LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12705 17.08.2016 Datum des Originals: 16.08.2016/Ausgegeben: 22.08.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4937 vom 6. Juli 2016 des Abgeordneten Jens-Peter Nettekoven CDU Drucksache 16/12470 Wie stellt sich die Situation der Suchtfachkliniken in Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf den Abbau von 20 % der Kapazitäten, d.h. rund 450 Behandlungsplätzen seit 2010 dar? Wortlaut der Kleinen Anfrage Der Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe („buss“) in Nordrhein-Westfalen hat aktuell 34 Mitgliedseinrichtungen mit rund 1.500 Behandlungsplätzen im Bereich medizinische Rehabilitation: 17 Fachkliniken mit circa 890 Plätzen (Indikationsschwerpunkt Alkohol / Medikamente ), 13 Fachkliniken mit circa 400 Plätzen (Indikationsschwerpunkt Drogen), 1 Tagesreha mit 18 Plätzen und weitere 100 tagesklinische Plätze in Reha-Einrichtungen sowie 9 Adaptionseinrichtungen bzw. Fachabteilungen mit 100 Plätzen. Seit 2010 wurden zahlreiche Einrichtungen – darunter 5 Fachkliniken mit 270 Plätzen – geschlossen , weil kein wirtschaftlicher Betrieb mehr möglich war. Insgesamt wurden 23 % der Plätze abgebaut und damit die Behandlungskapazitäten um 350 Plätze reduziert. In Nordrhein-Westfalen gibt es aktuell weitere knapp 1.000 Behandlungsplätze in 12 Einrichtungen , die nicht Mitglied im „buss“ sind: 5 Fachkliniken mit circa 775 Plätzen (Indikationsschwerpunkt Alkohol / Medikamente), 3 Fachkliniken mit circa 130 Plätzen (Indikationsschwerpunkt Drogen) sowie 5 Adaptionseinrichtungen bzw. Fachabteilungen mit 75 Plätzen. In den Jahren 2012 und 2013 wurden 2 Drogeneinrichtungen mit 100 Plätzen geschlossen. Insgesamt sind somit seit 2010 rund 450 Behandlungsplätze in Nordrhein-Westfalen verloren gegangen, was einem Verlust von über 20% der Behandlungsplätze entspricht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12705 2 Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 4937 mit Schreiben vom 16. August 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet. 1. Wie hat sich die Zahl der Behandlungsplätze in nordrhein-westfälischen Suchtfachkliniken seit 2010 entwickelt? In Nordrhein-Westfalen wurden im Jahr 2010 von den Rehabilitationseinrichtungen der Deutschen Rentenversicherung Rheinland/Rheinischen Arbeitsgemeinschaft zur Rehabilitation Suchtkranker (RAG), der Westfälischen Arbeitsgemeinschaft zur Rehabilitation Abhängigkeitskranker (WAG) und der Deutschen Rentenversicherung Bund für Alkohol-, Medikamenten - und Drogenabhängige insgesamt 3091 Behandlungsplätze (stationäre sowie Adaptionsund ganztägig ambulante Therapieplätze) vorgehalten. Aktuell sind 2701 Behandlungsplätze vorhanden, Ende 2016 werden es voraussichtlich 2661 Behandlungsplätze sein. Dies entspricht einem Abbau von 430 Plätzen (13,9 %). Der Abbau der Behandlungsplätze hat nach Auffassung der Kostenträger nicht dazu geführt, dass für Abhängigkeitskranke, die einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation bedürfen, Versorgungsengpässe entstanden sind. Dies wird u. a. auch anhand der regelmäßig durch die Kliniken gemeldeten freien Plätze an die Rentenversicherung dokumentiert. Zudem ist (bundesweit ) ein Rückgang an Anträgen auf stationäre Rehabilitation zu beobachten. 