LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12749 23.08.2016 Datum des Originals: 23.08.2016/Ausgegeben: 26.08.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4987 vom 27. Juli 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/12586 Landes-Konzept„Zuführung von Asylsuchenden zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zum Zwecke der ED-Behandlung und Asylantragstellung“ in der Praxis? Vorbemerkung der KleinenAnfrage Am 15. Juni 2016 erklärte der Innenminister gegenüber der Presse die aktuellen Planungen des Landes in Bezug auf die Aufarbeitung von Defiziten bei der erkennungsdienstlichen Behandlung von Asylsuchenden sowie zum Abbau des sog. EASY-Gaps in Nordrhein- Westfalen. Aufgrund der Stabilisierung der Flüchtlingszahlen in NRW auf rund 3.500 EASY-Zugänge in April und Mai 2016 habe sich auch die Situation bei der Erstaufnahme entspannt. Um die Defizite bei der erkennungsdienstlichen Behandlung und bei der formalen Asylantragstellung aufzuarbeiten, habe das Innenministerium ein Konzept „Zuführung von Asylsuchenden zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zum Zwecke der ED-Behandlung und Asylantragstellung“ entwickelt. Ziele der Zuführung seien die vollständige und schnellstmögliche erkennungsdienstliche Behandlung (ED-Behandlung) durch das Land sowie die Sicherstellung der Asylantragstellung beim BAMF aller sich in NRW aufhaltenden Flüchtlinge. Im Rahmen einer Abfrage bei den Ausländerbehörden der Kommunen hätten diese mitgeteilt, dass sich ca. 109.000 Flüchtlinge in den Kommunen aufhalten würden, die noch nicht erkennungsdienstlich behandelt und auch noch keinen Antrag beim BAMF gestellt hätten. Damit sind gut die Hälfte aller Flüchtlinge in NRW noch nicht erfasst (EASY-Gap-Fälle). Dazu erklärte der Minister: „Durch den hohen Flüchtlingszustrom im vergangenen Jahr war eine lückenlose Registrierung und sofortige Antragstellung unmöglich. Das holen wir jetzt zügig nach.“ Mittlerweile reduziert sich die Anzahl täglich und soll von 109.000 auf rund 87.000 Fälle bis Mitte Juli reduziert worden sein. In der Rheinischen Post erklärte ein Sprecher des Innenministeriums, dass die fünf neuen "Ankunftszentren" des BAMF in Mönchengladbach, Bonn, Dortmund, Bielefeld und Münster Abhilfe schaffen würden. Der Sprecher erklärte LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12749 2 außerdem: „Wir fahren jede Woche rund 3000 Flüchtlinge mit Bussen auf unsere Kosten dorthin“- bis September solle der Antragsstau abgearbeitet sein. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4987 mit Schreiben vom 23. August 2016 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie läuft die praktische Zuführung von Asylsuchenden im Rahmen des o.g. Konzepts „Zuführung von Asylsuchenden zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zum Zwecke der ED-Behandlung und Asylantragstellung“? Aufgrund sprunghaft angestiegener Flüchtlingszugänge im Herbst 2015 und wegen nicht ausreichender Kapazitäten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zur Bearbeitung von Asylanträgen mussten für einen vorübergehenden Zeitraum Flüchtlinge unmittelbar den Kommunen ohne Gelegenheit zur Stellung eines Asylantrags beim BAMF zugewiesen werden. Da zwischenzeitlich die Bearbeitungskapazitäten ausgebaut werden konnten, hat es das Land zur Beschleunigung des Verfahrens übernommen, in Abstimmung mit dem BAMF und den Kommunen den Zuführungsprozess zum BAMF zu organisieren. Das Zuführungskonzept umfasst zwei Bausteine. Zum einen die Zuführung aller Asylsuchenden aus den Kommunen zur Asylantragstellung beim BAMF und zum anderen das Angebot einer Zuführung zu den Registrierhallen des Landes, um eine kurzfristige erkennungsdienstliche Behandlung und Ausstellung eines Ankunftsnachweises (AKN) sicherzustellen. Das Konzept sieht vor, dass die Asylsuchenden in den Kommunen, die bisher keinen Asylantrag beim BAMF stellen konnten, von den Ausländerbehörden gemeldet werden. Die Asylanträge können dann entsprechend den der Bezirksregierung Arnsberg vom BAMF gemeldeten Bearbeitungskapazitäten in den fünf Ankunftszentren und Außenstellen des BAMF gestellt werden. Soweit möglich soll auch eine Anhörung der Personen erfolgen. An- und Abfahrt zum BAMF werden durch die Bezirksregierung Arnsberg und die kommunalen Ausländerbehörden organisiert. Den Ausländerbehörden wird die Möglichkeit gegeben, Asylsuchende vorübergehend - für ein bis zwei Nächte - in Landeseinrichtungen unterzubringen. Die Kosten der Unterbringung und des Transports trägt das Land. Im Vorfeld der Zuführung zum Bundesamt besteht für Kommunen außerdem die Möglichkeit, noch nicht erkennungsdienstlich behandelte Personen in einer Registrierstelle des Landes erkennungsdienstlich behandeln und für sie einen Ankunftsnachweis nach neuem Recht ausstellen