LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12691 16.08.2016 Datum des Originals: 16.08.2016/Ausgegeben: 19.08.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4982 vom 25. Juli 2016 des Abgeordneten Henning Höne FDP Drucksache 16/12573 Rohmilchverkauf ab Hof – welche Möglichkeiten zur Verbesserung der Direkt-vermarktung für die Milchwirtschaft sieht die Landesregierung? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Direktvermarktung ist für landwirtschaftliche Betriebe häufig ein wichtiges Standbein. Bei direktvermarktenden Hofmolkereien wird regelmäßig die sogenannte weiße Linie, also Milch, Joghurt, Quark und Frischkäse angeboten. Ihre Produkte überzeugen durch Qualität und Geschmack . Nach der Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs (Tier-LMHV) ist die Abgabe von Rohmilch an den Verbraucher grundsätzlich nicht erlaubt, da in dieser Milch natürliche Krankheitserreger vorkommen können. Stattdessen ist die Milch zunächst zu erhitzen (z. B. Pasteurisierung oder Ultrahocherhitzung). Von der Verpflichtung zur Erhitzung der Milch vor Abgabe an den Verbraucher existieren jedoch zwei Ausnahmenregelungen: Die Abgabe von Vorzugsmilch und „Rohmilch ab Hof“. Der Verkauf von Rohmilch erfreut sich seit einiger Zeit steigender Beliebtheit. Als Gründe dafür werden unter anderem die besondere geschmackliche Qualität und der unverminderte Erhalte natürlicher Inhaltsstoffe (Vitamine, Spurenelemente und Mineralien) angeführt. Bei der Vorzugsmilch handelt es sich um Rohmilch, die in Fertigpackungen an den Verbraucher abgegeben werden darf und innerhalb von 96 Stunden nach Gewinnung zu verbrauchen ist. Sie bedarf einer Genehmigung, unterliegt strengen mikrobiologischen Kontrollen und muss besondere hygienische Grenzwerte erfüllen, sodass sie auch unabgekocht verzehrt werden kann. Die Direktvermarktung findet häufig über einen SB-Kühlschrank für Selbstabholer oder durch die direkte Belieferung von Endkunden wie Gastronomie oder Einzelhandel in der Region statt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12691 2 „Rohmilch ab Hof“ ist bis maximal 48 Stunden zum Verzehr geeignet. Sie darf nur von der Hofstelle verkauft werden. Zudem muss sie vor dem Verzehr abgekocht werden. Hierauf hat der Landwirt beim Verkauf hinzuweisen. Der Verkauf ist der Behörde anzuzeigen. Die Beschränkung des Verkaufs auf die Abgabe im Milcherzeugungsbetrieb führt jedoch dazu, dass – trotz Einhaltung der hygienischen Anforderungen – andere Vertriebsformen der Direktvermarktung wie z.B. zentrumsnähere Bauernläden oder Direktbelieferung der Endkunden nicht möglich sind. Vor dem Hintergrund der aktuellen Milchpreise könnte eine verstärkte Direktvermarktung einen kleinen Beitrag zur Stärkung der Betriebe leisten. Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4982 mit Schreiben vom 16. August 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Milch ist ein leicht verderbliches Lebensmittel, das an die Gewinnung, Lagerung und Verarbeitung besondere Anprüche stellt. Es gibt daher gute Gründe, warum hierzu strenge Hygieneregeln zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher gelten. Sie tragen mit dazu bei, dass Milch und Milchprodukte sicher sind und ein gutes Image genießen. Gleichwohl steckt der Milchmarkt aktuell in einer Krise, und es sind alle Maßnahmen zu begrüßen , die auf den Milchviehbetrieben zu einem auskömmlichen Einkommen beitragen. Hierzu gehört auch die Vermarktung von Milch und Milchprodukten direkt ab Hof. Sofern Rohmilch vermarktet werden soll, ist die Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen jedoch unverzichtbar . 1. Inwiefern ist aus Sicht der Landesregierung die Beschränkung der Abgabe von Rohmilch nach § 17 Abs. 4 Tier-LMHV auf den unmittelbaren Betrieb verzichtbar, sofern die einschlägigen hygienischen Anforderungen eingehalten werden? Die Beschränkung der Abgabe von Rohmilch auf den unmittelbaren Betrieb ist aufgrund der gesundheitlichen Risiken nicht verzichtbar. Diese werden in einer Stellungnahme der EFSA „Scientific Opinion on the public health risks related to the consumption of raw drinking milk“ von 2015 bewertet. Auch in Deutschland gibt es Hinweise auf einen Anstieg von humanen Krankheitsfällen mit Campylobacter-Infektionen in Verbindung mit Rohmilchverzehr (u.a. Stellungnahme Nr. 008/2016 des BfR vom 13. April 2016). Als Rohmilch wird die unbehandelte Milch von Kühen, Schafen und Ziegen bezeichnet, bei der keine Homogenisierung