LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12723 19.08.2016 Datum des Originals: 19.08.2016/Ausgegeben: 24.08.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4984 vom 25. Juli 2016 der Abgeordneten Henning Höne, Christof Rasche und Dietmar Brockes FDP Drucksache 16/12577 Was unternimmt die Landesregierung, um die Akzeptanz von Schützenfesten in der Gesellschaft zu stärken? Wortlaut der Kleinen Anfrage Die vielen Bruderschaften und Schützenvereine sind häufig integraler Bestandteil der nordrhein -westfälischen Kommunen. Sie gehören dort oftmals seit vielen Jahrhunderten zum historischen Brauchtum in den Sommermonaten. Aber nicht nur an den jeweiligen Schützenfestwochenenden gehört das Vereinsleben für viele Bürgerinnen und Bürger zum persönlichen Leben. Die Vereine leisten vielfach in den Orten wichtige ehrenamtliche Arbeit, die die Gesellschaft insgesamt stützt und den Zusammenhalt der Gesellschaft fördert. Ferner sind sie Vereine vielfach Brücke zum Zutritt zur lokalen Gesellschaft für Neuzugezogene. Wenn man in den Vereinen aktiv wird, vereinfacht sich die soziale Integration. Denn man lernt durch das Vereinswesen viele Menschen auch aus der Nachbarschaft in ungezwungener Atmosphäre kennen und Freundschaften können entstehen. An diesem Wochenende fand zum Beispiel das historische Schützenfest in Grevenbroich-Orken statt. In dem Grevenbroicher Stadtteil ist dies seit 1898 gute Tradition. Zu dieser gehört auch das Wecken in bestimmten Straßenzügen durch den lokalen Tambourcorps am Sonntagmorgen . Zwar existiert in Nordrhein-Westfalen eine generelle Nachtruhe bis 6 Uhr morgens (vgl. § 9 (1) Lärmimmissionsschutzgesetz NRW). Davon sind jedoch begründete Ausnahmen möglich, wenn diese von den örtlichen Behörden genehmigt sind. „Ein öffentliches Bedürfnis liegt in der Regel vor, wenn eine Veranstaltung auf historischen, kulturellen oder sonst sozialgewichtigen Umständen beruht und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber dem Schutzbedürfnis der Nachbarschaft überwiegt“ (Lärmimmissionsschutzgesetz NRW, § 9 (3)). Bis zu diesem Wochenende wurde ein solches Wecken noch nie von der Polizei untersagt, da die Grevenbroicher Stadtverwaltung wie in jedem Jahr das Wecken durch den sogenannten „Regimentsbefehl“ auch in diesem Jahr genehmigt hatte. An diesem Sonntag traf sich der Tambourcorps wie gewohnt und genehmigt um fünf Uhr morgens zum Musikspielen. Kurze Zeit später kamen zwei örtliche Streifenpolizisten und LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12723 2 untersagten kurzerhand das Wecken der Spielleute. Die Polizei war ausgerückt, nachdem sich ein Anwohner an die Polizei gewandt hatte, weil „Jugendliche auf der Düsseldorfer Straße mit Instrumenten spielen würden“ (Neuß-Grevenbroicher Zeitung (NGZ), 25. Juli 2016). Später stellte sich heraus, dass dieses von der Polizei ausgesprochene Verbot „nicht rechtmäßig “ (NGZ, 25. Juli 2016) war, wie eine Polizeisprecherin mitteilte. Den im Dienst befindlichen Beamten war „offensichtlich [...] diese Ausnahme […] nicht bekannt, was wir bedauern“ (NGZ, 25. Juli 2016). Dieser Vorgang sorgte für viel Verärgerung nicht nur bei dem beteiligten Musikspielverein und dem konkreten Schützenverein, sondern auch in den sozialen Medien und in weiten Teilen der Bevölkerung. Der Vizepräsident des Orkener Vereins fasste zusammen: „Für die Beschwerde der Anwohner haben wir nicht viel Verständnis. Damit werden Traditionen unterlaufen“ (NGZ, 25. Juli 2016). Der Bezirksbundesmeister der historischen Schützenbruderschaften ergänzt in der Presse: „Das ist unfassbar. Es bestätigt den gesellschaftlichen Stellenwert, den unsere Schützenfeste heute leider haben“ (NGZ , 25. Juli 2016). Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4984 mit Schreiben vom 19. August 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Klimaschutz , Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz und der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkungen der Landesregierung Der Schutz der Nachtruhe wird durch § 9 des Landes-Immissionsschutzgesetzes (LImschG) NRW geregelt. Gemäß § 9 Absatz 1 des LImschG NRW sind in der Zeit von 22:00 bis 06:00 Uhr Betätigungen verboten, welche dazu geeignet sind, die Nachtruhe zu stören. Zudem dürfen nach § 10 des LImschG Musikinstrumente nur in solcher Lautstärke benutzt werden, dass unbeteiligte Personen nicht erheblich belästigt werden. Zur Beurteilung der von Veranstaltungen ausgehen-den Geräusche sind der Freizeitlärmerlass NRW und die dort festgelegten Immissionsrichtwerte heranzuziehen. Volksfeste können häufig die Immissionsrichtwerte des Freizeitlärmerlasses nicht einhalten. Jedoch besteht gerade hier oftmals ein öffentliches Interesse an der Durchführung der Veranstaltung . In diesem Fall können Ausnahmen nach Maßgabe der §§ 9 Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 und 10 Absatz 4 LImschG NRW zugelassen werden. Entgegen der zitierten Berichterstattung in den Medien lag eine Ausnahmegenehmigung nach §§ 9 Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 und 10 Ab-satz 4 LImschG NRW für das „morgendliche Wecken “ nicht vor. Insofern war das Einschreiten der Polizeibeamten entgegen der zitierten Aussage der Pressesprecherin der Kreispolizeibehörde Rhein-Kreis Neuss rechtmäßig. Durch den Bürgerschützenverein Orken 1874 e.V. war lediglich eine verkehrsbehördliche Genehmigung beantragt worden. Diese Genehmigung hatte die Stadt Grevenbroich erteilt. Gegenstand dieser Genehmigung sind nicht die Regelungen des LImschG NRW. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12723 3 1. Wie bewertet die Landesregierung den o.g. Vorfall konkret, bei dem es zu erheblichem Unmut in der Bevölkerung gekommen ist? Das Einschreiten der Polizeibeamten war rechtmäßig, da keine Ausnahmegenehmigung für das „morgendliche Wecken“ nach §§ 9 Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 und 10 Absatz 4 LImschG NRW vorlag. 2. Sind der Landesregierung vergleichbare Fälle in anderen Kommunen Nordrhein- Westfalens bekannt? (Bitte detailliert darstellen.) Der Landesregierung sind keine vergleichbaren Fälle in anderen Kommunen Nordrhein-Westfalens bekannt. 3. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass die sich im Dienst befindlichen Polizeibeamten über erteilte Ausnahmegenehmigungen bei entsprechenden Beschwerden vorab informiert werden, sodass zukünftig keine nicht rechtmäßigen Verbote von der Polizei mehr ausgesprochen werden? Diese Regelungskompetenz liegt in der Verantwortung der einzelnen Kreispolizeibehörden. Im Weiteren verweise ich auf die Vorbemerkungen der Landesregierung. 4. Inwiefern nimmt die Landesregierung einen negativen Trend hinsichtlich des gesellschaftlichen Stellenwerts von Schützenvereinen in der Gesellschaft wahr? Die Landesregierung nimmt keinen negativen Trend hinsichtlich des gesellschaftlichen Stellenwerts von Schützenvereinen wahr. 5. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung konkret ergriffen bzw. beabsichtigt die Landesregierung zu ergreifen, um die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber den Schützenvereinen zu stärken? Die Landesregierung hat das historische Schützenwesen im Jahr 2014 förmlich in die Landesliste des immateriellen Kulturerbes gemäß der UNESCO-Konvention aufgenommen, um das gesellschaftliche Engagement der Schützen zu würdigen. Darüber hinaus verfolgt der am 26.04.2016 novellierte Freizeitlärmerlass das Ziel, einen Ausgleich der Interessen an Freizeitgestaltung (z.B. durch Traditionsveranstaltungen wie Schützenfeste ) und dem Bedürfnis der Anwohnerinnen und Anwohner nach Ruhe zu finden. Insbesondere die Empfehlung des Erlasses an die Kommunen, ein Veranstaltungskonzept zu erstellen , in dem Art und Anzahl der geplanten Veranstaltungen aufgeführt sind und auf dessen Grundlage der Öffentlichkeit die Möglichkeit der Beteiligung eingeräumt wird, soll die Akzeptanz der Traditionsveranstaltungen stärken. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12723