LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12770 29.08.2016 Datum des Originals: 26.08.2016/Ausgegeben: 01.09.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4986 vom 27. Juli 2016 des Abgeordneten Henning Höne FDP Drucksache 16/12584 Neue obergerichtliche Niederlage für Umweltminister Remmel – wie reagiert die Landesregierung auf das Urteil? Wortlaut der Kleinen Anfrage Die Versendung von Wirtschaftsdünger aus anderen Mitgliedstaaten nach Nordrhein-Westfalen , insbesondere aus den Niederlanden, hat in den letzten Jahren zugenommen. Aufgrund von EU-Vorgaben unterlag die Verbringung von verarbeiteter Gülle und Folgeprodukten aus verarbeiteter Gülle bis August 2011 einem umfassenden tierseuchenrechtlichen Genehmigungsvorbehalt . Für die Erteilung entsprechender Genehmigungen konnten vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) bis zum August 2011 Gebühren verlangt werden. Bis Anfang März 2011 wurden regelmäßig Gebühren von nicht mehr als 50 Euro erhoben. Um den Import von Gülle einzuschränken, wurde der Gebührentarif (23.5.6) von der rot-grünen Landesregierung jedoch dahingehend geändert, dass pro zur Einfuhr beantragter Tonne ein Euro, mindestens aber 15 Euro in Rechnung gestellt wurden. Medienberichten vom 27. Juli 2016 zufolge hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein -Westfalen die in der Praxis bis zu 60-fache Gebührenerhöhung nun für rechtswidrig erklärt und der von Umweltminister Remmel zu verantwortenden Gebührenpraxis den Riegel vorgeschoben. Laut Pressemitteilung des Gerichts vom 26. Juli 2016 habe die Gebührenerhebung durch das Land gegen das Kostendeckungsprinzip verstoßen. Das gebührenrechtliche Kostendeckungsprinzip bestimmt, dass die festgesetzten Gebühren nicht höher sein dürfen als die tatsächlichen Kosten, die für die Vornahme der betreffenden Amtshandlung entstehen. Das Gericht stellte klar, dass nur die unmittelbaren Personal- und Sachkosten erstattungsfähig seien. Andere Kosten, wie die vom Land in Rechnung gestellten LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12770 2 Kosten der Untersuchung von Trinkwasser auf durch die Gülledüngung verursachte Nitratbelastung , durfte das Land unter keinem rechtlich tragfähigen Gesichtspunkt einbeziehen, zumal das Land die Kalkulation der geltend gemachten Kosten nicht plausibel dargelegt hatte. Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4986 mit Schreiben vom 26. August 2016 namens der Landesregierung beantwortet. 1. In wie vielen Fällen wurden zwischen März und August 2011 Gebühren nach Ziffer 23.5.6 des Allgemeinen Gebührentarifs erhoben? In dem Zeitraum zwischen dem 01.03.2011 bis zum 31.08.2011 wurden in 292 Fällen Gebühren nach der Tarifstelle 23.5.6. erhoben. 2. In welcher Höhe wurden zwischen März und August 2011 Gebühren nach Ziffer 23.5.6 des Allgemeinen Gebührentarifs festgesetzt? In dem Zeitraum zwischen dem 01.03.2011 bis zum 31.08.2011 wurden nach der Tarifstelle 23.5.6. insgesamt Gebühren in Höhe von 156.815 € festgesetzt. 3. Inwiefern beabsichtigt die Landesregierung, zwar bestandskräftig aber rechtswidrig festgesetzte Gebühren zu erstatten? Das LANUV hat seit dem Urteil des VG Aachen vom 11.02.2014, in dem dieses erstmalig die Frage der Unvereinbarkeit mit Art. 30 AEUV aufgeworfen hatte, sämtliche Gebührenbescheide , die unter der Tarifstelle 23.5.6 ergangen sind unter nachfolgendem Vorbehalt erlassen : „Die Gebührenerhebung erfolgt unter Vorbehalt. Sollte durch obergerichtliche Rechtsprechung festgestellt werden, dass die Tarifstelle 23.5.6. AGT AVerwGebO in der Fassung zur Zeit der Erhebung der Gebühr mit geltendem Recht unvereinbar war, wird die erhobene Gebühr unaufgefordert zurückerstattet. Die Erstattung erfolgt unabhängig davon, ob gegen diesen Bescheid zuvor Klage erhoben worden ist.“ Das LANUV prüft derzeit, inwieweit die Gebühren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des OVG und Beachtung des Gebühren- und Haushaltsrechts zurückerstattet werden können. Das OVG hat ausgeführt, dass entsprechend der ständigen Rechtsprechung zur Unvereinbarkeit mit Unionsrecht, der nordrhein-westfälische Gebührentarif bis zur Höhe des festgestellten Aufwands des LANUV für die Antragsbearbeitung anwendbar gewesen ist. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12770 3 4. Inwiefern wurde der vom Gericht gerügte Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip im Zuge der damaligen Änderung des Allgemeinen Gebührentarifs überhaupt geprüft? Das Gericht hat festgestellt, dass die streitgegenständlichen Gebührentatbestände einen europarechtlichen Einschlag aufweisen. Dies habe zur Folge, dass bei der Gebührenbemessung der durch die Amtshandlung für den Gebührenschuldner entstehende wirtschaftliche Vorteil (sog. Äquivalenzprinzip) nicht berücksichtigt werden dürfe. Die europarechtliche Relevanz wurde bei der damaligen Änderung des Allgemeinen Gebührentarifs nicht berücksichtigt. In der Begründung des Entwurfs der überarbeiteten Tarifstelle wurde lediglich darauf hingewiesen , dass die bisherige Gebührenbemessung in keinem Verhältnis zum Verwaltungsaufwand und zum wirtschaftlichen Nutzen stehe. 5. Inwiefern war das Umweltministerium bei der Prozessführung dieses und der Ausgangsverfahren beteiligt? Das LANUV hat dem MKULNV über den Ausgang der erstinstanzlichen Verfahren unter dem 17.02.2014 berichtet. Das MKULNV hat der darin vorgeschlagenen Vorgehensweise zur Führung des Berufungsverfahrens und der Aufnahme des in der Beantwortung von Frage Nr. 3 abgebildeten Vorbehaltes zugestimmt. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12770