führungsfunktion sowohl im Rahmen der Führungsfortbildung als auch in weiterführenden konkreten Seminarangeboten sensibilisiert und geschult. Allen Beschäftigten stehen Seminarangebote zur persönlichen Entwicklung und zum achtsamen Umgang mit sich selbst und anderen zur Verfügung. Im Bereich der Gesundheitsprävention werden kontinuierlich bestehende Angebote weiterentwickelt bzw. neue Angebote konzipiert , die bereits im Vorfeld - vor Entstehen einer Krisensituation – ansetzen und die sich einer LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12659 4 ausgesprochen großen Nachfrage erfreuen. Darüber hinaus werden auf konkrete Fallkonstellationen bedarfsgerecht zugeschnittene Angebote entwickelt. Über das Fortbildungsangebot der Fortbildungsakademie hinaus können bei Bedarf auch Angebote externer Fortbildungsanbieter genutzt werden. Im Bereich der Kommunalverwaltungen entscheiden die Kommunen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung selbst über Maßnahmen der Prävention und Nachsorge zum Schutz der Beschäftigten. 5. Mit welchen Maßnahmen beabsichtigt die Landesregierung, die notwendige Akzeptanz der Arbeit im öffentlichen Dienst in der Bevölkerung zu verbessen? Die Landesregierung nimmt die Fürsorgepflicht als Dienstherr für die Beschäftigten ernst und hat großes Interesse daran, die notwendige Akzeptanz der Arbeit in der Bevölkerung kontinuierlich zu verbessern. Dazu veranstaltet die Landesregierung u.a. im November 2016 eine „Woche des Respekts“ zur Förderung der gegenseitigen Achtung und des respektvollen Umgangs miteinander. Das Engagement für die Gesellschaft und die Würdigung von Zivil-courage stehen hier im Mittelpunkt. Aber auch Wertschätzung der Arbeit sowie das Thema „Ausgrenzung“ sollen diskutiert werden. Auf diese Weise möchte sie die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen für das Thema „Respekt“ sensibilisieren. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12659