2. Für die Sucht-Rehabilitation in Nordrhein-Westfalen werden im Durchschnitt Pflegesätze von 110 Euro bezahlt. Der Bundesdurchschnitt liegt bei über 120 Euro. Woraus erklärt sich die Differenz? Bei den genannten Pflegesätzen wird davon ausgegangen, dass es sich um die Zahlbeträge für die stationäre Suchtrehabilitation und nicht für die Adaption oder die ganztägig ambulante Therapie handelt. Aktuell beträgt der durchschnittliche Pflegesatz der stationären Einrichtungen im Gebiet RAG ca. 115 Euro. Im Bereich der WAG werden im Durchschnitt Pflegesätze von 120,21 Euro gezahlt . Grundlage für die Vereinbarung eines Vergütungssatzes ist regelmäßig das zwischen Leistungsanbieter und Leistungsträger bzw. Federführer abgestimmte Therapiekonzept, bestehend aus Sach-, Personal- und Raumkonzept. Die Kalkulation eines Vergütungssatzes ist von vielen Faktoren abhängig, u.a. spielt dabei auch die konzeptionelle Ausrichtung einer Suchteinrichtung eine wesentliche Rolle. Im Zusammenhang mit den Anpassungen aufgrund allgemeiner Kostensteigerungen wird darauf hingewiesen, dass sich die Vergütungsvereinbarungen, die seitens der Rentenversicherungsträger für ihre Mitglieder getroffen werden, nach den Grundsätzen der einzelnen Mitglieder richten. Dabei ist auch zu beachten, dass nach den Grundsätzen und Richtlinien der Rheinischen Arbeitsgemeinschaft und der Westfälischen Arbeitsgemeinschaft nur ein einheitlicher Vergütungssatz für alle Kostenträger je Klinik vereinbart werden kann. Insofern sind, bezogen auf geltend gemachte allgemeine Kostensteigerungen, nicht nur die Berechnungen der Rentenversicherung zum Anpassungsbedarf maßgeblich, sondern es ist auch die Obergrenze der jährlich vom Bundesministerium für Gesundheit bekannt gemachten Veränderungsrate gem. § 71 Abs. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) bei den Kostensatzverhandlungen zu berücksichtigen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12705 3 3. Welche Überlegungen gibt es seitens der Landesregierung gemeinsam mit den beteiligten Leistungsträgern und Fachverbänden der Leistungserbringer, die bestehenden Finanzierungsdifferenzen zum Bundesdurchschnitt und zu anderen Bundesländern auszugleichen? Es fällt nicht in den Aufgabenbereich der Landesregierung, in die Verhandlungen zur Vergütung zwischen Leistungsanbietern und Kostenträgern einzugreifen. Zudem wird auf die Antwort zur Frage 2 verwiesen. 4. Welche Initiative ergreift die Landesregierung, um bei der Beratung des neuen Bundesteilhabegesetzes (BTHG) bei der Gestaltung der §§ 36 – 38 BTHG mitzuwirken , um Schlichtungsstellen auch für die Vergütungssätze in der Rehabilitation gesetzlich zu verankern? Die §§ 36 – 38 SGB IX-Referentenentwurf entsprechen weitestgehend den bisherigen §§ 19 – 21 SGB IX. Diese enthalten keine Regelungen zu sozialrechtlichen Schiedsstellen. Sie sind in verschiedenen Leistungsgesetzen etabliert, so etwa für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe in § 78g SGB VIII, der Sozialhilfe in § 80 SGB XII (§ 133 SGB IX-RefE) und der gesetzlichen Krankenversicherung in § 111b SGB V. Die Verpflichtung zur Einführung von Schiedsstellen für Vergütungsvereinbarungen im Bereich der medizinischen Rehabilitation auf Landesebene für die gesetzliche Krankenversicherung ergibt sich aus § 111b SGB V. Diese Schiedsstelle ist in NRW bereits eingerichtet. Die Prüfung, ob die Einrichtung analoger Schlichtungsstellen für die medizinische Suchtrehabilitation sinnvoll ist und wie diese rechtlich zu verankern wären, ist noch nicht abgeschlossen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12705