zu lassen. Die Bezirksregierung Arnsberg geht hinsichtlich der vorhandenen Kapazitäten zur Registrierung auf die einzelnen Kommunen zu. An- und Abfahrt werden durch die Bezirksregierung Arnsberg und die kommunalen Ausländerbehörden organisiert. Die Kosten des Transports trägt das Land. 2. In wie vielen Fällen entzogen sich Asylsuchende der Zuführung? Im Rahmen der Umsetzung des Zuführungskonzepts kommt es vor, dass Personen nicht zu dem für sie vorgesehenen Transfer erscheinen. Die Gründe hierfür können vielfältig sein (akute Krankheit, Arzttermine, Nichterhalt der Einladung, Verweigerung etc.) und lassen nicht automatisch auf eine Verweigerung oder den Willen, sich dem Verfahren zu entziehen, schließen. Die Gründe für das Nichterscheinen sind von den jeweiligen Ausländerbehörden zu LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12749 3 ermitteln. Im Falle einer Verweigerung sind von den Ausländerbehörden ausländerrechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Eine genaue Zahl von Personen, die sich verweigert haben, kann erst nach Abschluss der Zuführungen bei den Ausländerbehörden erhoben werden. 3. Kann die Landesregierung die Zuführung der Asylsuchenden durch das Land entsprechend der Absprache mit dem BAMF sicherstellen, damit gewährleistet bleibt, dass bis Ende des Sommers die Defizite beim EASY-Gap und der ED- Behandlung von Asylsuchenden restlos abgebaut ist? Nach Einschätzung des BAMF sollen ausreichend Bearbeitungskapazitäten zur Verfügung stehen, dass bis Ende September allen kommunal zugewiesenen Flüchtlingen die Möglichkeit gegeben werden kann, einen Asylantrag zu stellen. Das Land wird durch die Zuführung die Auslastung der bestehenden Bearbeitungskapazitäten des BAMF sicherstellen. 4. Die Aufgabenaufteilung zwischen BAMF und Bundesland wurde mit den Bundesländern separat vereinbart. Es gibt bundesweit eine Vielzahl verschiedener Modelle der Zusammenarbeit bei der ED-Behandlung von Asylsuchenden. In Nordrhein-Westfalen hatte das Land die erkennungsdienstliche Behandlung. Auch für die hohe Anzahl an EASY-Gap- Fällen – mehr als ein Drittel der bundesweiten Fälle – liegt eine Mitverantwortung des Landes Nordrhein-Westfalen, weil zahlreiche Asylsuchende bereits vor der Antragstellung in die Kommunen verteilt wurden. Diese können dadurch nicht so leicht in das Asylverfahren genommen werden. Auch die verhältnismäßig späte Einigung auf Standorte des BAMF in Nordrhein-Westfalen verzögerte den Auftrag des BAMF. Wer ist nach Ansicht der Landesregierung dann für die erkennungsdienstliche Behandlung und für die Zuführung davon Asylsucheden zur Asylantragstellung zuständig, wenn der Ministeriumssprecher im Juli 2016 erklärt, dass das Land für die Zuführungen nicht zuständig sei? Im Herbst 2015 kam es zu einem besonderen Anstieg der Flüchtlingszahlen. Aufgrund der damals fehlenden Bearbeitungskapazitäten des BAMF und der sehr hohen Anzahl an Asylsuchenden musste in einem vorübergehenden Zeitraum eine Zuweisung in die Kommunen bereits vor der Asylantragstellung und der im Rahmen der Antragsaufnahme durchzuführenden erkennungsdienstlichen Behandlung erfolgen. Die Zuständigkeit für die erkennungsdienstliche Behandlung von Asylsuchenden ergibt sich aus den Regelungen des § 16 Abs. 2 Asylgesetz, der eine grundsätzliche Zuständigkeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge festlegt und eine Parallelzuständigkeit weiterer Stellen vorsieht, soweit dort um Asyl nachgesucht wird. Eine Zuführung von Asylsuchenden zum Bundesamt zur Asylantragstellung durch das Land oder die Kommune ist gesetzlich nicht geregelt. Die Betroffenen selbst sind vielmehr verpflichtet, persönlich (innerhalb von 14 Tagen bzw. zu dem ihnen genannten Termin) zur Antragstellung beim Bundesamt vorzusprechen. Kommen sie dieser Verpflichtung nicht nach, kann dies Rechtsfolgen für das weitere Verfahren sowie für den aufenthaltsrechtlichen Status auslösen (§§ 23, 67 Asylgesetz). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12749 4 5. Das BAMF hat dem Land Nordrhein-Westfalen auch die Unterstützung durch Ankunftszentren in anderen Bundesländern angeboten, in denen der EASY-Gap bereits vollständig abgebaut werden konnte (9 Bundesländer). In welcher Form wird die Landesregierung dieses Unterstützungsangebot des BAMF nutzen? Ein konkretes Angebot des Bundesamts zur Nutzung von Ankunftszentren in anderen Bundesländern liegt der Landesregierung bislang nicht vor. Eine solche Nutzung kommt in Frage, wenn die Zuführung zu den Ankunftszentren in anderen Bundesländern für die Asylsuchenden in einer zumutbaren Zeit möglich ist. Daher kommen nur Ankunftszentren aus benachbarten Bundesländern in Betracht. Bislang konnte das Bundesamt hier keine freien Kapazitäten anbieten. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12749