und keine Wärmebehandlung zur Keimreduktion (z.B. Pasteurisierung ) erfolgt ist. Rohmilch ist ein empfindliches Lebensmittel, das aufgrund seiner Gewinnung unmittelbar vom Tier im Stall nach einem Filtrationsschritt ohne weitere Verarbeitung (Pasteurisierung ) mit krankmachenden Bakterien wie zum Beispiel Salmonellen, Campylobacter oder enterohämorragischen Escherichia coli (EHEC) kontaminiert sein kann. Die Kontamination mit diesen Erregern erfolgt in der Regel durch eine fäkale Verunreinigung. Diese Keime können zum Teil schwere Erkrankungen auslösen, die bei Säuglingen, Kleinkindern, älteren Menschen und Menschen mit bestimmten Grunderkrankungen (Immunschwäche) besonders schwer verlaufen können. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12691 3 Aus diesen Gründen ist die Abgabe von Rohmilch gemäß § 17 Absatz 1 der Tierischen Lebensmittelhygiene -Verordnung (Tier-LMHV) des Bundes verboten. Abweichend hiervon lässt § 17 Absatz 4 die Abgabe von Rohmilch von Milcherzeugungsbetrieben unmittelbar an Verbraucher zu, wenn 1. die Abgabe im Milcherzeugungsbetrieb erfolgt, 2. die Rohmilch im eigenen Betrieb gewonnen und behandelt worden ist, 3. die Rohmilch am Tag der Abgabe oder am Tag zuvor gewonnen worden ist, 4. an der Abgabestelle gut sichtbar und lesbar der Hinweis „Rohmilch, vor dem Verzehr abkochen “ angebracht ist und 5. die Abgabe von Rohmilch zuvor der zuständigen Behörde angezeigt worden ist. In verschiedenen Besprechungen hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in den vergangenen Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass diese Ausnahmeregelung restriktiv zu handhaben sei. Die ursprüngliche Intention dieser Ausnahmeregelung lag darin, die Abgabe von Rohmilch auch weiterhin an einen überschaubaren, dem Landwirt in der Regel persönlich bekannten Personenkreis zu ermöglichen. Die einzig wirksame Maßnahme gegen eine Infektion ist das Abkochen der Rohmilch durch die Verbraucher und Verbraucherinnen, was häufig nicht erfolgt. Eine Ausweitung der Abgabe von Rohmilch an den Endverbraucher ist daher unter gesundheitlichen Aspekten als sehr kritisch anzusehen. 2. Welche Möglichkeiten und Notwendigkeiten sieht die Landesregierung – insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Milchkrise – zur Weiterentwicklung der Direktvermarktung? Da über den Verkauf ab Hof oftmals deutlich bessere Preise für Milch als über die Ablieferung an eine Molkerei zu erzielen sind, sieht die Landesregierung in der Direktvermarktung einen guten Weg für Betriebe, ein auskömmliches Einkommen zu sichern. Ob dieser Weg gegangen wird, stellt jedoch eine einzelbetriebliche Entscheidung dar, die in Abhängigkeit vom Standort und den betrieblichen Voraussetzungen getroffen werden muss. Von der Landesregierung werden Initiativen zur Direktvermarktung von Milch und Milchprodukten schon lange direkt und indirekt unterstützt. Hierbei handelt es sich aus o.g. Gründen i.d.R. nicht speziell um die Vermarktung von Rohmilch, sondern um nach den Hygienevorgaben behandelte Milch sowie verarbeitete Milchprodukte. So bietet das Land mit den Förderprogramm „Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der Diversifizierung der Tätigkeiten im landwirtschaftlichen und landwirtschaftsnahen Bereich“ finanzielle Hilfen für landwirtschaftliche Betriebe, die ihre Produkte verarbeiten und selbst vermarkten wollen. Für Betriebe mit Milchproduktion können z.B. Investitionen in die Verarbeitung und Vermarktung von Milch zu Käse, Quark, etc. oder der Verkauf von Milch gefördert werden. Über die vom MKULNV initiierte virtuelle "Käseroute NRW" wird außerdem seit 11 Jahren über landwirtschaftliche Betriebe, die selbst Milch und Milchprodukte vermarkten, informiert. Alle Hofkäsereien können bei dem jetzt von der Landwirtschaftskammer betreuten Internetportal mitmachen. Für Höfe, die ihre Milch pasteurisieren, kann auch der "Marktplatz des 100-Kantinen-Programms" von Interesse sein. Darüber hinaus ist die Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW e.V. vom Land beauftragt, die Qualität von Milch und Milchprodukten zu fördern. Diesen Auftrag nimmt sie u.a. durch die Beratung und Schulung von Milcherzeugerbetrieben zur Vermarktung von Milch wahr. Von der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12691 4 Landwirtschaftskammer werden über das Landservice-Angebot Milchviehbetriebe mit Direktvermarktung beworben. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12691